„Ausländer“ oder „Du gehörst hier nicht her!“ So wurde ich in der Vergangenheit begrüßt, wenn ich mich auf einem Kreisligaplatz blicken ließ. Einige fanden es witzig, andere normal. Ich finde es zutiefst rassistisch. Denn der verletzende Inhalt ist: „Du bist anders als wir!“. Es dient dazu, mich auszugrenzen. Das war früher so, und das ist auch heute noch so.
Ich schreibe diesen Text hier anonym. Ein Grund ist, dass ich Repressalien befürchte, wenn ich meinen Namen nenne. Ähnlich wie Homosexuelle haben es Migrant*innen in Deutschland nach wie vor schwer im Fußball. Als Yuya Osako den FC mit seinem Tor gegen Mainz in die EuroLeague schoss, war er der Held. Ein Jahr später war er nur noch das „dreckige Schlitzauge, das das sinkende Schiff verlässt“. Guirassy hat eine Weile den FC im Kampf um den Klassenerhalt im Rennen gehalten. Trotzdem wurde er immer wieder als „N****“ bezeichnet.
Das ist der nach wie vor existente Rassismus, der immer wieder mal zu Tage tritt. Die Geschehnisse rund um den Mord an George Floyd in den USA haben das Thema erneut aus der Ecke geholt. Es gibt tatsächlich Medien und Menschen, die nur nach Begründungen suchen, warum mehrere Polizisten so lange auf dem Mann knien mussten, bis er schlussendlich erstickte. Was für eine abscheuliche Tat muss er verbrochen haben? Ist er IS-Anhänger gewesen? Hatte er vor, die Staatsbank auszurauben? Nein, er hatte Ärger, weil er angeblich mit einem falschen Geldschein bezahlt hatte. Erst nach massiven Protesten und nachdem ein Video zu dem Vorfall um die Welt ging, wurden dann die vier beteiligten Polizisten festgenommen. Darum geht es hier in dem Artikel allerdings nicht.
Zu wenig Engagement im Fußball
Der Hintergrund des Artikels ist ein Tweet, den der 1. FC Köln vor einer Weile absetzte und der mich per Push-Nachricht erreichte. „Gemeinsame Botschaft gegen Rassismus“ titelte der Effzeh – ich war stolz, dass mein Verein endlich Stellung bezog. Was würde drinstehen? Als ich dann den Text gelesen und das Video im Tweet gesehen hatte, war ich enttäuscht!
“Unter Menschen mit Migrationshintergrund gibt es eine zunehmende Frustration.”
Die Aktionen einzelner Spieler fand ich gut, weil sie klare Statements gesetzt haben. Die Mehrheit der Spieler und vor allem die meisten Verantwortlichen haben es aber versäumt, die Spieler, die Farbe bekannt hatten, vor den drohenden Sanktionen des DFB deutlich in Schutz zu nehmen. Für den effzeh sei allerdings explizit Horst Heldt lobend erwähnt, der diese Regel des DFB als „Unsinn“ bezeichnet hat. Und was tun, die Medien, etwa die Rheinische Post? Sie fordert in einem Tweet Strafen für die Spieler für „politische Botschaften“.[1]
Erst nachdem der DFB angekündigt hatte, dass es keine weiteren (!) Ermittlungen geben werde, rafften sich einige Vereine dazu auf, eine gemeinsame Erklärung abzugeben. Und dann nicht in der Form, dass man sich mit den Spielern solidarisierte – es wurde nur dieses Video gezeigt. Sehr schwach. Wie schnell waren die meisten Vereine noch einmal, als es darum ging, sich mit einem weißen Milliardär zu solidarisieren?
Unter Menschen mit Migrationshintergrund gibt es eine zunehmende Frustration. Wir werden klein gehalten.
Rassismus bereits in der Schule
Studien zeigen, dass bereits in der Grundschule rassistisch selektiert wird. So werden z. B. Schüler*innen mit türkischen Namen bei gleicher Fehleranzahl im Diktat schlechter benotet.[2] Sie erhalten bei gleichen Noten deutlich seltener eine Gymnasialempfehlung und auch auf dem Gymnasium werden sie im Vergleich weiterhin schlechter benotet.[3] Und es zieht sich weiter, weil auch bei einem gleichen Abschluss ein*e Migrant*in immer noch schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz hat.[4] Um also als Migrant*in eine Chance zu haben, muss man in der Grundschule schon deutlich besser sein als eine*r ohne Migrationsgeschichte, um eine Empfehlung fürs Gymnasium zu erhalten.
Anschließend muss man auf dem Gymnasium wiederum besser sein, um dort bestehen zu können. Und erst, wenn man ein drittes Mal besser ist, bekommt man den heiß ersehnten Ausbildungsplatz. Anschließend wird auch wieder rassistisch selegiert, weil man in einer Bank „keinen schwarzen Mitarbeiter vorne an den Tresen stellen kann“.[5]
Es nervt. Und es spiegelt sich auch im Fußball wider. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein*e Spieler*in, welche*r voraussichtlich nicht in einer deutschen Junior*innen-Nationalmannschaft auflaufen kann, genauso gefördert wird wie eine*r, der oder die für die deutsche U-17 aufläuft, ist gering. Deswegen ist die Quote der Spieler*innen, welche erst einmal die deutschen Junior*innenmannschaften durchlaufen, um dann für die A-Nationalmannschaft anderer Verbände zu spielen, besonders hoch.
Mittlerweile wirkt bei vielen auch die Erfahrung eines Mesut Özil nach, der immer wieder gezielt herausgepickt und als „Öl-Auge“ diffamiert wurde. Als Özil bei seinem Abschied Rassismus im DFB anprangerte, wurde er von seinen Ex-Mitspielern nicht unterstützt, sondern eher beschimpft. Mitspieler, mit denen er über ein Jahrzehnt zusammen gespielt und Titel gewonnen hatte.[6] Ausländische Spieler, die an bedeutenden Meistertiteln mitgewirkt haben, geraten eher in Vergessenheit und sind damit seltener „Helden einer Generation“. Sie haben ihren Dienst geleistet und sollen dankbar sein, dabei gewesen sein zu dürfen. Feiern kann man lieber „ne deutsche oder ne kölsche Jung“.
Bundesliga-Bosse: Weiß, männlich
Von 56 Vorständen und 39 Geschäftsführern in der gesamten 1. Fußball-Bundesliga (abzüglich der TSG Hoffenheim, von der keine Daten veröffentlicht wurden) haben gerade einmal zwei einen Migrationshintergrund. Darüber hinaus ist das eine reine Männerveranstaltung; keine Frau ist weit und breit zu sehen. Laut eines aktuellen Artikels des Deutschlandfunks sind gerade einmal drei „People of Color“ in den Führungsgremien der 1. Fußball-Bundesliga.[7] Gemessen an einem Bevölkerungsanteil von 25,5 % für Personen mit Migrationshintergrund[8] ist ein reeller Anteil von gerundeten 1,8 % erschreckend niedrig.
Frauen machen aufgrund ihrer längeren Lebenserwartung etwas mehr als 50 % unserer Bevölkerung aus. Von diesen sind gerade einmal 14 in den verschiedenen Gremien der Bundesligisten vertreten[9] und schlagen Männer mit dem Vornamen „Michael“ nur ganz knapp mit 14:13. Ein Bevölkerungsanteil also, der 62,75 % ausmacht, ist in den Gremien der Bundesligisten gerade mal mit 6,9 % vertreten. Zum Vergleich: Laut transfermarkt.de haben wir in der 1. Fußball-Bundesliga einen Legionärsanteil (=Spieler mit ausländischer Herkunft) von 52,7%[10], wobei Spieler wie Ismail Jakobs oder Kingsley Schindler nicht in die Statistik als Legionäre miteinfließen.
Warum ist das so?
Öfters bekomme ich zu hören „Die sind nicht qualifiziert genug!“, „Sie strengen sich einfach nicht genug an!“ oder auch „Wenn sie wollten, könnten sie es doch schaffen!“
Ist das wirklich so?
Struktureller Rassismus in Deutschland
Für mich nicht. Im Gegenteil. Wie bereits oben beschrieben, muss sich ein Mensch mit Migrationshintergrund deutlich stärker anstrengen als ein „deutscher Junge“, damit er überhaupt eine Chance bekommt. Das ist für mich struktureller Rassismus.
Migrant*innen dürfen gerne ein wenig mitmachen, ihre Leistung bringen und am Ende werden sie vielleicht auch ein wenig für ihre Leistung gewürdigt. Trotzdem wird abfällig geschaut, wenn ein muslimischer Geschäftsmann mit einem teuren Auto vorfährt. Vielleicht macht er ja auch Drogengeschäfte? Wenn dagegen der Erbe aus dem Hahnwald mit einer Limousine vorfährt, dann ist das kein Thema. Auch wenn das Geld vom Vater stammen sollte, der wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis musste und zwei Unternehmen in die Insolvenz getrieben hat. Aber es ist ja egal, die blonden, gegelten Haare sitzen schließlich fantastisch.
“Hier hätte der Fußball die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen.”
Rassismus ist etwas sehr Persönliches. Jeder Mensch erfährt Rassismus anders. Ein Ladenbesitzer berichtete vom rassistischen Verhalten einer Kundin zu Beginn der Corona-Krise.[11] Fahrgäste setzen sich weg, wenn People of Color sich neben sie setzen. Bewerbungen werden früher aussortiert, wenn der Vorname nicht „Anna“ oder „Peter“ ist.[12] Wenn man sich auf eine Mietwohnung bewirbt, hängt der Erfolg auch vom Namen ab, der in der Mail steht.[13] [14] Und das alles, nachdem man sich bereits von der Grundschule an immer weiter hochkämpfen musste, bei jeder einzelnen Etappe Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen hat.
Hier hätte der Fußball die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen. Macht er aber nicht, abgesehen von wohlfeilen DFB-Kampagnen. So lange weiße Männer 93,1 % aller entscheidenden Positionen besetzen, wird sich ziemlich sicher nichts ändern.
Quellen:
[1] https://twitter.com/rpo_sport/status/1267457786625044485
[2] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2018.00481/full
[3] https://www.news4teachers.de/2017/07/forscher-finden-hinweise-auf-systematische-benachteiligungsprozesse-von-migranten-im-deutschen-bildungssystem/
[4] https://www.news4teachers.de/2017/05/bibb-analyse-auswahlverfahren-benachteiligt-migranten-bei-der-ausbildungsplatzsuche-unabhaengig-vom-schulabschluss/
[5] https://www.deutschlandfunk.de/kampf-gegen-rassismus-in-deutschen-unternehmen-nur-ein-ganz.769.de.html?dram:article_id=478253
[6] U21-Europameister & Weltmeister
[7] https://www.deutschlandfunk.de/fussball-bundesliga-so-wenig-divers-sind-bundesliga-gremien.1346.de.html?dram:article_id=478588
[8] https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61646/migrationshintergrund-i
[9] Auswertung Deutschlandfunk
[10] https://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/startseite/wettbewerb/L1
[11] https://www.express.de/koeln/corona-panik-in-koeln-mutter-fluechtet-mit-tochter-vor-chinesen-36167798
[12] https://www.deutschlandfunk.de/wzb-studie-ethnische-diskriminierung-bei-der-jobsuche.680.de.html?dram:article_id=419625
[13] https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-01/umfrage-wohnungssuchende-migrationshintergrund-diskriminierung-wohnungsmarkt
[14] https://www.hanna-und-ismail.de/