Die Blätter fallen am Geißbockheim, die Temperaturen werden niedriger und die ersten Spieler packen zum Training wieder die Mützen aus – der Herbst ist angekommen in der Domstadt. Nach dem brütend heißen Sommer, in dem man versuchte, verzweifelt Abstand zu bekommen von einem 1. FC Köln, der sich mit 22 sportlich erreichten und einigen Sympathie-Punkten in die Zweite Liga verabschiedete, kann man nun nach einem knappen Drittel der Saison die ersten Bilanzen ziehen. Dass der Abstieg nicht in einem kompletten Chaos in der Außendarstellung mündete, lag zu einem Gutteil an den Fans, die insbesondere beim Spiel in Freiburg für einen besonderen Moment sorgten und den Verein, sich selbst und auch die Spieler so feierten, als wäre der Abstieg eigentlich gar nicht so schlimm.
Nach zehn Spielen in der neuen alten Liga liegt Markus Anfangs Mannschaft mittlerweile auf Rang eins, aus zehn Spielen wurden 20 Punkte geholt. Die beiden letzten Auftritte gegen Duisburg und Kiel waren zugegebenermaßen nicht allzu berauschend, was die Umsetzung des sportlichen Leistungsvermögens der Mannschaft betrifft – das 1:2 gegen den MSV zuhause und das jüngste Unentschieden im Norden sorgen derzeit für eine durchaus aufgeheizte Stimmungslage rund ums Geißbockheim. In den Kommentarspalten der sozialen Medien und auch in den einschlägigen effzeh-Foren kann man durchaus eine gewisse Frustration feststellen, die an einigen Stellen sogar so weit geht, dass die Ablösung von Markus Anfang als Cheftrainer gefordert wird. An dieser Stelle sei frei nach Karl-Heinz Rummenigge eine Frage erlaubt: “Geht’s eigentlich noch?”
Woher kommt eigentlich diese “hohe Erwartungshaltung” beim 1. FC Köln?
Denn wenn man sich mit der bisherigen Bilanz des effzeh auseinandersetzt und überlegt, welches Potenzial die Mannschaft in Bezug auf die verbleibenden 24 Spiele hat, kann man zu dem Schluss kommen, dass vielleicht eine Trainerentlassung nach zehn Spieltagen nicht die beste Idee wäre. Und es war auch nicht Markus Anfang, der mit seinen Worten dafür gesorgt hat, dass am Geißbockheim eine hohe Erwartungshaltung herrscht. Vergessen darf man in diesem Zusammenhang nämlich nicht, dass einige Verantwortliche des Vereins mit ihren öffentlichen Äußerungen schon vor dem ersten Spiel (!) dafür sorgten, dass auf Seiten der Fans die Ansprüche stiegen – und nicht umgekehrt.
Wir gehen davon aus, dass wir aufsteigen.
“Wir gehen davon aus, dass wir aufsteigen”, bekundete da zum Beispiel Präsident Werner Spinner bei der Saisoneröffnung. Zuvor hatte bereits sein Vizepräsident “Toni” Schumacher dafür gesorgt, dass man über den 1. FC Köln sprach. Der ehemalige Torhüter sagte, dass man sich zusammen mit dem Mitbewerber HSV “alle anderen vom Hals halten” möchte – beileibe keine sonderlich diplomatischen Äußerungen. Und das der Geschäftsführer Sport Armin Veh kurz vor Saisonstart von der Mannschaft forderte, sich “wieder ans Siegen zu gewöhnen”, setzte dem Ganzen die Krone auf. Es ist keine Überraschung, dass durch derartige Aussagen ein Umfeld geschaffen wird, in dem höhere Erwartungen jetzt nicht unbedingt sofort als unrealistisch abgetan werden. Damit wir uns recht verstehen: Auch der Autor dieser Zeilen ist der Meinung, dass die Formulierung des Saisonziels “Aufstieg” für den 1. FC Köln ein angemessenes ist.
Anfang muss gegensteuern – in vielen Bereichen
Doch mittlerweile scheint der Bumerang, den die Verantwortlichen vor Saisonbeginn losgelassen hatten, die Kurve gekriegt und sich auf den Rückweg begeben zu haben: Die letzten beiden Spiele haben den Rückflug gar noch einmal beschleunigt. Veh konstatierte gar, dass ihm die Stimmung ums Geißbockheim zu schlecht sei und man das Gefühl haben könne, der effzeh sei lediglich Zehnter in der Tabelle. Und so sah sich Markus Anfang in der Pressekonferenz vor dem Kiel-Spiel genötigt, eine “wahnsinnig hohe Erwartungshaltung” an seine Mannschaft zu bilanzieren – wer hätte das gedacht, hatten die verbalen Leuchtraketen von Vorstand und Co. aus der Zeit vor dem Saisonauftakt doch genau diesen Duktus vorgegeben.
Der Fußballlehrer ergänzte, dass man in der zweiten Liga nicht einfach Spiele gewinnen würde, weil man ein “abgestiegener Traditionsverein” sei – mit diesem Satz bewies er genau die Prise Demut, die es vielleicht schon vorher in der Anmoderation der aktuellen Saison gebraucht hätte. Denn momentan scheint die zuvor bewusst durch Vereinsverantwortliche geschürte Erwartungshaltung dafür zu sorgen, dass die einstmals spürbare Aufbruchsstimmung kippt und die Fallhöhe für den 1. FC Köln damit schlagartig extrem hoch wird. Im Spannungsfeld zwischen Erfolgsdruck und Implementierung einer anspruchsvollen Spielidee werden Rückschläge in Köln offenbar kaum akzeptiert, auch wenn sie wie zuletzt in Kiel in erster Linie durch individuelle Aussetzer zustande kommen.
Mehr Zurückhaltung vor der Saison hätte vielleicht geholfen
Von daher ist allen Beteiligten zu raten, aus dieser Diskussion ein wenig die Luft und die Mannschaft in Ruhe arbeiten und spielen zu lassen. Denn momentan, so viel sei auch gesagt, ist zumindest punktemäßig alles im Lot. Eine Saison ist, gerne fünf Euro fürs Phrasenschwein, ein Marathon und kein Sprint – bleibt man bei diesem Bild, ist dem effzeh der Start einigermaßen gelungen. Der Vorsprung ist zwar knapp, doch momentan ist man gut unterwegs. Schafft man es nun, bis zum Winter seinen Schnitt von zwei Punkten pro Spiel zu halten, gibt es objektiv betrachtet keinen Grund, am Erreichen des Saisonziels zu zweifeln.
Die Entscheidung, ob die Spielidee von Markus Anfang oder die Kaderzusammenstellung in dieser Form der Weisheit letzter Schluss sind, ist jedem selbst überlassen – die Ausgangslage ist für den 1. FC Köln allerdings nicht so schlecht, wie sie bisweilen dargestellt wird. Ein wenig mehr Zurückhaltung vor der Saison hätte die aufgekeimte Diskussion aber mit Sicherheit verhindern können.