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Analyse

Auswärtserfolg des 1. FC Köln in Dortmund: Unverhofft kommt oft

Der 1. FC Köln landet in Dortmund durch einen Doppelpack von Ellyes Skhiri einen überraschenden Auswärtssieg. Eine passende Grundordnung, Standards und ein bisschen Glück bringen dem FC den ersten Erfolg seit langem.

Foto: Uwe Kraft​ - Pool/Getty Images

Nach acht Monaten ohne Sieg ist dem 1. FC Köln das vorher Undenkbare gelungen: Mit einem 2:1-Auswärtserfolg bei Borussia Dortmund beendete das Team von Markus Gisdol die monatelange Ergebniskrise. Die jüngsten Leistungen gegen Werder Bremen und Union Berlin waren besorgniserregend, nun jedoch hat der FC gegen einen offensichtlich müden Champions-League-Teilnehmer ein Ausrufezeichen gesetzt. Das Szenario des Spiels hätte dabei für die Kölner nicht besser laufen können: Zwei Tore nach Standardsituationen, eine sinnvoll gewählte Grunordnung und die passende Herangehensweise aus taktischer Sicht sind die Gründe dafür, dass der 1. FC Köln im Abstiegskampf ein Lebenszeichen aussenden konnte.

Die Dortmunder, die unter der Woche in der Königsklasse gegen Brügge gewannen, befanden sich zuletzt im Aufwärtstrend: Nach der Niederlage in Rom gegen Lazio Mitte Oktober folgten sechs Siege und eine knappe Niederlage gegen Bayern München. Um die Belastung auf mehrere Schultern zu verteilen, rotierte BVB-Coach Lucien Favre und brachte fünf neue Spieler – vielleicht war es für den FC tatsächlich der beste Moment, um gegen die Schwarz-Gelben zu spielen. Seit Wochen spielen die viel beanspruchten Dortmunder Profis im Drei- oder Vier-Tages-Rhythmus, während der 1. FC Köln ausreichend Zeit hatte, um sich auf die Partie im leeren Westfalenstadion vorzubereiten.

Der 1. FC Köln verdichtet das Zentrum

Markus Gisdol wählte erstmals seit dem 3. Spieltag gegen Mönchengladbach wieder eine Dreierkette, in der Sava-Arangel Cestic als 19-Jähriger sein Bundesligadebüt feiern durfte. Der serbische U-Nationalspieler agierte halbrechts, Sebastiaan Bornauw in der Mitte und Rafael Czichos halblinks. Mit Marius Wolf und Ismail Jakobs spielten zwei laufstarke und dynamische Spieler auf den Flügeln. Am interessantesten war jedoch Gisdols Entscheidung im Zentrum: Durch den Ausfall von Zielspieler Sebastian Andersson stand der Trainer vor der Herausforderung, den Sturm neu zu besetzen. Mit Jan Thielmann und Ondrej Duda spielten dort zwei laufstarke Akteure, die sich auch dann noch an der Defensivarbeit beteiligten, wenn der Ball schon in der Kölner Hälfte war. Die Stärken Anderssons, der zuletzt wegen Verletzungsproblemen pausieren musste, liegen nicht in diesem Bereich. Daher hatte Gisdol eine erste Verteidigungslinie, die sehr viel Raum abdeckte und in eigenem Ballbesitz durchaus in der Lage war, auf die Seiten auszuweichen, Bälle festzumachen und weiterzuleiten.

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Eine Linie weiter dahinter positionierte Gisdol mit Salih Özcan halbrechts und Elvis Rexhbecaj halblinks zwei Spieler, die im Kölner Kader am ehesten der Beschreibung als Box-to-Box-Spieler entsprechen, das heißt: Beide haben sowohl Stärken in der Defensive und Offensive. Gerade aus ihren Räumen wurden immer wieder gute Spielverlagerungen gespielt, die dann Wolf oder Jakobs auf den Seiten aufnahmen. Als Schutz der eigenen Dreierkette agierte Ellyes Skhiri, der in der Vorwoche noch eine Manndeckung gegen Unions Max Kruse ausfüllen musste. Das Trio Skhiri, Rexhbecaj und Özcan legte an diesem Tag auch läuferisch eine starke Leistung hin, Skhiri beispielsweise lief 13,5 Kilometer. Seine beiden Begleiter mussten immer wieder auf den Außenseiten gegen die Dortmunder Flügel unterstützen, weil Gisdols ausgegebene Grundordnung dafür sorgen sollte, schnelle Kombinationen des BVB durch die Mitte zu verhindern.

Dortmund in allen Metriken besser, Köln allerdings glücklicher

Alles konnte der FC allerdings auch in diesem Spiel nicht verteidigen: Bereits nach vier Minuten hatten ein langer Ball und ein Czichos-Fehler die erste Chance von Jadon Sancho ermöglicht, der allerdings aus Dortmunder Sicht nur die Latte traf. Der BVB kontrollierte die Partie zu Beginn, aus den Halbräumen versuchten immer wieder Axel Witsel und Emre Can das eigene Spiel aufzubauen. Durch die vielen Gegenspieler im Zentrum fanden die Dortmunder allerdings zu selten Anspielstationen und mussten daher auf die Seiten ausweichen. Nur ganz selten konnten BVB-Spieler mit Gesicht zum gegnerischen Tor Tempo aufnehmen: Nach 26 Minuten fand ein gutes Zuspiel den Belgier Thomas Meunier, der dann zusammen mit Reus eine große Chance für Erling Haaland einleitete – dieser schoss allerdings am Tor vorbei.

Foto: LEON KUEGELER/POOL/AFP via Getty Images

Dem BVB fehlten an diesem Tag ein wenig der Esprit in der Offensive, gerade mögliche Unterschiedsspieler wie Jadon Sancho (11 Ballverluste!) oder Marco Reus blieben unter ihren Möglichkeiten. Dass die Favre-Elf am Ende der Partie in allen wichtigen Kernmetriken des Spiels besser sein würde als der FC, das war im Vorfeld erwartet worden: Die Dortmunder hatten mehr Ballbesitz, mehr gespielte Pässe, eine bessere Passquote und mehr Torabschlüsse zu verzeichnen. Auch bei den xG-Werten lag der BVB vorne. Aber: An manchen Tagen reicht das eben nicht aus, gerade wenn der Gegner das Glück auf seiner Seite weiß.

Standardsituationen mit Duda, Wolf und Skhiri

Der 2:1-Auswärtssieg des 1. FC Köln entstand in erster Linie durch die Stärke nach eigenen Standardsituationen, beide Treffer fielen gar nach demselben Muster. In der 8. Minute hatte Jakobs den ersten Eckball erzwungen, den Duda auf den ersten Pfosten zog, wo Wolf ihn verlängerte. Am zweiten Pfosten drückte Skhiri den Ball über die Linie. Der zweite Treffer nach etwa einer Stunde fiel genau auf dieselbe Weise: Jakobs, Duda, Wolf, Skhiri. Ohne die Leistung des FC in Abrede stellen zu wollen: Es ist schon sehr erstaunlich, dass dem FC dieses Kunststück gelang. Denn gerade der BVB muss die Frage stellen, ob die Mischung aus Raum- und Manndeckung bei Eckbällen wirklich das beste Mittel ist. Favre stellte Haaland und Hummels in den freien Raum, beide sollten Bälle direkt klären. Der Rest der Dortmunder verteidigte gegen den Mann, zum Beispiel Julian Brandt gegen Marius Wolf.

Wolf gewann die wichtigen Duelle, dahinter entschied sich Hummels bei beiden Gegentreffern dazu, mit zum Ball zu gehen, anstatt den Raum hinter sich abzusichern. Dort fand zweimal Skhiri freien Raum vor: Beim ersten Tor entwischte er seinem Bewacher Thomas Meunier, der beim zweiten Gegentor behandelt wurde. Dortmund befand sich in Unterzahl, sodass Marco Reus den Tunesier aufnehmen musste und diese Aufgabe ebenfalls nicht erfüllen konnte. Ein simples Muster, zwei Treffer, drei Punkte.

Am Ende braucht der 1. FC Köln ein bisschen Glück

Nach dem zweiten Kölner Treffer erhöhte der BVB die Dringlichkeit, stellte auf Dreierkette um und brachte mit Thorgan Hazard, Giovanni Reyna und Youssoufa Moukoko mehr offensive Spieler. Der Druck auf die Kölner Abwehr erhöhte sich, damit nahm auch die Fehlerquote zu: Erst scheiterte der 16-jährige Moukoko frei vor Horn, dann verkürzte Hazard nach einem frühen Ballgewinn im Gegenpressing. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 15 Minuten zu spielen und gefühlt war der FC in dieser Phase prädestiniert dafür, die Führung noch abzugeben. Doch die (jungen) Kölner zeigten eine starke Reaktion: Thielmann beispielsweise lief unermüdlich Räume zu, Cestic klärte weiterhin souverän (am Ende kam er gar auf 8 Klärungsaktionen).

Foto: Uwe Kraft​ – Pool/Getty Images

Natürlich spielte für das Endergebnis auch das Glück eine Rolle, zumindest aus Kölner Sicht: Timo Horn reagierte nach 87 Minuten stark gegen einen Hummels-Dropkick aus kurzer Distanz. In der fünften Minute der Nachspielzeit kam der BVB durch eine Hereingabe von Moukoko und einen Querpass von Reus zu einer Riesenchance durch Haaland, der allerdings aus kurzer Distanz verzog.

Das Dortmund-Spiel wird in dieser Saison des 1. FC Köln auch im Nachgang ein wichtiges sein: Gelingt es den Kölnern wie 2019, durch einen Sieg gegen einen großen Favoriten (damals war es im Dezember 2019 Leverkusen), das Momentum zu drehen und eine Serie zu starten? Oder war die Gemengelage mit müden Dortmundern und einem für Köln glücklichen Spielverlauf einfach ideal? Bereits am kommenden Samstag muss der 1. FC Köln gegen den VfL Wolfsburg eine andere Aufgabe lösen und dann wird deutlicher, ob sich der FC nun langfristig steigern kann – es wäre auf jeden Fall an der Zeit.

 

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