Signale aus der Domstadt
Dieser Umstand führt wiederum zum nächsten Problem: wenn Journalisten aufgrund von Existenzängsten ihre Arbeitsweise verändern und Kritik bewusst nicht üben, beteiligen sie sich indirekt an der Propaganda des Vereins. Oder aber sie verzichten auf direkten Kontakt zum Verein und müssen versuchen, ohne Informationen und O-Töne auszukommen. Auch deswegen ist die Berichterstattung im deutschen Fernsehen durch “Sky”, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder “Sport1” deutlich seichter als die der Printmedien. Im Zweifel verweigert der Verein eben die Interviews.
Wir müssen aber aufpassen, dass der 1. FC Köln nicht im Prinzip das alleinige Meinungsmonopol hält.
Auch der effzeh setzt zunehmend auf die eigene Werbeabteilung, die für “FC-TV” Material produziert, das die Mitglieder sehen können. Eine Berichterstattung, die vereinskritische Züge trägt, sucht man in den lokalen Medien jedoch seit Jahren nahezu vergeblich. An Themen mangelt es schließlich nicht: Konflikte zwischen Fans und Verein, die Kooperation mit Liaoning, die Pläne zum Stadionneubau… die Liste ließe sich beliebig erweitern. Und es gibt die kritischeren Berichte schließlich wirklich noch, nur muss man sie mit der Lupe suchen, erst recht in Zeiten der Qualifikation für den Europapokal.
Auch der effzeh will die Berichterstattung kontrollieren
Treibt oder schreibt man es in den Augen des Vereins zu bunt, klingelt schnell das Telefon. Dann kann eine sachliche Kritik kommen oder aber eine Aneinanderreihung verbaler Abschätzigkeiten unter Androhung von Konsequenzen. Im Zweifel geht das auch immer per Mail, falls gerade niemand telefonisch erreichbar ist. Das zeigt: Es geht längst über autorisierte (und damit meist glatt gebügelte) Interviews hinaus. Auch der effzeh will die Berichterstattung in hohem Maße kontrollieren.
Unser Kolumnist und langjähriger FC-Stammtisch-Moderator Ralf Friedrichs sagte zum Abschied des beliebten Talks, nachdem der FC ihm im letzten Sommer eröffnete, dass fortan keine Spieler mehr erscheinen würden: “Der Verein hat einen neuen Weg eingeschlagen, macht jetzt in diesem Bereich mehr selbst und will die Meinung nun durch eigene Veröffentlichungen prägen.” Das Urgestein in der effzeh-Berichterstattung ergänzte: “Wir müssen aber aufpassen, dass der 1. FC Köln nicht im Prinzip das alleinige Meinungsmonopol hält. Ein bisschen Reizklima ist manchmal nicht schlecht!”
Wozu noch Sportjournalismus?
… ist die Frage, die man sich nun stellen kann. Ein Lehrstück, um die Wichtigkeit des Journalismus zu begreifen, spielte sich kürzlich in Dortmund ab. Thomas Tuchel inszenierte sich auf Pressekonferenzen und in Interviews als Opfer der Vereinsführung, als jemand, der mit der Mannschaft im Stich gelassen wurde, obwohl er doch nur seinem Job nachgehen möchte. Irgendwann war es Hans-Joachim Watzke schließlich zu bunt, er ließ ein Interview mit der “Funke Mediengruppe” folgen, in dem er einige Dinge zurecht rückte und einen klaren Dissens mit Tuchel benannte.
Dieses Schauspiel der Machtkämpfe und Intrigen zeigt einerseits, dass der Journalismus zwar auch als Instrument benutzt werden kann, um in Konflikten die Deutungshoheit zu erlangen (etwas, das nicht nur im Sport seit Dekaden üblich ist, sondern auch in Politik und Industrie). Es zeigt aber andererseits auch, dass vereinsexterne Medien immer noch eine wichtige Funktion im öffentlichen Raum einnehmen. Sie bieten eine Plattform für Informationen und Diskussionen, die eine klubeigene Werbeabteilung niemals sein wird. Und die Causa Watzke-Tuchel beweist auch, dass Storys mit entsprechenden Hintergrundinformationen nach wie vor große Aufmerksamkeit erregen.
Ein Veränderungsprozess muss folgen – auf beiden Seiten
Die Entwicklung hin zur sukzessiven Abschottung vor der Presse kann auch Gegenreaktionen hervorrufen. Seit Donald Trump aus dem Weißen Haus täglich Journalisten beschimpft, haben die “New York Times” und die “Washington Post” ihre Auflagen in ungeahnte Höhen geschraubt und die Investigativabteilungen deutlich ausgebaut. Es gibt also immer noch das Interesse an Journalismus, wenn es die Journalisten authentisch mit einer ansprechenden Berichterstattung befeuern. Die englischen Sportmedien existieren schließlich auch noch, wie auch der “kicker”, “Sport1”, “11Freunde” und weitere. Aber eines steht fest: Sie werden sich verändern müssen, es fragt sich nur wie. Ganz ohne die Presse können die Klubs wahrscheinlich nie auskommen, aber sie werden die Grenzen weiter verschieben.
Wohl also demjenigen, der als Vereinsoffizieller in diesen Zeiten ein entspanntes Verhältnis zur Presse pflegt. So wie Peter Stöger. Der Wiener genießt hohe Wertschätzung in der Presselandschaft, weil er immer ansprechbar ist. “Kicker”-Reporter Frank Lußem, der in der Vergangenheit nicht häufig als effzeh-Sympathisant auffiel, schrieb in einem Porträt über den Coach lobend, dass sich Stöger sogar gelegentlich selbst bei Journalisten meldet, was enorm unüblich ist. Im Abschlussheft zur Saison schreibt Lußem: “Er pflegt ein völlig entspanntes Verhältnis zu den Medien, denen er sogar Kritik zugesteht.”
Man würde sich wünschen, dass Fußballklubs es ähnlich handhaben würden.