Folge uns
.

Meinung

Kommentar zum FCB: Emotion schlägt Vernunft

Das aufgeblasene Fußballgeschäft bekommt mit Uli Hoeneß’ Rückkehr als Präsident des FC Bayern das, was es verdient – Moralität und Vernunft scheinen keine Rolle mehr zu spielen. Ein Kommentar.

Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

Betrachtet aus der Ferne waren es bizarre Szenen, die sich am vergangenen Freitag in einer Münchner Veranstaltungshalle abspielten. Unter frenetischem Jubel wurde die Wahlkampfrede eines Mannes verfolgt, der noch bis zum 1. März 2019 unter Bewährung sein wird. Nach 21 Monaten im Gefängnis wurde Uli Hoeneß anschließend mit einer überwältigenden Mehrheit wieder zum Präsidenten des FC Bayern gewählt, einzig 108 von knapp 7.000 anwesenden Mitgliedern stimmten nicht für die Galionsfigur des größten deutschen Fußballvereins. Einen Gegenkandidaten gab es keinen, Buhrufe lediglich für jene, die es gewagt hatten, gegen Uli Hoeneß zu stimmen. Damit stand fest, dass der frühere Manager knapp 1.000 Tage nach seiner Abdankung wieder im Amt und Würden sein würde. Doch was heißt das eigentlich, Amt und Würden?

Ungefähr 600 Kilometer nordwestlich der Stadt München herrscht derzeit in einem anderen Fußballverein eitel Sonnenschein. Dass sich der 1. FC Köln momentan sportlich wie wirtschaftlich in einer beruhigenden und durchaus angenehmen Situation befindet, hängt in erster Linie damit zusammen, dass es dem Verein gelungen ist, Schlüsselpositionen mit Personen zu besetzen, die einerseits genügend sportliche oder wirtschaftliche Kompetenzen haben und andererseits in der Außendarstellung kaum Angriffsfläche bieten. Präsident Werner Spinners Zeit als Vorstandsmitglied bei der Bayer AG ist kein Thema mehr, genauso wie die literarischen Versuche seines Stellvertreters Toni Schumacher, die vor knapp 30 Jahren ja durchaus auch für Kontroversen sorgten. Der andere Vize-Präsident, Markus Ritterbach, verbindet den 1. FC Köln mit dem anderen international bekannten Aushängeschild der Stadt Köln, dem Karneval. Geschäftsführer Alexander Wehrle macht seinen Job derart gut, dass andere Bundesligisten ihn abwerben möchten. Und über Jörg Schmadtke und Peter Stöger ist bereits genug gesprochen worden.

Hoeneß als Konstrukteur des modernen FCB

In einem Verein zu bestimmten Zeiten gutes Personal zu haben, kann die Entwicklung natürlich maßgeblich beeinflussen: wenn zu einer gewissen Zeit, unter Berücksichtigung der herrschenden Rahmenbedingungen, gute und sinnvolle Entscheidungen getroffen werden, kann dies die Entwicklung eines Vereins auf Jahre hin positiv beeinflussen. So geschehen auch in München, als der FC Bayern in den 1970er Jahren die Grundlage dafür legte, im 21. Jahrhundert der einzig ernstzunehmende fußballerische Global Player Deutschlands werden zu können. Die sportlich unantastbare Mannschaft um Beckenbauer, Maier und Müller an sich war schon Faustpfand genug, doch der Bau des Olympiastadions ließ die Münchner bald der Konkurrenz davoneilen. Spätestens 1979, als der ehemalige Spieler Uli Hoeneß seinen Posten als Manager antrat, war die Wettbewerbsposition des FCB für andere Vereine fast nicht mehr einzuholen. 37 Jahre später ist Uli Hoeneß immer noch ein Bestandteil des Vereins, den er unbestritten zu dem machte, was er ist. Daran konnte auch seine Verurteilung als Steuerhinterzieher nichts ändern. In den Jahren 2003 bis 2009 hatte Hoeneß Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro hinterzogen, woraufhin er im März 2014 schuldig gesprochen wurde. Daraufhin gab Hoeneß bekannt, seine Ämter als Präsident des FC Bayern München e.V. und Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG niederzulegen. „Das wars noch nicht“, waren seine Worte damals.

Dass es völlig legitim ist, einen Steuersünder nach Ablauf dessen Haftstrafe wieder als Präsidenten eines Vereins zu wählen, steht außer Frage und soll in diesem Text auch nicht zum Inhalt gemacht werden. Die Frage ist vielmehr, wieso knapp 7.000 mündige und intelligente Menschen (das setzen wir jetzt einfach mal voraus) bereitwillig dazu in der Lage waren, als Aushängeschild ihres Vereins einen Menschen zu wählen, der sich zeitlebens als moralische Instanz in Fußballdeutschland darstellte und sich auf hehre Grundsätze des sozialen Miteinanders berief, letztlich jedoch auch im Gefängnis saß.

Gewiss, Uli Hoeneß kann auf eine brillante Karriere als Manager des FC Bayern zurückblicken. Unter seiner Leitung wurde der FCB zu einer weltweit bekannten Marke mit einem vielfach zitierten „Festgeldkonto“, auf das andere große Vereine Europas neidisch waren und sind. Trotz der sportlichen Momentaufnahme, in der die Bayern ausnahmsweise mal nicht auf Rang eins der Bundesliga liegen, ist die Position als führender deutscher Fußballverein auf lange Sicht zementiert. Der Verkauf von Anteilen an Adidas, Audi oder die Allianz, der Bau der Allianz Arena und die Verteilung der Fernsehgelder ermöglichen es dem FCB, jede Saison knapp 200 Millionen Euro an Personalkosten für die Bundesligamannschaft auszugeben, wie das Fußballmagazin 11Freunde in der aktuellen Printausgabe berichtet. Die Verpflichtung des Genies Pep Guardiola sorgte neben dem finanziellen Vorsprung auch für eine Chancenlosigkeit der heimischen Konkurrenz, die gemeinhin schon im März den Bayern zum Gewinn der Meisterschaft gratulieren musste. Einzig und allein der große Wurf in der Champions League fehlte, weshalb einige Kritiker in Guardiola einen gescheiterten Trainer sahen, was sich dem Autor aber bis heute nicht erschließt. Uli Hoeneß knapp zweijährige Abwesenheit als Präsident des FC Bayern hat sich also weder sportlich noch finanziell in negativer Form auf die Performanz seines Vereins ausgewirkt. Nun mag es Zufall sein, dass seine Wiederwahl als Präsident des FCB mit der Wahrnehmung zusammenfällt, dass die Bundesliga „endlich wieder spannend“ geworden ist. Mit Red Bull Leipzig gibt es erstmals seit längerer Zeit einen Verein an der Spitze der Bundesliga, der weder in München noch in Dortmund beheimatet ist. Vielerlei werden auch Stimmen laut, die in Carlo Ancelotti nicht den richtigen Trainer für die Bayern sehen. Auch Spieler wie Xabi Alonso, Franck Ribéry, Arjen Robben oder Philipp Lahm, die in den letzten Jahren wie niemand sonst den FCB verkörperten, gelten plötzlich als Auslaufmodelle. Vielleicht ist es diese Angst vor dem Verlust des eigenen Status, der viele Bayern-Fans dazu bewogen hat, begeistert für Hoeneß zu stimmen. Dieser ist ja bekanntlich dafür bekannt, ab und an mal einen emotionalen Wutausbruch zu haben, der die Gegner der Bayern ins Visier nimmt, um den Zusammenhalt der eigenen Truppen zu stärken. Besonders bedeutend ist in diesem Zusammenhang das vielzitierte „Mia san mia“, welches in unnachahmlicher bayerischer Mundart beschreibt, wie man sich als Bayer fühlt – eigen, überlegen, besonders. Wenn es eben sportlich mal nicht läuft wie geplant, kann es durchaus helfen, mit markigen Worten von der sportlichen Situation abzulenken und einen Widersacher direkt zu attackieren. Von daher überraschte es nicht, dass Hoeneß bereits in einer Rede am vergangenen Freitag Red Bull Leipzig als „Feind“ bezeichnet, den „wir jetzt endlich wieder attackieren können“. Auch um die Jahrtausendwende herum gelang es Hoeneß, durch seine öffentlichkeitswirksamen Äußerungen einen mittelschweren (und tatsächlich auch begründeten) Skandal auszulösen, als er Christoph Daum des Kokainkonsums bezichtigte. Es war einzig und allein die grenzenlose Naivität des ehemaligen Kölner Trainers, selbst eine Haarprobe zu veranlassen, die schließlich die Schuld bewies. Daum durfte somit den Posten als Bundestrainer nicht antreten.

Auf der nächsten Seite: Hoeneß und das Postfaktische sowie vergleichbare Fälle aus Politik und Wirtschaft

ZurückSeite 1 von 2

Mehr aus Meinung

.