Lediglich drei Teams haben in dieser noch jungen Bundesliga-Saison noch keine Niederlage hinnehmen müssen: Der FC Bayern München und der 1. FC Union Berlin zählen dazu, aber auch überraschend der 1. FC Köln. Trotz des kurzfristigen Abgangs ihres besten Torjägers Anthony Modeste, trotz Europapokal-Belastung, trotz Verletzungssorgen: Die “Geißböcke” stehen nach fünf Spieltagen hervorragend da und bestechen wie schon in der erfolgreichen Vorsaison mit Moral und Mentalität – so auch beim 4:2-Auswärtssieg in Wolfsburg.
Dabei lag keine leichte Woche hinter dem 1. FC Köln: Gleich mehrere Profis fielen nach dem torlosen Remis gegen den VfB Stuttgart verletzt aus, der ausgedünnte Kader konnte erst im letzten Augenblick mit Nikola Soldo (Sohn des ehemaligen FC-Coaches Zvonimir Soldo) verstärkt werden. Noch ohne den Neuzugang legten die “Geißböcke” dann in Wolfsburg einen blitzsauberen Auswärtsauftritt hin – mit 4:2 siegte das Team von Trainer Steffen Baumgart völlig verdient in der Autostadt. “Hut ab vor der ganzen Mannschaft”, erklärte der überragende Florian Kainz, der an drei der vier Treffer direkt beteiligt war. “Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis, wir sind zufrieden mit der Leistung. Wir gehen letztlich nicht unverdient als Sieger vom Platz”, betonte der FC-Coach nach dem Spiel, das für die Kölner nicht gut los ging.
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Ohne Modeste: Köln ist offensiv flexibler unterwegs
Nach nur 96 Sekunden schoss Lukas Nmecha die “Wölfe” in Führung, doch der FC drehte die Partie noch vor dem Seitenwechsel. Dejan Ljubicic besorgte den Ausgleich (22.), ein Eigentor von Paulo Otavio (32.) brachte die Gäste in Führung, die dann Florian Kainz kurz vor dem Pausenpfiff per Foulelfmeter noch ausbaute (45.+2). Im zweiten Durchgang kontrollierten die Kölner die Begegnung, hätten das Ergebnis sogar noch ausbauen können. Selbst das 2:3 durch Nmecha (79.) schockte die “Geißböcke” nur kurz, der eingewechselte Sargis Adamyan (81.) machte kurz nach dem Anschlusstreffer den Deckel drauf. “Ich freue mich darüber, dass unsere Jungs Vollgas geben. Wir sind ein gutes Kollektiv und das zeigen wir auch”, war Baumgart, dessen Team nach fünf Spielen (zwei Siege, drei Remis) noch ungeschlagen ist, sichtlich zufrieden.
“Ich freue mich darüber, dass unsere Jungs Vollgas geben. Wir sind ein gutes Kollektiv und das zeigen wir auch.”
~ Steffen Baumgart
Dass die Kölner in der Tabelle so hervorragend dastehen, hat mit den Qualitäten zu tun, die das Team bereits in der vergangenen Saison so stark gemacht hatten. Unter Steffen Baumgart marschieren die “Geißböcke” immer weiter nach vorn, haben auch das erste torlose Remis seit dem Amtsantritt des lautstarken Antreibers locker weggesteckt. Trotz des Abgangs von Anthony Modeste, der zu Saisonstart zu Borussia Dortmund wechselte, hat der FC bereits zehn Treffer bejubeln dürfen – erzielt von sechs verschiedenen Torschützen. Die Angriffsbemühungen ohne den französischen Top-Torjäger (20 Saisontreffer 2021/22) flexibler zu gestalten, das war die Aufgabe für die Kölner Verantwortlichen. Nach fünf Spieltagen kann man sagen: Das ist den “Geißböcken” mit Blick auf die Leistungen in den ersten Partien durchaus gelungen.
Skhiri und mehr: Der FC ist das laufstärkste Team der Bundesliga
Auch weil sie an ihrem (in der vergangenen Saison erfolgreichen) Spielstil nicht viel geändert haben: Immer wieder versucht der FC über außen zum Erfolg zu kommen – mit 71 Flanken sind die Kölner wieder das Team mit den meisten Hereingaben (Leipzig und Mainz folgen mit 63). Auch in Wolfsburg führte diese Herangehensweise zu einem Treffer, als Otavio eine Flanke von Jonas Hector ins eigene Tor lenkte. Doch dass die Baumgart-Mannen mehr als Flügelfokus zu bieten haben, bewiesen sie in der Autostadt, als sie bereits zum dritten Mal in dieser Saison nach einem Rückstand noch punkteten (ein Sieg, zwei Remis) – nur Bremen ist auf Augenhöhe mit den Kölnern, die damit ein Muster aus der Vorsaison reproduzierten: 2021/22 fuhren die Kölner neun Mal nach Rückständen noch Zähler ein (vier Siege, fünf Remis), ligaweit nur Hoffenheim häufiger (zehn Mal).
Moral und Mentalität: Das sind oft die Schlagworte, wenn es um den 1. FC Köln unter Steffen Baumgart geht. “Wir schöpfen nicht aus dem Vollen, aber aus dem, was wir haben – und die Jungs hauen alles raus. Wir werden erleben, dass wir nicht alles gewinnen, aber wir werden alles raushauen”, unterstrich FC-Coach Baumgart nach dem Sieg in Wolfsburg. Und das untermauern auch die Zahlen: Die “Geißböcke” legten in der Autostadt fast 122 Kilometer zurück, das ist ligaweiter Saisonrekord. Kaum verwunderlich also, dass die Kölner an den ersten fünf Spieltagen die größte Laufstrecke aller Teams ligaweit abspulten (im Schnitt 117,3 Kilometer pro Spiel). Und: In jedem ihrer fünf Saisonspiele lief der FC mehr als der jeweilige Gegner, waren dabei allerdings auch drei Mal in Überzahl. Mit Ellyes Skhiri (60,4 Kilometer) hat der Europapokal-Teilnehmer darüber hinaus den Dauerläufer der Bundesliga in seinen Reihen.
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Auch deshalb ist in Köln die Stimmung prächtig “Wir können mit dem Saisonstart sehr zufrieden sein”, betont Torwart Marvin Schwäbe und kündigt angesichts des straffen Programms, das auf die “Geißböcke” wartet, an: “Die interessanten Wochen kommen jetzt. Wir werden alles dafür geben, dass es so weitergeht”, so der FC-Schlussmann. Wie es um die Moral und die Mentalität der Baumgart-Mannen bestellt ist, das dürfen die Rheinländer nämlich unter der Woche auf internationalem Parkett beweisen: In der UEFA Europa Conference League wartet der OGC Nizza auf die Kölner. Und am Wochenende ist dann mit dem 1. FC Union Berlin eines der ebenfalls ungeschlagenen Teams zu Gast im Müngersdorfer Stadion. Wohl wahr: Die interessanten Wochen kommen jetzt für den 1. FC Köln.
Dieser Text ist zuerst auf bundesliga.de erschienen.