“Der 1. FC Köln gewinnt am 34. Spieltag zuhause mit 1:0 gegen den FC Schalke 04, der Siegtreffer durch Sebastiaan Bornauw fiel erst kurz vor Schluss.” – So oder so ähnlich würde ein nüchterner und sachlicher Texteinstieg für das Nervenspiel am vergangenen Samstag lauten, bei dem sich der FC auf den letzten Drücker vor dem Abstieg rettete. Zielvorgabe für das letzte Spiel der Saison war ein Sieg, um nicht direkt abzusteigen – durch den Erfolg der Bielefelder in Stuttgart reichte es immerhin zum Minimalziel, der Relegation gegen den Zweitliga-Dritten aus Kiel. Das entscheidende Duell gegen den Tabellenachtzehnten aus Gelsenkirchen hatte damit wesentlich mehr zu bieten als nur ein Elf gegen Elf.
Die Ausgangslage war eindeutig: Nur ein Sieg würde dem FC helfen. Keine leichte Aufgabe für eine Mannschaft, die im bisherigen Saisonverlauf nur sieben Mal gewinnen konnte und zudem unter einem enormen psychischen Druck stand. Für die Schalker hingegen ging es um nichts mehr, der künftige Zweitligist bereitete sich in seiner Abschiedstournee schon länger auf die neue Saison vor und gab dabei jungen Spielern wie Florian Flick oder Blendi Idrizi eine Chance. Auf Seiten der Kölner fehlte der defensive Anker Ellyes Skhiri wegen einer Gelbsperre, der Tunesier hatte in der abgelaufenen Saison nur ein weiteres Mal nicht in der Startelf gestanden. Friedhelm Funkel entschied sich dazu, im defensiven Mittelfeld neben Jonas Hector dem robusten und zweikampfstarken Achter Salih Özcan das Vertrauen zu schenken.
Der FC spielt proaktiv, Schalke wehrt sich
Trotz der klaren Ausgangslage entwickelte sich das Spiel der Kölner langsam. Die Schalker setzten auf ein 5-3-2 mit einem kompakten Zentrum, bei dem gerade die Außenverteidiger Benno Schmitz und Noah Katterbach häufig viel Platz für Vorstöße hatten. Özcan und Hector wechselten sich im Aufbau ab und unterstützten die beiden Innenverteidiger Bornauw und Rafael Czichos bei Pässen aus der ersten Linie heraus. Auf diese Weise sammelte der FC wie zu erwarten war jede Menge Ballbesitz, wirklich konstruktiv waren die Angriffsbemühungen in den ersten 20 Minuten allerdings nicht. Ballaktionen im gegnerischen Strafraum gab es keine.
Bei Schalker Ballbesitz galt es in erster Linie, den Übergangsspieler Amine Harit zu stören, der seine Qualitäten genau in den Situationen hat, wenn der Gegner ungeordnet ist und der Mittelfeldspieler mit Tempo nach vorne stoßen kann. Durch Skhiris Fehlen hatten hier nicht wenige Beobachter die Befürchtung, dass der FC in diesen Szenen Probleme bekommen würde. Ansonsten versuchte der FC durchaus proaktiv, hohe Ballgewinne zu erzielen und die Schalker Aufbaubemühungen zu unterbinden – durch die Emotionalisierung von außen (Ersatzspieler, Mitarbeiter*innen, Menschen auf der Tribüne) kam mentale Unterstützung.
Die erste Chance für die Kölner gab es nach 23 Minuten, als Noah Katterbach, Özcan und Hector eine enge Situation gut auflösten. Auf der rechten Seite schuf Benno Schmitz mit seinem Vorstoß Überzahl, er stieß bis zur Grundlinie vor und wurde von Wolf bedient – seinen Schuss aus spitzem Winkel parierte Fährmann. Die nächste Chance entstand wieder über die rechte Seite, weil die Schalker in Person von Mehmet Aydin dort große Probleme hatten, die Räume zu verteidigen. Dieses Mal suchte Marius Wolf mit Tempo die Tiefe, seine Rückgabe fand Ondrej Duda, doch weder der Schuss des Slowaken noch der Nachschuss von Florian Kainz fand das Tor. Diese Situation entstand erneut durch einen ruhigen Aufbau mit drei Spielern.
Durch diese Gelegenheiten binnen weniger Minuten schien der FC im Spiel angekommen, wenngleich sich bis zur Halbzeit eine etwas ruhigere Phase anschloss – der designierte Absteiger aus dem Ruhrgebiet schaffte es hier, schneller in Ballnähe Überzahl zu schaffen. Die Schalker hatten durch Gegenbewegungen über Harit (29.) einen ersten guten offensiven Ansatz, spielten es aber nicht richtig zu Ende. Nur zwei Minuten später hatten die Kölner Glück, als ein langer Ball von Fährmann über Gonçalo Paciência bei dessen Sturmpartner Matthew Hoppe landete, die beide in letzter Linie gegen die Kölner Innenverteidiger spielten. Der Schuss des US-Amerikaners wurde von Bornauw zum Eckball abgefälscht.
Nach dem Seitenwechsel baute der FC wieder vermehrt Druck auf, eine erste Chance von Hector läutete die zweite Halbzeit ein. Abschlüsse von Sebastian Andersson und Marius Wolf nach einem Schalker Fehlpass unterstrichen dies. Doch auch die Gäste hatten erneut nach einem langen Ball von Fährmann durch Harit eine Chance – der FC macht es seinen Gegnern zum Teil zu leicht, zum Abschluss zu kommen. Mit zunehmender Spieldauer stieg dann der Druck, auch weil in den Parallelspielen die Tendenz klarer wurde: Bielefeld führte, Bremen lag zurück, der FC brauchte ein Tor für die Relegation. Bevorzugtes Mittel waren Flanken, von denen das Team von Friedhelm Funkel bis Spielende 36 schlagen sollte.
Auch der Mut der Verzweifelung bringt das 1:0
Die mentale Drucksituation wurde durch das vermeintliche 1:0, das Schiedsrichter Daniel Siebert nach Konsultation des VAR zurücknahm, nicht geringer – Chancen von Hector, Wolf und Meyer nach 75, 77 und 82 Minuten brachten auch nicht den gewünschten Torerfolg. Am Spielende hatte der FC 21 Torschüsse abgegeben, davon 10 aufs gegnerische Tor – doch Fährmann im Schalker Kasten zeigte eine starke Leistung. Schalkes Abwehrchef Salif Sané überzeugte ebenfalls, weil er viele Situationen schon im Ansatz unterband (14 Klärungsaktionen, 4 Blocks). In den letzten Minuten brachte der FC mehr Spieler nach vorne, auch Bornauw hielt es nicht mehr hinten. Es war dann auch der berühmte Mut der Verzweiflung und vor allem die Panik in der Schalker Hintermannschaft, die dann doch noch das entscheidende Siegtor brachte. Hector schickte nach einem langen Ball erst Andersson, der an Fährmann scheiterte, danach bediente der frühere Nationalspieler mit toller Übersicht den eingewechselten Thielmann. Dessen Flanke verwertete Bornauw am zweiten Pfosten zum 1:0 nach 86 Minuten.
Der FC erreichte auf diese Weise in einem absoluten Nervenspiel den dringend benötigten Sieg. Die erste Drucksituation ist bestanden, nun folgen zwei weitere gegen Holstein Kiel. Um schönen Fußball geht es beim FC ohnehin nicht mehr, der Ligaverbleib ist das einzige Ziel – und dafür sind alle Mittel recht. Eine Mannschaft allerdings, die in 180 Minuten gegen den FC Schalke gerade so zwei knappe Siege einfährt, muss sich nicht wundern, wenn es am Saisonende eng wird – auch wenn diese Darstellung natürlich etwas verkürzt ist.
180 Minuten verbleiben noch, Gegner wird ein Zweitligist mit einer ganz eigenen Geschichte in dieser Saison. Das Weiterkommen im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München ist ein Teil davon, genauso die Corona-Quarantäne im April. Seit dem 24. April haben die “Störche” neun (!) Spiele absolviert – vielleicht ist es am Ende die mangelnde Physis, die den Ausschlag für den FC gibt. In jedem Fall wartet aber ein stärkerer Gegner als Schalke.