Immer noch kämpft der 1. FC Köln um den Einzug in den Europapokal, die Stimmung um den Verein ist dennoch keine einfache. Das liegt vor allem an der latenten Geschichtsvergessenheit der Beteiligten. Ein Kommentar.
Ein Ausbund an Glückseligkeit war Jörg Schmadtke nach dem bitteren Remis des 1. FC Köln gegen die TSG Hoffenheim wahrlich nicht. Der späte Ausgleich hatte dem effzeh-Sportgeschäftsführer die Laune mächtig verhagelt. Doch nicht nur der vergebene Sieg schien dem ehemaligen Torhüter auf den Magen geschlagen zu sein. Hatte Schmadtke schon unter der Woche im „kicker“-Fachmagazin geraunt, er könne die Historie des Vereins nun deutlich besser einschätzen, legte er auf Nachfrage im Sky-Interview nach. „Sie leben nicht in Köln und lesen nicht die entsprechenden Artikel. Wenn sie enger dran wären, dann würden sie es verstehen“, wies der 53-Jährige den Fieldreporter zurecht.
Auf dessen Rückmeldung, er hätte den „Express“ sehr wohl gelesen, legte Schmadtke ein süffisantes Lächeln auf und setzte zur Medienschelte an: „Diese latente Unruhe, die auch noch geschürt wird vom Boulevard, die führt oftmals dazu, dass handelnde Personen unruhig werden und dann Entscheidungen treffen, die nicht mehr zum Wohle des Klubs sind“, erklärte der effzeh-Geschäftsführer – und bezog sich mehr als offensichtlich auf einen „Express“-Kommentar, der sich nach dem schwachen Augsburg-Auftritt den Fehlern bei den “Geißböcken” annahm. Seine Lehre aus der öffentlichen Kritik: „Ich verstehe nun, warum handelnde Personen Dinge gemacht haben, die für den Klub nicht gut waren.“
Dünnhäutig und unsouverän
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Ob man die Kritikpunkte, die der Artikel aufwirft, teilt, ob man den Zeitpunkt angemessen findet oder grundsätzlich den Boulevard-Medien ablehnend gegenüber steht: Die recht bärbeißig daherkommende Replik auf den ersten Gegenwind wirkte recht dünnhäutig. Denn: Im Vergleich zu früheren Zeiten, auf die sich Schmadtke beruft, kommt die so gefürchtete Kölner Medienwelt seit dem letzten Abstieg doch recht handzahm daher. Es ist verständlich, dass sich der oberste Herr der sportlichen Geschicke am Geißbockheim vor seine Untergebenen stellen möchte – angesichts der aktuellen Situation und der doch zurecht sehr sparsamen Anwürfe seitens der Presse klingt es allerdings eher nach dem einsamen Rufer in der Wüste, wie Jammern auf hohem Niveau.
Das gilt jedoch auch für einige Kritiker, die sich im Stadion, in Foren und anderen sozialen Netzwerken in dieser Rolle sehr gefielen. Da wird selbst eine simple Feststellung Peter Stögers, der derzeitige Tabellenstand wäre für den effzeh nicht normal, zum Duckmäusern, zur Feigheit vor dem Feind hochstilisiert. Keineswegs ist eine strenge Analyse der eher schwachen Rückrunde untersagt, noch wird alles, was die sportlich Verantwortlichen anfassen, zu Gold – doch ein Blick in die jüngere Vergangenheit sollte eine gewisse Demut zum Vorschein treten lassen. Der effzeh ist in seinem dritten Erstligajahr erneut auf sportlichem Wachstumskurs, die Hysterie, die so manchen Kritiker erfasst hat, daher recht unverständlich.
Der Blick in die Vergangenheit genügt
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Führt man sich vor Augen, wo der 1. FC Köln herkommt, relativiert sich diese tagesform-abhängige Empörung genauso wie die überzogene Medienschelte Jörg Schmadtkes. Vor exakt fünf Jahren wählten die effzeh-Mitglieder ein neues Präsidium ins Amt: Werner Spinner, Toni Schumacher und Markus Ritterbach übernahmen einen Klub am Boden. Finanziell kurz vor dem Kollaps, im sportlichen Sinkflug und eine zutiefst zerstrittene Anhängerschaft – der einst feine Verein war die Skandalnudel der Bundesliga. Das sieht heute komplett verändert aus – und es tut in vermeintlich stürmischen Zeiten gut, sich daran zu erinnern, dass einem Wind schon einmal ganz anders um die Nase brauste. Sonst jammert man tatsächlich auf sehr hohem Niveau.