In der Länderspielpause bleibt viel Zeit, sich über die bisherigen zwei Niederlagen des 1. FC Köln Gedanken zu machen – es braucht wohl weiterhin Geduld.
Nach zwei Pleiten zum Saisonstart steht der 1. FC Köln vor einer Länderspielpause, die in der notorisch aufgeregten Domstadt bestimmt von Diskussionen darüber bestimmt wird, wie der ruhmreiche Verein denn endlich einmal wieder ein Fußballspiel gewinnen soll. Die ersten beiden Auftritte in der Bundesliga gingen verloren, zuerst beim Derby in Mönchengladbach, danach zuhause gegen den HSV. Besonders nach dem Heimspiel gegen die Rothosen aus Hamburg wurden viele Stimmen in der Fanszene und in den sozialen Netzwerken laut, die eine weitere Verstärkung für die Offensive forderten – ein kreativer Mittelfeldspieler müsse her, ein dribbelstarker Außen oder am besten noch ein Modeste-Ersatz!
Der Aufgeregtheit fehlte insgesamt ein wenig die rationale Sichtweise auf das, was da in den ersten beiden Spielen tatsächlich passiert war. Festzuhalten bleibt, dass der 1. FC Köln weder in Mönchengladbach noch zuhause gegen Hamburg komplett chancenlos war. Die erste gute Nachricht ist also: Auch in der Saison 2017/2018 scheint die Mannschaft von Peter Stöger konkurrenzfähig zu sein! Dass die Erwartungshaltung aufgrund der Qualifikation für die Europa League ein wenig anders ist als sonst, ist zwar verständlich – allerdings sollte man versuchen, die sportliche Leistungsfähigkeit der Mannschaft realistisch einzuordnen. Das versuchte der Österreicher auch in der Einordnung des Spiels gegen den HSV: “Ich gebe nicht den Schönredner oder dresche Phrasen. Es gab einige Dinge, die für mich gut waren. Die bekommen aber nur die Spieler zu hören.”
Der Veränderungsprozess in der effzeh-Offensive braucht Zeit
Häufigster Kritikpunkt war in den vergangenen beiden Wochen die Offensive. Dieser fehle es an den nötigen Automatismen, war da vielerorts zu lesen. Auch die zwingende Durchschlagskraft soll den effzeh-Akteuren bisher abgegangen sein, weswegen in beiden Spielen nur ein Tor heraussprang. Die Ironie der Geschichte: Dieses eine Tor erzielte mit Frederik Sörensen ein Innenverteidiger. Dieser Fakt ist natürlich Wasser auf den Mühlen derjenigen Kritiker, die den Modeste-Abgang a) noch nicht verkraftet haben und b) Jhon Cordoba als nicht ausreichend leistungsstark für den effzeh befinden.
Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images
Apropos Modeste: Die folgenden Ausführungen haben nichts mit Nostalgie oder Verklärung der Vergangenheit zu tun, sie sind einzig und allein eine Bestandsaufnahme dessen, was der Franzose in den beiden letzten Jahren für die Mannschaft geleistet und wie er deren Leistungsfähigkeit damit entscheidend mitbestimmt hat. Mit 40 von 89 erzielten Bundesligatoren, die die Mannschaft von Peter Stöger in den beiden letzten Spielzeiten erzielte, kommt Modeste auf einen Anteil von 45 % der Torausbeute. Kein anderer Bundesligastürmer kommt seit 2015 auf einen derart hohen Prozentsatz, nicht einmal die beiden Ausnahmestürmer Aubameyang und Lewandowski (beide haben 36 % der Bundesligatore seit 2015 erzielt). Bekanntlich sind diese beiden Stürmer bei Vereinen angestellt, die aufgrund der Qualität ihrer Spieler wesentlich mehr Chancen herausarbeiten als Modeste, der zugegebenermaßen bei einem durchschnittlichen Bundesligisten spielte.
Modeste hinterlässt eine Lücke – wer hätte das gedacht?
Doch auch ein anderer Vergleichswert offenbart, dass Modeste eine eminente Bedeutung für den effzeh hatte: Während in Dortmund und München in den letzten beiden Jahren immer zwischen 13 und 16 Spieler mindestens ein Bundesligator erzielten, waren es beim effzeh deren zehn und elf. Für ein Mittelklasse-Team wie das aus Köln ist es dementsprechend wie ein Stich ins Herz, wenn der Ausnahmestürmer den Verein verlässt.
Und wie viele Spiele konnte der effzeh gewinnen, wenn Modeste nicht getroffen hatte? Richtig, genau zwei: Das Heimspiel gegen Frankfurt und das sagenumwobene letzte Heimspiel gegen Mainz. Diesen Sachverhalt sollte man sich immer wieder vor Augen führen, da damit quasi schon indirekt der Verlauf der Folgesaison bestimmt wurde. Die Last des Toreschießens auf mehrere Schultern zu verteilen gilt als Hauptaufgabe für die tägliche Trainingsarbeit – dass dieser Prozess allerdings Zeit braucht, scheint einigen Beobachtern nicht klar zu sein.
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