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Stadion

Gipfel der Mentalitätsmonster

Der effzeh kann gegen Darmstadt die 40-Punkte-Marke knacken. Die beiden Trainer vereinbarten in relativ offensichtlicher Weise ein Unentschieden. Doch niemand sollte die Moral beider Teams unterschätzen. Unser Vorspiel.

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Es gibt Mannschaften, die sich selbst nicht grün sind, die schnell aufgeben oder beinahe dauerhaft unter ihren Möglichkeiten spielen. Ganz Niedersachsen mitsamt seiner zwei Stadtstaaten scheint von solchen Teams nur so zu wimmeln. Die jüngere kölsche Fußballvergangenheit ist ebenfalls von solchen Teams durchzogen.

Auf der anderen Seite gibt es Mannschaften wie den 1. FC Köln von heute, die trotz aller spielerischer Mängel eine Einheit bilden und immer wieder aufs Neue beweisen, dass Moral und Mentalität innerhalb des Teams intakt sind. Das jüngste Beispiel lieferte eine irre Aufholjagd vom in Mainz schon totgeglaubten Stöger-Teams.

Am Samstagnachmittag, als effzeh-Fan hat man mittlerweile fast schon vergessen, dass an diesem Tag auch Fußball gespielt wird, trifft das rheinische Mentalitätsmonster auf dessen südhessischen Konterpart. Während man in Köln zumeist in den Spielen, in denen es wirklich wichtig ist, merkt, über welch großartige Moral die eigene Mannschaft verfügt, kann man Ähnliches in Darmstadt seit nunmehr 30 Spieltagen bestaunen.

Das Märchen von Sandro und Aytac

Eine Mannschaft, auf die vor der Saison kein Mensch wohl auch nur einen Pfifferling gesetzt hätte, mit einem Stadion voller Oberligacharme und einem Kader voller mittelmäßiger Zweitligaspieler und gescheiterter Erstligaexistenzen, hat es trotz allzu begrenzter Mittel tatsächlich geschafft keine einzige Sekunde dieser Bundesligaspielzeit auf einem Abstiegsplatz zu verbringen. Nicht einmal mit dem ungeliebten Relegationsplatz mussten sich die Lilien beschäftigen.

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Angetrieben von einem Trainer, der schon zu seiner aktiven Laufbahn eine Mischung aus einem taktisch gewieftem Genius sowie einem dreckigen Kampfschwein verkörperte und dies auch als Coach weiterhin tut, hat die Mannschaft mit dem wertlosesten, dafür aber ältesten Kader der Liga dank purer Leidenschaft und brandgefährlicher Standards bereits 35 Punkte gesammelt, also nur zwei Zähler weniger als der große 1. FC Köln. Dabei sind die Hessen sogar seit sechs Spielen unbesiegt.

Die besten Torjäger der Darmstädter sind ein längst als hochnäsig-unfähig abgestufter vier Meter großer Stoßstürmer, der vor einem Jahr noch in der zweiten Mannschaft der Hertha mehr schlecht als recht vor sich her siechte und bald wohl von irgendeinem englischen Mittelklasseverein mit Millionen zugeschüttet wird, sowie ein Innenverteidiger, der seine Karriere in den Niederungen der baden-württembergischen Amateurligen begann und beinahe schon in Österreichs zweiter Spielklasse beendet hätte, nun aber gefühlt jeden zweiten Kopfball an prominenten Torhütern elitärer deutscher Erstligisten vorbeiköpft.

Der kölsch-hessische Unentschiedenpakt

Gegen derartige Geschichten kommt hinsichtlich der Mentalitätsfrage auch ein fulminantes kölsches Comeback in Mainz kaum an. Dafür verfügt man gegenüber den effektiven Machern in Darmstadt in der charmantesten Stadt der Welt bekanntlich mittlerweile über ein paar mehr Mittel, die seit einigen Jahren auch mit relativ großem Geschick eingesetzt werden, so dass der effzeh im direkten Duell gegen Darmstadt in seiner zweiten Bundesligasaison nach dem Wiederaufstieg mit einem Heimsieg am 31. Spieltag gegen eben jene Lilien die magische 40-Punkte-Marke knacken kann, die gleichzusetzen ist mit dem Klassenerhalt.

Im legendären Sky90-Bundesligatalk nach dem Kölner Sieg in Mainz, an dem auch Fußball-Superstar Heino teilnahm, einigten sich die beiden Trainer Dirk Schuster und Peter Stöger, die früher einmal als Spieler in Österreich zusammenspielten und gar nicht oft genug erwähnen können, wie sehr sie sich respektieren, bereits in relativer Offensichtlichkeit auf ein Unentschieden. Es wäre also die richtige Zeit auf ein torloses Remis zu wetten. Übrigens auch das wenig überraschende Hinspielergebnis.

Vielleicht, ja ganz vielleicht appellieren die beiden Trainerfreunde aber auch an den unerschütterlichen Kampfgeist ihrer Teams und die gut 50.000 Zuschauer im RheinEnergie Stadion sehen bei einsetzendem Schneefall ein weiteres, höchst packendes Duell zweier Mentalitätsmonster. Alleine der Glaube daran fehlt, doch der fehlte ja auch am letzten Sonntag, als der effzeh nach einem 0:2 Rückstand in Mainz am Boden lag und keiner angesichts der zuvor fürchterlichen Leistung an ein Comeback glaubte.

Und sonst so:

  • Leonardo Bittencourt fehlt weiterhin gesperrt wegen seines Vergehens gegen Bayer. Dass es ohne Leo mit der Kreativität in der Offensive nicht so gut bestellt ist, wurde trotz des Sieges in Mainz ziemlich offensichtlich. Gegen die wohl tiefstehenden Darmstädter wird Peter Stöger wahrscheinlich nicht wieder auf die momentan noch dysfunktionale Fünferkette zurückgreifen. Gut möglich, dass Milos Jojic nach seiner couragierten Leistung die Chance in der Startelf erhält. Aber das dachten wir ja auch nach dem guten Spiel von Marcel Hartel gegen Leverkusen. Der saß dann in Mainz nicht einmal auf der Bank.
  • Schiedsrichter des Spiels ist Christian Dingert. Der pfiff den effzeh im Hinspiel gegen Ingolstadt und verweigerte ihm einen Elfmeter. Aber das tat ja fast jeder Referee in dieser Spielzeit. Im Hinspiel gegen Darmstadt gab es übrigens gleich zwei Schiedsrichter. Weil sich Deniz Aytekin einen Muskelfaserriss zuzog, feierte Christian Dietz in der zweiten Halbzeit sein Bundesligadebüt.
  • Anders als der rheinische Rivale, der fünf Autobahnausfahrten entfernt sein kleines Stadion stehen hat, schafft es Darmstadt sogar genug Fans für ein ausverkauftes RheinEnergie Stadion mitzunehmen. Noch Fragen?

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