Vieles spricht dafür, dass der 1. FC Köln aus dem Müngersdorfer Stadion ausziehen wird. Für den Verein ist das auch eine Richtungsentscheidung. Der effzeh.com-Kommentar.
Seltenst ist ein Leben die Summe der eigenen Entscheidungen. Vieles ist schlicht Zufall, einiges liegt nicht in den eigenen Händen, manches ist einfach das Ergebnis der Umstände. Letzteres könnte auch in der mühseligen Debatte um einen möglichen Ausbau des Müngersdorfer Stadions auf den 1. FC Köln zutreffen.
Dass die WM-Arena mittlerweile zu klein für die „Geißböcke“ geworden ist, ließ sich lange Zeit nicht absehen. Der effzeh fristete ein Dasein als Fahrstuhlklub und war öfters froh, in der schicken städtischen Spielstätte gegen Wacker Burghausen oder Erzgebirge Aue nicht vor halbleeren Rängen spielen zu müssen. Die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch mit mehr oder weniger wohligen Schauern an Erstliga-Duelle vor vierstelliger Kulisse im alten Müngersdorfer Stadion.
Mit dem Erfolg wachsen auch die Erwartungen
Die Zeiten ändern sich allerdings – und damit auch die Ansprüche: Aus der beengten Mietwohnung in schöner, aber schwieriger Lage ist die FC-Familie inzwischen herausgewachsen, ein eigenes Eigenheim mit viel Grün und noch mehr Platz soll es nun sein. Der Boom, im Fußball und beim glorreichen 1. FC Köln, soll es möglich machen, mit dem eigenen Erfolg steigen auch die eigenen Erwartungen.
Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images
Doch die Entscheidung ist eine schwierige, weil richtungsweisende: Wählt der effzeh den Spatz in der Hand und bleibt mit einigen Schönheitskorrekturen doch in Müngersdorf? Viele Fans sprechen sich dafür aus, das Herz hängt an dem gewachsenen Standort im Kölner Westen. Oder entscheidet sich der Verein für die Taube auf dem Dach, für den Neubau an einem anderen Ort? Rational scheint fast alles dafür zu sprechen: Ein eigenes Stadion für mehr Fans könnte dem effzeh nochmals einen richtigen Schub verleihen.
Das kölsche “Jeföhl” als Sinnstifter
Im Fußball allerdings, das sollten gerade wir Kölner wissen, ist die Ratio nicht immer der beste Ansprechpartner. Ist es sinnvoll, einen mies geführten Verein auch in der 2. Bundesliga zu unterstützen? Bestimmt nicht. Ist es sinnvoll, Woche für Woche hunderte Kilometer zu fahren, um 90 elend schwache Minuten zu sehen und sich grün und blau zu ärgern? Bestimmt nicht. Ist es sinnvoll, sein Herz an einen wankelmütigen Fußballclub zu verschenken und im Gegenzug jahrelang enttäuscht zu werden? Bestimmt nicht.
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Auf dieses „Jeföhl“, auf diese Identifikation mit dem Verein und auf seine Tradition konnte der effzeh auch bauen, als sonst nichts funktionierte. Es wäre aus Sicht vieler fahrlässig, diese Brücken abzureißen, weil es gerade eine bessere Phase gibt. „Tradition hat nur dann einen Sinn, wenn der Wille zu noch größeren Taten vorhanden ist“ – mit diesem Satz prägte der legendäre effzeh-Präsident Franz Kremer vor langer Zeit die DNA des Vereins. Vielleicht, so raunte es am Freitagabend durch Müngersdorf, wäre es heutzutage vielleicht die größere Tat, der Versuchung einer möglichen Großmannssucht zu widerstehen.
Ein wichtiger, richtungsweisender Schritt
Die Vereinsverantwortlichen stehen damit am Ende dieses Jahres vor einem wichtigen Schritt: Spatz oder Taube – was soll dein Herzblatt sein, lieber 1. FC Köln? Entscheidest du dich für das Herz, das jahrelang dein schlagkräftigstes Argument war, oder für den Kopf, der kühl kalkuliert, aber vielleicht die Leidenschaft außer Acht lässt? Noch liegt es in deiner Hand, lieber effzeh – auch wenn die Umstände vielleicht das Ergebnis verfälschen. Die Sänger deiner Vereinshymne hätten da ein Lied im Angebot: „Leever en Mösch en dr Hand als en Duuv op demm Daach – winnijer es off mieh, mer jläuv et koum! Leever en Mösch en dr Hand als en Duuv op demm Daach, denn et Levve es off schöner als ne Droum!“