Nachdem Bonhof den Aufgalopp zum Medienzirkus also bereits am Montag geliefert hatte, folgte am Mittwoch ein Interview mit Gladbach-Geschäftsführer Stephan Schippers auf der Homepage des Vereins. Und der legt im Vergleich zu den bereits dramatischen Worten seines Vize-Präsidenten sogar noch einen drauf. Die Realität wird vom Borussia-Verantwortlichen nicht nur in Bezug auf Sonntag, sondern kurzerhand auf die gesamte nähere Derby-Geschichte mal eben umgeschrieben.
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Dabei steht außer Frage: Die Vorfälle vom Sonntag zu bemängeln, ist völlig legitim. Für die Gladbacher Fans war es ärgerlich, der Sicherheitsdienst sah nicht gut aus und in Zukunft sollte das tatsächlich so nicht mehr funktionieren. Und ja, das kann man als “Geschädigter” durchaus auch einfordern. Doch Schippers belässt es eben nicht dabei, Antworten einzufordern. Wenn er sehe, wie der Fahnenklau “unter den Augen des 1. FC Köln von vielen Seiten als Erfolg gefeiert wird”, habe er nicht das Gefühl, dass man in Köln „ernsthaft“ an friedlichen Derbys arbeite, führt der Geschäftsführer aus. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas in unserem Stadion passieren könnte.”
Lob an die besonnenen Gladbach-Fans? Schöne Grüße aus dem Innenraum!
Schon da ist Schippers nah am Propaganda-Highscore: Der 1. FC Köln wird als Grund allen Übels ausgemacht und die eigene Fanszene gleichzeitig blütenweiß gewaschen – gar nicht so übel. Was der Gladbacher dann aber vorträgt, würden manche allerdings eine Lüge nennen, andere mindestens für eine sehr eigenwillige Interpretation der Ereignisse halten. „Ich muss das Verhalten der Gladbach-Fans ausdrücklich loben“, sagt Schippers. “Trotz dieser für sie drastischen erneuten Provokation haben sie sich nicht dazu verleiten lassen, den Innenraum zu stürmen.”
Besonnene Gladbach-Fans, behütet von behelmter Polizei (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)
Zum einen haben die Borussia-Fans sehr wohl den Innenraum betreten. Zum anderen war es weniger der Gladbacher Friedfertigkeit denn der martialisch auftretenden Polizei geschuldet, dass sie schnell wieder kehrt machten. Diese Szenen hat Stefan Schippers trotz bester Erinnerung an alle anderen Vorkommnisse offensichtlich vergessen. Auf jeden Fall entfallen sind ihm bei seiner dann folgenden Aufzählung beliebiger Derby-Vorfälle wie Autobahn-Angriff oder Platzsturm in Gladbach alle Verfehlungen von Gladbacher Seite. Über die bisher folgenschwerste Attacke im Derby-Kontext, als Gladbacher Fans die Südtribüne angriffen und für einen Schwerverletzten sorgten, für den sich die Borussia-Kurve später mit Spruchbändern auch noch abfeierte, verliert Schippers derweil kein Wort. Auch der Angriff auf eine Lagerhalle, in dem die Kölner Fans für gewöhnlich ihre Choreo-Materialien vorbereiten, wird mit keiner Silbe erwähnt.
Provokation auf Kosten des rheinischen Rivalens
Der Gladbacher Geschäftsführer zählt konsequent ausschließlich Vorfälle auf, die von Kölner Seite ausgingen. Und fordert den 1. FC Köln dann auch noch großspurig auf, “endlich dafür zu sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert und die Provokationen ein Ende finden.” Mit der Aufforderung nicht mehr zu provozieren, zu provozieren, muss man auch erst einmal hinbekommen. Und schon bei diesem peinlich-verdrehten Griff in die historische Mottenkiste konnte man deutlich merken, dass es der Borussia auch nach diesem Derby mal wieder nur um Eigenwerbung auf Kosten des Rivalen geht.
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Dass Schippers aber nicht einmal aktuelle Verfehlungen der Gladbacher Fans wie die bereits vor Anpfiff verwüsteten Sanitäranlagen im Gästebereich des Kölner Stadions inklusive folgendem Wasserschaden oder den Fast-Durchbruch als Reaktion auf den Fahnenklau im Oberrang kritisiert oder sie wenigstens negativ hervorhebt, sondern sich stattdessen in Lobeshymnen auf die eigene Fanszene verliert, unterstreicht das dann nur noch anschaulich. Die Unschuld vom Lande zu geben, es ist und bleibt die (durchschaubare) Masche der Gladbacher, die viel zu oft noch funktioniert. Aussicht auf Besserung gibt es aus Kölner Sicht auch wohl eher wenig. Im Gegenteil. Früher hat die Drecksarbeit am Niederhein schließlich noch „Bumsi“ erledigt. Das war besser so – da nahm das Geplärre wenigstens niemand Neutrales ernst.