Erfolg und Entwicklung – um jeden Preis?
Bei all den äußerst positiven Nachrichten ist die Welt rund um das Geißbockheim allerdings keineswegs ausschließlich rosarot: In den letzten Wochen erklingen einige dissonante Töne aus den Räumen der Franz-Kremer-Allee, die die organisierte Fanszene betreffen. Die Verantwortlichen des Vereins fühlen sich und ihre Interessen von der Südkurve verraten. Letztere wiederum sind mit dem Verhalten, dass die Offiziellen nicht nur ihnen gegenüber teilweise an den Tag legen, nicht einverstanden.
Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images
Dass es zwischen Verein und seinen organisierten Anhängern mitunter auch große Differenzen und offenen Streit geben kann, ist grundsätzlich nichts Neues. Davon sind alle Vereine mit organisierten Fanszenen betroffen. In Köln erreichte die öffentlich spürbarste Eskalation ihren Höhepunkt im Jahr 2015, als der Verein nach dem Platzsturm an Karneval in Mönchengladbach einen Teil der Anhänger aussperrte und sogar auf der eigenen Vereinshomepage bebilderte Verbalattacken gegen die entsprechenden Anhänger startete. Die Gegenreaktion? Für den Rest der Saison rief die Südkurve einen Stimmungsboykott aus und boykottierte die von vielen als „Vorzeigeprojekt“ bezeichnete AG Fankultur.
In den letzten Monaten wird jedoch immer klarer, dass der Verein Planungen in Gang gesetzt hat, die eine Entfremdung zwischen ihm und den Anhängern wesentlich stärker vorantreiben. Sinnbildlich dafür stehen zwei Worte: „Stadion“ und „China“. Das Stadion in Müngersdorf, das 50.000 Zuschauer fasst, ist dem effzeh zu klein. Weil er wenig Lust darauf verspürt, nach der Posse um das Geißbockheim erneut mit rebellischen Anwohnern und sperriger Verwaltung Kleinkriege führen zu müssen, favorisiert er einen Neubau außerhalb Müngersdorfs.
Ausbau oder Neubau? Entscheidung noch 2017!
Das neue Stadion soll sogar 75.000 Zuschauer fassen – wo es steht, ist für den Klub erstmal zweitrangig. Bei den derzeitig niedrigen Zinssätzen ist ein Neubau für Geschäftsführer Alexander Wehrle derzeit Plan A. Er will um jeden Preis vermeiden, auch nach dem Ende des Pachtvertrags 2024 weiter die zweithöchste Stadionmiete der Bundesliga zahlen zu müssen – und Herr im eigenen Haus sein. Mit Hochdruck werden die Planungen vorangetrieben: Angesichts der bekannten Probleme bei anderen Projekten drängt die Zeit, noch 2017 will der effzeh deutlich machen, wohin die Reise gehen wird.
Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images
Die vielen Unwägbarkeiten, die ein solches Projekt mit sich bringt, sind Wehrle höchstwahrscheinlich bewusst. Wie kaum eine andere Branche hängt der Profisport am Zuspruch der Zuschauer. Der wiederum hängt vom sportlichen Erfolg ab, an den sich Merchandising-, Ticket- und Sponsoringeinnahmen koppeln. Bleibt der sportliche Erfolg also aus, muss der Verein knapper kalkulieren. Trotz solider Arbeit wäre es fahrlässig zu glauben, die Entwicklung beim effzeh würde weiterhin nur eine Richtung kennen.
Ein Stadionneubau ist mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verbunden – ein solches Projekt ausschließlich vom sportlichen status quo ausgehend zu planen, wäre enorm fahrlässig, warnende Beispiele gibt es genug. Seien es Duisburg, Aachen oder Kaiserslautern. Demgegenüber stehen selbstredend auch viele erfolgreiche Beispiele. Allerdings errichtete nur der Branchenprimus, der FC Bayern, ein neues Stadion mit einem Fassungsvermögen von 75.000 Zuschauern. Der effzeh würde also ein enormes Risiko mit ungewissem Ausgang eingehen.
Auf der nächsten Seite: Wieso der effzeh sich Richtung China
orientiert und warum der weitere Erfolgspfad holprig werden könnte