Der Abgang von Jörg Schmadtke war eine Überraschung, die Berichterstattung überhitzt – sein Beitrag für die Entwicklung des 1. FC Köln darf jedoch nicht vergessen werden.
Vor knapp einer Woche schmiss Jörg Schmadtke hin, der 1. FC Köln befindet sich seitdem auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer Sport. Im Nachgang wurde viel darüber geschrieben, welches Verhältnis Schmadtke gegen Ende seiner Zeit zu den anderen Verantwortlichen in Köln hatte, welchen Teil der Verantwortung er selber an der aktuellen Misere trug – die negativen Analysen über seine jüngste Vergangenheit beim effzeh überwogen.
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Doch Gott sei Dank gibt es im Fußball nicht nur die eine Wahrheit, es gibt nicht nur schwarz oder weiß – die Situation ist meist komplexer. Natürlich, die Kaderplanung beim 1. FC Köln ist eigentlich seit dem Sommer 2016 dermaßen unrund, das der nächster Abstieg in der Vereinsgeschichte keine so große Überraschung wäre. Doch die ganze Schuld Jörg Schmadtke anzulasten, wäre falsch. Und es war gewiss nicht alles schlecht, was der ehemalige Bundesliga-Torwart während seiner Zeit in Köln angestoßen hatte.
Jörg Schmadtke: Gestartet unter schwierigen Vorzeichen
Erinnern wir uns mal an den Startpunkt der Entwicklung des “neuen” effzeh, der gleichermaßen ein absoluter Tiefpunkt war: Nach dem feststehenden Abstieg im Jahr 2012 hüllten schwarze Rauchwolken mit der Südkurve das wichtigste Gut des Vereins in schwarze Rauchwolken, der Verein stand sportlich wie finanziell vor dem Abgrund. Das frisch gewählte Präsidium bestehend aus Werner Spinner, Toni Schumacher und Markus Ritterbach setzte dazu an, den “Verein zu vereinen”, putzte Klinken und bekniete alle, die es mit dem effzeh hielten, irgendwie bei der Stange zu bleiben.
Mit Jörg Jakobs kam ein neuer Mann für die sportliche Verantwortung, die Mangelverwaltung mündete in einem fünften Platz in der zweiten Bundesliga. Trainer Holger Stanislawski schmiss gegen Ende der Saison 2012/2013 hin und eröffnete damit eine Vakanz im sportlichen Bereich, die der 1. FC Köln mit der Verpflichtung von Peter Stöger schließen konnte. Kurz darauf stieß mit Schmadtke, der vorher bereits in Aachen und Hannover Vereine in sportlich schwierigen Situationen wieder nach oben geführt hatte, ein weiterer Mosaik-Stein dazu.
Als Geschäftsführer Sport übernahm der ehemalige Bundesliga-Torwart die sportliche Verantwortung in der KGaA. Mit einer starken Defensive, die in der gesamten Saison nur 20 Tore zuließ, und einem treffsicheren Sturmduo bestehend aus Helmes und Ujah gelang der Wiederaufstieg und damit der Grundstein für die darauffolgende Entwicklung des effzeh. In Erinnerung geblieben ist aus dieser Zeit ein Zitat, das den Zustand der Kölner wie folgt beschreibt: Man sprach von einem “Patienten auf der Intensivstation, der nach Notoperationen und folgender Reha eine Kur absolviert”.
Der kontinuierliche Verbesserungsprozess in der Domstadt
Schmadtke verglich damals den Wiederaufbau des Traditionsvereins mit dem Bau eines Hauses, bei dem man auch Schritt für Schritt vorgehen müsse. Zuerst seien Keller und Bodenplatte dran, danach kümmere man sich um alles Weitere – für die erste Bundesliga-Saison nach dem Aufstieg verpflichtete der effzeh Simon Zoller, Yuya Osako und Mergim Mavraj aus der zweiten Liga, die allesamt mehr oder weniger zu Leistungsträgern in den kommenden Jahren heranwachsen sollten. Einzig Kevin Vogt brachte aus Augsburg Bundesliga-Erfahrung mit.
Stabil stehen und auf Konter lauern war das Erfolgsrezept der Mannschaft, die in der Endabrechnung auf Rang zwölf landete. Für Schmadtke stand im Vordergrund, dass man Spieler entwickelte und diese dann für ein Vielfaches der ursprünglichen Ablösesumme weiterverkaufte – die Transfers von Wimmer und Ujah waren ein Zeugnis davon.
Für die Saison 2015/2016 legte Schmadtke dann auf dem Transfermarkt sein Meisterstück ab: In Zusammenarbeit mit Kaderplaner und Sportdirektor Jörg Jakobs kamen Frederik Sörensen, Dominique Heintz, Leonardo Bittencourt und Anthony Modeste ans Geißbockheim. Insbesondere der französische Torjäger prägte den effzeh mit 40 Toren in zwei Jahren, sein Transfer nach China brachte dem effzeh mehr als 30 Millionen Euro an Einnahmen ein. Die drei anderen konnten ihren Marktwert seit Beginn ihrer Zeit in Köln vervielfachen und sind nach wie vor Leistungsträger – trotz des jungen Alters. Sie gelten mit Jonas Hector und Timo Horn zusammen als Tafelsilber des neuen 1. FC Köln – Schmadtke war an Verpflichtung und Vertragsverlängerungen entscheidend beteiligt.
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Am Ende der Saison konnte sich die Mannschaft von Trainer Peter Stöger erneut steigern, Endplatzierung war dieses Mal Platz neun, fern von jeden Abstiegssorgen. Die darauffolgende Saison gipfelte in der Qualifikation für den Europapokal, nachdem der 1. FC Köln am letzten Spieltag auf den fünften Tabellenplatz sprang. Zuvor waren mit Marco Höger, Konstantin Rausch und Artjoms Rudnevs drei Neuzugänge nach Köln gekommen, die von den jungen Talenten Sehrou Guirassy, Marcel Hartel, Lukas Klünter und Sven Müller ergänzt wurden.
Auch in der Außendarstellung kam Schmadtke gut an
Hätte es so etwas wie einen Fünf-Jahres-Plan bei Amtsantritt von Jörg Schmadtke gegeben, wäre eine Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb sicherlich die Krönung gewesen – bereits vier Jahre nach seiner Unterschrift in Köln wurde das Maximalziel, obgleich auch aufgrund der Schwächen der Konkurrenz, erreicht. Der 1. FC Köln war am Zenit, Jörg Schmadtke trug einen großen Anteil daran.
Und auch abseits des Feldes machte Schmadtke in dieser Zeit eine gute Figur: Der manchmal in der Außendarstellung etwas knorrig und kauzig daherkommende Schmadtke kam mit der ansonsten eigentlich so aufgeregten Kölner Medienlandschaft gut klar. In Erinnerung blieb ein Video aus dem Jahr 2013, das die Medienabteilung des effzeh in Zeiten großer Euphorie zusammenschnitt. Das Mantra “Ruhig, ganz ruhig bleiben” begleitete den effzeh von der zweiten Liga bis auf Platz fünf der Eliteklasse.
Mit Stöger verband ihn über lange Zeit eine gute Beziehung
Das Verhältnis zwischen Schmadtke und Stöger galt in diesen Jahren als ideal, beide schienen sich perfekt zu ergänzen. Während der eine mit rheinischem Humor das Fußballgeschehen kommentierte, tat es der andere mit Wiener Schmäh. Episoden wie Stögers Frage nach einer möglichen Europapokal-Prämie sorgten für Erheiterung. Nach einem 1:0-Heimsieg gegen Wolfsburg im Februar 2016 stellte diese Frage zuerst ein Journalist in Richtung Stöger, der sie direkt an seinen Geschäftsführer weitergab – dieser bejahte, Gelächter im Presseraum.
Auch die Causa “Eierkopp” hat sich ins Gedächtnis eingebrannt: Anlässlich des Auswärtsspiels in Bremen im Dezember 2015 nannte Schmadtke das Schiedsrichter-Gespann “Eierköppe”, was für ihn keine Beleidigung sei – im Rheinland sei so etwas normaler Umgang, beteuerte er damals. Eine Strafe vom DFB gabs trotzdem. Im April 2016 warf Schmadtke beim Spiel in Hoffenheim ein Kaugummi nach TSG-Trainer Julian Nagelsmann, was ebenfalls eine Geldstrafe nach sich zog.
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So zementierte sich Schmadtkes Bild vom kauzigen Geschäftsführer, der allerdings im sportlichen Bereich durchaus Erfolge zu verzeichnen hatte. In Zusammenarbeit mit Alex Wehrle, Werner Spinner und Peter Stöger und vielen anderen war Schmadtke ein Rädchen im Getriebe des 1. FC Köln, das nach dem Totalschaden im Jahr 2012 immer besser funktionierte und bis zu diesem Sommer auf Hochtouren lief. Doch bereits damals ließen sich Verschleißerscheinungen erkennen, die auch Schmadtke nicht verbogen geblieben sein dürften. Sein Abgang kam überraschend, und irgendwie auch nicht. Sein Beitrag zur Entwicklung des 1. FC Köln in den Jahren 2013 bis 2017 sollte allerdings trotz aller gerade aktuellen Kritik nicht unterschätzt werden.