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Meinung

Saisonstart des 1. FC Köln: Et hätt noch emmer scheif jejange

Auf Hoffnung und Optimismus kann beim 1. FC Köln immer ein plötzlicher Absturz folgen – unser Autor gibt zum Start der Pflichtspiel-Saison Einblick in seine Gefühlswelt.

COLOGNE, GERMANY - APRIL 26: Fans of Koeln prior to the Second Bundesliga match between 1. FC Koeln and SV Darmstadt 98 at RheinEnergieStadion on April 26, 2019 in Cologne, Germany. (Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)
Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Vielversprechende Transfers, gute Stimmung, vermeintlich schlagbare Mitaufsteiger: die Vorzeichen für die anstehende Saison sind durchaus gut. Trotzdem ist vor dem Hintergrund der letzten 30 Jahre die Angst vor neuen Katastrophen ebenso präsent wie die Vorfreude – denn der Beginn einer neuen Saison gilt gemeinhin auch als Zeit der Hoffnung. Der Reiz des Neuen ist im Normalfall in der Hauptsache ein Grund für Optimismus. Und gerade beim 1. FC Köln gibt es dafür nach der Rückkehr in die 1. Liga auch tatsächlich viele gute Gründe.

Der neue Trainer Achim Beierlorzer hat es geschafft, den Verein in kürzester Zeit emotional aus dem Tal der Tränen zu holen, in das er nach dem brutalen Absturz 2018 gefallen war und aus dem ihn auch der Aufstieg nicht befreien konnte. Der Franke verbindet dabei eine wohltuende Mischung aus authentischer Freude an seinem Beruf, einem positiven und motivierenden Umgang mit den Spielern und einer pragmatischen taktischen Ausrichtung, die nichts von dem übertriebenen Ernst früherer „Systemtrainer“ wie Markus Anfang oder Stale Solbakken versprüht. Beierlorzer hat gute Stimmung erzeugt und sieht das Team in der Lage, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen, das macht Mut.

Gezielte Transfers, die langjährige Schwachstellen schließen

Wenn in anderen Vereinen in den vergangenen Jahren unbekannte Spieler aus kleineren Nachbarländern wie Belgien oder den Niederlanden geholt und dabei Lücken im Kader gezielt geschlossen wurden, konnte der FC-Fan nur neidisch staunen. Denn bei uns gab es gefühlt nie einen „Plan B“, wenn also Wunschkandidaten wie der heutige Schalker Salif Sané für das defensive Mittelfeld nicht zu bekommen waren, wurde stattdessen einfach niemand gekauft. Gerne versehen mit dem Hinweis der sportlichen Führung, der Kader sei ja auch so gut besetzt und man brauche niemanden mehr.

REUTLINGEN, GERMANY - JULY 14: Achim Beierlorzer Head coach of 1.FC Koeln looks on ahead of the pre-season friendly match between SSV Reutlingen v 1. FC Koeln at Stadion an der Kreuzeiche on July 14, 2019 in Reutlingen, Germany. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images

Wer also vor der anstehenden Transferperiode gewettet hätte, dass wir schnelle und entwicklungsfähige Spieler für die einvernehmlich als Schwachstellen im Kader ausgemachten Positionen RV, DM, IV und die offensive Außenbahn holen, dann hätten viele in der Fangemeinde (der Autor dieser Zeilen eingeschlossen) viel Geld dagegen gesetzt. Nun ist genau das eingetroffen, wenn auch zu einem Preis, der weit über dem eigentlich verfügbaren Budget lag. Da gleichzeitig keine Leistungsträger abgegeben wurden, ist der Kader auf dem Papier stark genug, um vier bis fünf Vereine hinter sich zu lassen. Ein weiterer Grund für Optimismus.

Vermeintliches Glück durch Mitaufsteiger

Wer die Spiele des effzeh gegen Paderborn (neben den beiden Punktspielen ging auch das Testspiel in der Winterpause eindeutig und verdient verloren) gesehen hat, wird sich zwar hüten, das Team von Steffen Baumgart zu unterschätzen, dennoch sind die beiden anderen Aufsteiger durch ihre fehlende Erstligaerfahrung und das geringere Budget vermeintlich leichtere Konkurrenten als beispielsweise die beiden Absteiger Stuttgart und Hannover. Auch hier gilt: Es hätte schlimmer kommen können.

All diese Argumente führen dazu, dass meine rationale Einschätzung lautet, dass der 1. FC Köln zwischen Platz 12 und 14 landen wird. Der Kopf sagt: Wir schaffen den Klassenerhalt.

Dennoch ist bei mir die Sorge vor einem erneuten Absturz fast größer als die Zuversicht, tatsächlich eine erfolgreiche Saison mit dem Klassenerhalt zu krönen. Und das liegt an vielen, gefühlt zahllosen negativen Ereignissen der letzten zwei bis drei Jahrzehnte. Denn schon häufig platzten große Hoffnungen und Träume von Stabilität und Erfolg mit einem lauten Knall, wenn man am wenigsten damit rechnete. Ein solcher Moment war der 2. Spieltag der Saison 1994/95. Morten Olsen auf der Trainerbank, Bodo Illgner im Tor, vorne das Duo Toni Polster und Bruno Labbadia und im Mittelfeld der gerade geholte und beim KSC enorm erfolgreiche Routinier Wolfgang Rolff. Der neue Hauptsponsor Ford veranstaltete eine große Party und dann mündete meine Vorfreude auf der Tribüne in eine epische 1:6-Heimniederlage, bei der Andreas Möller mit drei Toren in 30 Minuten alle Hoffnungen auf eine gute Saison pulverisierte.

Eines Tages…: Auf das Wunder Europa folgt der Absturz

Einer langen Reihe von weiteren Pleiten, Pannen und Abstiegen folgte dann als bisheriger Höhepunkt der Absturz von London nach Sandhausen. Gerade als Peter Stöger und Jörg Schmadtke den Verein mit Humor und Ruhe aus der 2. Liga geholt, ihn stabilisiert und sogar den Traum von Europa erfüllt hatten, folgte eine Saison, die selbst die größten Pessimisten unter den effzeh-Fans wohl nicht für möglich gehalten hätten. Ein Team, das für 34 Millionen Euro „verstärkt“ worden war, holte in den ersten 14 Spielen drei Punkte und stellte damit einen traurigen Negativrekord auf. Das toppte sogar andere besondere „Leistungen“ der FC-Historie wie jene 1.033 Minuten ohne Tor, die 2002 von FC-Libero Thomas Cichon im Heimspiel gegen Hertha mit einem Kullerball beendet wurden. Und wie so oft war die Misere auch dieses Mal keine rein sportliche.

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Der gesamte Verein wurde in seinen Grundfesten erschüttert, die positive Entwicklung mit Mitgliederboom und Umsatzrekorden jäh gestoppt und die alte Schlagzeile vom „Chaos in Köln“ erlebte ein trauriges Comeback. Es scheint, als hätte der Verein nach mit der Entlassung von Christoph Daum 1990 eine neue DNA entwickelt und Scheitern zum Prinzip erhoben. Immer wieder unterbrochen durch kurze Phasen des Erfolgs wie unter dem „heiligen“ Ewald, aber dennoch ohne die Stabilität, mit der Vereine wie Mainz oder Augsburg sich seit vielen Jahren in der 1. Liga halten. Von unserem Erzrivalen ganz zu schweigen, der es unter Max Eberl geschafft hat, über die letzten Jahre hinweg relativ konstant der beste unter den Nicht-Investoren- oder börsennotierten Vereinen zu werden.

Der Bauch sagt: Vorsicht, auch wenn die Vorzeichen noch so gut sind, kann der nächste Absturz schon auf uns warten. Und niemand weiß, wie schlimm es dann kommen mag. Meine gefühlsmäßige Befürchtung ist daher: wir scheitern in der Relegation am HSV.

Doch gleichzeitig gibt es schlimmeres als ein schlechtes Bauchgefühl. Denn letztlich kann man letztlich nur positiv überrascht werden, wenn man mit dem schlimmsten rechnet. Daher freue ich mich darauf, dass es losgeht.

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