Seien wir doch mal ehrlich: Seit der WM ist das ja so eine Sache. Da spielt der effzeh endlich mal wieder in der ersten Bundesliga, und dann wird der Spielplan ständig durch diese lästigen Länderspielpausen zerfetzt. In dieser Saison schon zum dritten Mal. Das nervt. Weil man dann ständig so lange warten muss, um seine wirklichen Helden wieder anfeuern zu können, weil die Tabelle in der Zwischenzeit dann einfriert und man doch so gerne sehen möchte, wie die Punktzahl auf der Habenseite weiter wächst.
Länderspiele rufen doch nun wirklich seit dem WM-Finale im Vergleich zu Partien mit effzeh-Beteiligung recht wenig Enthusiasmus hervor. Natürlich schauen wir mal hin und auch auf die Ergebnisse. Aber wenn man nicht gerade DFB-Fanboy ist, mit temporärem Public Viewing-Virus ausgestattet, was macht man dann? Klar. Qualispiele gucken. Geht auch gegen Gibraltar, wenn es sein muss. Aber Freundschaftsspiele anschauen? Wobei ja die Freundschaftsspiele wenigstens nicht bei RTL laufen, so dass man der Überinzenierung und der quietschigen Dramaturgie eines Fernsehsenders entfliehen kann, der ein Fußballspiel gerne scripten würde. Aber dennoch.
Länderspielpausen sind einfach öde, das macht keinen Spaß. Früher, als Poldi noch regelmäßig spielte und auch noch offizieller Teil der effzeh-Familie war, konnte man sich seine rotweiße Dosis wenigstens noch auf diesem Wege abholen, doch seitdem er weder mit dem einen noch mit dem anderen Trikot (regelmäßig) spielt, war da ja auch Ebbe.
Doch damit ist jetzt Schluss. Jogi Löw hat seine Expertise unter Beweis gestellt und unseren Jonas Hector nominiert. Als Linksverteidiger, so dass wir unserem Extrainer Stanislawski dann doch noch im Nachhinein für eine Sache dankbar sein können, war er es doch, der den ehemaligen 10er/8er/6er zum Außenverteidiger umfunktionierte. Nun nölen manche (und verfassen sogar Kommentare dazu), dass Hectors Nominierung doch nur zustande gekommen sei, weil Deutschland, also als Nationalmannschaft, nicht über genügend Alternativen auf dieser Position verfüge. Nur deshalb habe Hector eine Chance erhalten, suggeriert diese Erläuterung wohl. Wobei dann doch die Frage erlaubt sein sollte, wozu sonst ein Spieler nominiert werden sollte, wenn es nicht so ist, dass auf dessen Position die Alternativen eben nicht an den Bäumen wachsen. Wozu sollte man ihn dann einladen? Ist es nicht immer so, dass Trainer Spieler berücksichtigen und verpflichten bzw. als Nationaltrainer dann eben nominieren, wenn sie Bedarf sehen? Also, zumindest, wenn sie nicht Trainer des FC Bayern sind? Insofern geht die Debatte von einer selbstverständlichen Voraussetzung aus und denkt dabei in die falsche Richtung. Unabhängig davon nämlich, wie viele Alternativen verfügbar gewesen wären, ragte Hector auf der Position des Linksverteidigers in den vergangenen Monaten heraus. Punkt, aus.
Insofern war die Nominierung auch folgerichtig. Und dann dennoch auch etwas überraschend, zumindest zu diesem frühen Zeitpunkt. Hector, in diesen Tagen gerade einmal elf Bundesligaspiele alt, konnte/kann sein Glück verständlicherweise auch nicht fassen, wobei Glück hier das falsche Wort ist, denn: er hat sich seine Einladung verdient.
Und selten war es so, dass man sich mehr über die Berufung eines Spielers in den Kreis der Auserwählten freuen konnte, als eben bei Hector. In jüngerer Vergangenheit gab es ja aus kölscher Sicht auch nicht so viel Präsenz im Nationalteam, dass man sich an eine Nominierung schon gewöhnt hätte, aber auch davon abgesehen war die Lage in den letzten Fällen anders gelagert: Bei Poldi war es seinerzeit irgendwie klar, das Land lag im Poldifieber, der junge Mann schoss ein Tor des Monats nach dem anderen. Helmes war dann auch nicht mehr ganz sensationell, zumal man eben durch Poldi wusste, dass Löw auch Zweitligaspieler berücksichtigen würde, damals zumindest. Und bei Sinke, da war es schon überraschend und auch eine tolle Bestätigung, aber die Überraschung der Nominierung hatte eher etwas irritierendes, auch als effzeh-Fan, wenn man einmal ehrlich ist. Es war halt die Phase des großen Experimentierens von Jürgen Klinsmann. Man erinnere sich nur an Alexander Madlung, der damals ja auch zum Zuge kam.
Doch beim Jonas sieht es anders aus. Der Junge ist ein Riese auf dem Platz (und in meinem Herzen). Er wächst an seinen Aufgaben, als würden sie in seinen Händen schmilzen, er überzeugt Woche für Woche mehr durch spielerische Lösungen, Ideen in der Offensive und Klarheit und Ruhe in der Defensive.
Was aber die Einladung noch viel schöner macht: Hector überzeugt auch durch sein Auftreten außerhalb des Platzes. Er ist ein ruhiger, sympathischer, bescheidener, bodenständiger junger Mann, der fast wie ein Relikt alter Tage im grellen und bunten Fußballzirkus wirkt. Sein Auftreten lässt erahnen, dass da jemand zu schätzen weiß, was um ihn herum in den vergangenen zweieinhalb Jahren passierte, als er wie aus dem Nichts bis in den Kreis der Nationalmannschaft durchstartete. Diese Außenwirkung (bei der sich sogar Leverkusener Nationalmannschaftskollegen genötigt fühlen, Hector als “anständig” zu bezeichnen, wobei: das verbitten wir uns jetzt), gepaart mit seinem Schaffen auf dem Platz, lässt das Fanherz jauchzen, wenn doch durch die jüngste Nominierung deutlich wird, dass auch Spieler, die nicht durch ihre Extravaganz, einstudierte Jubelchoreographien, Undercuts, lustige Sprüche und ihr großes Maul auffallen, für ihre Arbeit und Fokussierung auf ihren Job belohnt werden. Selten konnte man sich mehr über den nächsten Entwicklungsschritt eines Spielers freuen. Selten war eine Nominierung daher so gerecht.
Und nun war es soweit. In der 70. Minute kam er. Bei einem offiziellen Länderspiel. Meinetwegen gegen Gibraltar. Jonas Hector kam und gab den nervigen Länderspielpausen wieder einen Sinn. Wir können uns nun wieder auf die Auftritte der Nationalmannschaft freuen, wenn wir doch dabei unserem Riesen auf seinen Reisen zuschauen können.
Jonas Hector ist der 43. Nationalspieler des effzeh. Und wir sind stolz wie Hulle. Herzlichen Glückwunsch, lieber Jonas!