Den Kampf angenommen
Bei allem, vielleicht sogar berechtigtem, Gemecker: Der 1. FC Köln hat die Situation in der 2. Bundesliga angenommen. Ob am Millerntor, gegen Paderborn, in Sandhausen oder jetzt gegen Ingolstadt: Die Mannschaft lässt sich von Rückschlägen nicht abschrecken, zieht ihr Ding ohne Blick in den Rückspiegel durch. Auch gegen die „Schanzer“ war der Rückstand und der Fast-Knockout durch Matips Kopfball (ausgerechnet!) kein Grund für die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust, den Kopf hängen zu lassen und das Spiel verloren zu geben. Dabei tanzten die Gäste ordentlich auf den Nerven der Kölner herum – Nadelstiche durch gefährliche Konter, übertrieben harte Grätschen und die aus Ingolstadt leider leidliche bekannte Schauspielerei durch Lezcano & Co. brachten die „Geißböcke“ nur zeitweise aus dem Tritt.
Es war schwer für uns, aber am Ende haben wir uns zum Glück gerettet. Das war der pure Wille.
Im Gegenteil nahm der effzeh den Kampf sogar an: Hector ging mit einer ebenfalls überharten Grätsche voraus und zeigte dem Gegner, dass er sich in Müngersdorf nicht alles erlauben kann. Niemand kann dem Aufstiegsfavoriten trotz allem Sand im Getriebe vorwerfen, leichtfertig oder hochnäsig zu agieren. Dass es in der 2. Bundesliga keine Selbstverständlich ist, solche Spiele wie gegen Ingolstadt zu gewinnen, betonte auch effzeh-Coach Markus Anfang nach der Partie. Lasse Sobiech, der im Abwehrzentrum einmal mehr Fels in der Brandung war, formulierte es sogar noch etwas plakativer: „Es war schwer für uns, aber am Ende haben wir uns zum Glück gerettet. Das war der pure Wille. Wir wollten vor heimischer Kulisse unbedingt drei Punkte mitnehmen, das haben wir geschafft.“
Die Standardsituationen funktionieren
Dass es dem 1. FC Köln noch gelungen ist, diese Partie zu seinen Gunsten zu drehen, lag auch an einer Stärke, die über einen längeren Zeitraum im Repertoire der „Geißböcke“ kaum vorhanden war: Der effzeh ist bei Eckbällen endlich wieder gefährlich, was vor allem an Neuzugang Louis Schaub liegt. Lasse Sobiech vergab im ersten Durchgang nach einer Ecke des Österreichers noch, kurz vor Schluss war es dann Simon Terodde, der die gefühlvolle Hereingabe des Linksfuß ins Tor nickte. Es war nahezu eine Kopie des zweiten Treffers in Sandhausen: Schaub chippt den Ball Richtung kurzem Pfosten – ein Bereich, der für den gegnerischen Torwart schwer zugänglich ist. Terodde hält den Kopf hin und bugsiert die Kugel über die Linie. So einfach, so effektiv.
Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images
Schon der Ausgleich, das kann in der Nachbetrachtung leicht vergessen werden, war die Konsequenz einer Eckballvariante: Ingolstadt konzentrierte sich im Zentrum auf die kopfballstarken und torgefährlichen Spieler der Kölner, sodass Risse an der Strafraumgrenze gänzlich unbewacht war. Schaub schaltete schnell, setzte den Rechtsverteidiger in Szene, der prompt von Kittel zu Fall gebracht wurde. Es ist diese Variabilität, die den effzeh derzeit bei Eckbällen so gefährlich macht. Ob wie in der ersten Hälfte Sobiech mit Tempo, ob gefühlvoll auf Terodde am ersten Pfosten oder in den Rückraum gespielt wie bei Risse: Ausrechenbar sind die Standardsituationen in diesem Fall für die Gegner nur sehr schwer – das gilt es nun auch bei Freistoßmöglichkeiten unter Beweis zu stellen.
Abhängigkeit von Terodde
Unter Beweis muss der 1. FC Köln ebenfalls stellen, ob er auch ohne die Treffer von Simon Terodde funktionieren kann. Der Torjäger dominierte die Gegner in den vergangenen Wochen: Vier Tore im Pokal, dann ein Hattrick gegen Aue sowie Doppelpacks beim FC St. Pauli und gegen den SC Paderborn, gefolgt vom Kopfballtor in Sandhausen und der Matchwinner-Rolle gegen Ingolstadt – die Bilanz des 30-Jährigen, der in der 2. Bundesliga nun bereits zehn Saisontore auf dem Konto hat, lässt sich wahrlich sehen. Doch auf der anderen Seite beinhaltet dieser Lauf auch immer die Frage; Was passiert, wenn Simon Terodde sich verletzen sollte oder gar aufhören sollte, ständig zu treffen? Es droht die Abhängigkeit von den Toren des Angreifers, wenn er der Einzige ist, der Torgefahr auszustrahlen vermag.
Der Anspruch von Markus Anfang ist es, dass nahezu jeder Spieler in für den Gegner gefährliche Räume auftaucht. Bisher konnte dies aber nur eingeschränkt eingelöst werden: Dominick Drexler sucht vor dem Tor noch nach der Effektivität des Vorjahres, Louis Schaub ist mehr Vorbereiter denn Goalgetter. Hier gelten besonders Spieler wie Christian Clemens, der zuletzt allerdings weniger in Abschlusssituationen kam, und Serhou Guirassy, der nach seiner Einwechslung einmal mehr für viel Alarm sorgte, als Hoffnung im Kölner Spiel. Und auch Rafael Czichos und Lasse Sobiech haben nachgewiesen, dass sie als Innenverteidiger durchaus torgefährlich werden können. Es wäre ein weiteres wichtiges Mosaiksteinchen bei der Mission Wiederaufstieg – schließlich kann niemand erwarten, dass Simon Terodde nun bis zum Saisonende in jedem Spiel die Kohlen aus dem Feuer holt.