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Meinung

Pure Vernunft muss manchmal siegen

Der Abgang von effzeh-Eigengewächs Yannick Gerhardt nach Wolfsburg ist sicherlich keiner fürs kölsche Hätz. Warum der Wechsel des U21-Nationalspielers dennoch eine Win-Win-Win-Situation ist, erklärt der effzeh.com-Kommentar.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Etwas mehr als eine Minute war gegen Erzgebirge Aue gespielt, als das Erweckungserlebnis seinen Lauf nahm. Slawomir Peszko bekam die Kugel am gegnerischen Strafraum nicht gänzlich unter Kontrolle, der Pole stolperte sie aber gerade noch zu Yannick Gerhardt. Was das Eigengewächs damit anfing, war Balsam für die kölsche Seele: Der damals 19-Jährige streichelte den Ball mit links ins lange Eck. Ein Treffer wie ein Traum – so zuletzt in Müngersdorf gesehen von einem anderen, der aus der effzeh-Jugend in die Herzen der eigenen Fans stürmte. Im tristen Zweitliga-Alltag war es ein wohlig-warmer Gedanke, dass da wieder jemand ist, der aus den eigenen Reihen kommt und sportlich gewisse Erwartungen weckt.

© Eduard Schmulenson

© Eduard Schmulenson

Etwas weniger als drei Jahre später ist der triste Zweitliga-Alltag ebenso Geschichte wie das Eigengewächs Yannick Gerhardt. Als Stammkraft des Bundesliga-Neunten und U21-Nationalspieler wechselt er für kolportierte 13 Millionen Euro nach Wolfsburg – und wird den effzeh sowie seine Fans natürlich niemals vergessen. Für den nächsten sportlichen Schritt wird er aber demnächst in der niedersächsischen Provinz schuften. Ich gebe offen zu: Auch wenn sich der Abgang abzeichnete, die Bekanntgabe des Transfers versetzte meinem effzeh-Herzen einen Stich. „YG31“ ist mir ans ebensolche gewachsen – als Kapitän einer starken U19, die mir Freude bereitet hat. Als Linksverteidiger im Ligaendspurt der eher schwachen U21. Und als heranwachsendes Talent einer charakterlich einwandfreien Profimannschaft, die den effzeh dorthin geführt hat, wo wir ihn gerne sehen wollen. Es ist kein Abgang für das kölsche Herz – aber ein Transfer, der allen Parteien das gibt, was sie benötigen.

Der VfL Wolfsburg erhält für viel Geld ein großes Talent, das in der Bundesliga bereits sein Potenzial aufgezeigt hat. Dynamisch und mit großer Robustheit ausgestattet kann Gerhardt an guten Tagen das Mittelfeld eines Bundesligisten dominieren. Dazu hat der Dürener, den Peter Stöger einst als „Quarterback der Zukunft“ bezeichnete, zahlreiche Positionen in seinem Portfolio: Beim effzeh zumeist als Achter oder gar als offensiver Außen eingesetzt ist der U21-Nationalspieler ein moderner Vertreter auf den Mittelfeldpositionen vor der Abwehr. Dass er in der DFB-Auswahl als Linksverteidiger seinen Mann stand, machte ihn sicherlich nicht uninteressanter für finanzstarke Fußballkonzerne wie Wolfsburg. Dass der VfL marktgerecht die Phantasie, was Gerhardt zu leisten imstande ist, miteinpreisen musste, dürfte angesichts der Wirtschaftskraft der „Wölfe“ nicht verwundern.

Yannick Gerhardt 13 Mio

Für den Linksfuß ist es auf der Karriereleiter derweil ein Sprung hinauf. Auch wenn den effzeh am Ende der abgelaufenen Spielzeit nur läppische zwei Zähler und ein einziger Tabellenplatz von Wolfsburg trennte, dürfte die VfL-Werbeabteilung trotz allem die sportliche bessere Adresse für die kommenden Jahre sein. Die Wahrscheinlichkeit, demnächst auch auf internationalem Parkett das eigene Können zu zeigen, dürfte in Wolfsburg um einiges höher zu sein als beim effzeh. Offenbar versuchen die „Wölfe“ nach der trotz Einzug ins Champions-League-Viertelfinale enttäuschenden Saison, nun eine junge und hungrige Truppe aufzubauen. An Spieler der Qualität eines Maxi Arnold oder Daniel Didavi wird der effzeh kurz- und mittelfristig eher nicht herankommen. Nicht verschweigen darf man natürlich auch nicht, dass sich Yannick Gerhardt mit dem Wechsel nicht nur sportlich, sondern auch finanziell vermutlich deutlich verbessern wird. Dem Vernehmen steigt sein Gehalt auf schlappe drei Millionen Euro pro Jahr an – das dürfte genug Schmerzensgeld sein, um seine Heimat zu verlassen und bei einem müden Laden in Niedersachsen anzuheuern.

gerhardtSatt und genug Schmerzensgeld erhält wohl auch der glorreiche 1. FC Köln. Eine zweistellige Millionensumme spielte zuletzt nur einer ein: Lukas Podolski. Dass Yannick Gerhardt, ein Spieler mit großem Potenzial, aber auch gewisse Inkonstanz in seinen Leistungen, nun in diese Sphären vorstößt, macht auch den effzeh zum Gewinner. Er verliert einen nicht unersetzlichen Teil seiner Mannschaft – und bekommt dafür jede Menge Gestaltungsspielraum, den Jörg Schmadtke zu nutzen weiß. Als Positivbeispiel darf hierfür sicherlich Kevin Wimmers Abgang dienen: Seinen Wechsel in die Premier League kompensierte man dank Dominique Heintz glänzend und schaffte es durch die Ablösesumme, den Kader substanziell zu stärken. Auch in diesem Sommer ist damit zu rechnen, dass das Transferbudget durch Gerhardts Abgang ausgepolstert werden wird und den effzeh in die Lage versetzt, talentierte Spieler ans Geißbockheim zu lotsen. Dass das keine einfache Aufgabe ist, dürfte klar sein. Dennoch: Es ist zu erwarten, dass auch dieser Transfer ein Katalysator für die Entwicklung der Mannschaft sein wird. Am Ende ist Yannick Gerhardts Wechsel ein emotionaler Rückschlag – sportlich aber vermutlich ein Schritt nach vorne. Und das ist es doch, was letztlich zählt.

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