Das Jahr 2016 war für den 1. FC Köln ein Meilenstein – die Verantwortlichen am Geißbockheim gelten weithin als sympathisch. Doch wohin geht die Reise für den effzeh?
Viel wird momentan geschrieben über den „neuen“ 1. FC Köln. Es klingt ja auch gut, wenn der Karnevalsverein Anfang Oktober zum Spitzenspiel in München antritt. Plötzlich wird der Verein von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung anerkennend zur neuen Mittelklasse gezählt. Oder auch gleich als Abgrenzung von den sonstigen Mittelklasse-Vertretern als „willkommene Alternative zu den neureichen Klubs mit mäßiger Strahlkraft“ genannt. Der effzeh hält dabei die Traditions-Fahne hoch, der Verein ist zum Sympathieträger geworden. Und das liegt nicht an den Konkurrenten aus Leipzig oder Hoffenheim, die Gründe kommen vom Geißbockheim.
Stille im Umfeld
Seit der Klub handelnde Personen hat, die diese Bezeichnung ernsthaft verdienen, werden Probleme anders angepackt. Das ist dabei die große Veränderung. Nicht unbedingt mit mehr Ruhe, wie das allgegenwärtige, medienwirksam inszenierte Mantra von Jörg Schmadtke nahelegen will. Nein, der Manager und seine Kollegen in den Chef-Etagen sind nicht unbedingt ruhig. Ihre Arbeit aber verrichten sie in aller Stille.
Mladenovic geht ohne großes Aufsehen
Beispiel? Filip Mladenovic. Der Serbe musste in der gerade begonnenen Winter-Transferperiode wieder gehen. Nach nur einem Jahr. Man könnte Schmadtke hier ein Scheitern bescheinigen. Immerhin galt der Transfer vor einem Jahr noch als sein Meisterstück. Mladenovic sollte derjenige sein, der Nationalspieler Jonas Hector bei einem millionenschweren Abgang versucht zu ersetzen. Schmadtke wurde überall gefeiert für den überraschenden Wintertransfer, der wie ein Vorgriff schien, der zu belegen schien, dass der Manager vielen einen Schritt voraus ist und auch weit im Voraus denkt.
Doch Mladenovic hat sich nicht durchgesetzt. Mehr noch, der Linksverteidiger passte offenbar menschlich nicht in den ausgewogenen Kader des 1.FC Köln. Doch darüber berichtet wird kaum. Denn die Stille regiert beim 1.FC Köln. Probleme werden abgearbeitet und nicht nach außen projiziert. Die Geräuschlosigkeit wiederum suggeriert einen Erfolg, erneut wird Schmadtke eher gelobt, dass er Mladenovic wieder losgeworden ist, als dass er kritisiert wird oder gar eine Fehleinschätzung des Spielers eingestehen muss.
Schnelligkeit im Spiel
Möglich ist dieses Phänomen, weil der Klub schnell ist. Still werden Verträge im Hinterzimmer vorbereitet. Wenn dann die ersten Meldungen in der Öffentlichkeit auftauchen, geht es meistens sehr schnell. Mladenovic könnte im Winter gehen, schwupps, ist er auch schon weg, Problem abgehakt, weiter geht’s. Der HSV will Mavraj, zack, der Albaner ist zum Medizincheck in Hamburg, abgehakt. Die Schnelligkeit zeichnet den effzeh aus, sie ist Ausdruck einer Professionalität, die dem Verein guttun, die aber auch der Mannschaft hilft. Es gibt keine Nebenkriegsschauplätze mehr, die sind begraben unter der Stille und der Schnelligkeit.
Peter Stöger hat die Schnelligkeit verinnerlicht. Vermutlich hat der Trainer sie sogar mit nach Köln gebracht. Nicht beim Sprechen unbedingt, dafür aber auf dem Platz. Der Fußball, der 2016 in Köln gespielt wird, ist oft ziemlich schnell. Natürlich gelingt das nicht immer, aber in diesem ersten Halbjahr der neuen Saison doch erstaunlich oft. Schnell vorgetragene Angriffe münden in guten Abschlüssen und die bringen Punkte. In München können die Jungs mithalten! Nicht mit erdrückendem Ballbesitzfußball, das geht gegen den Branchenprimus nicht, aber doch ist das 1:1 in München Anfang Oktober Ausdruck einer Weiterentwicklung dieser Kölner Mannschaft.
Mit schnellen Gegenangriffen kann der effzeh jeder Bundesliga-Mannschaft empfindlich weh tun. Der 1.FC Köln ist gefühlt jederzeit in der Lage ein Tor zu erzielen. Auch diese Entwicklung ging sehr schnell. Dass jetzt mit Christian Clemens ein ausgewiesen schneller Spieler zum Team stoßen wird, um die schnellen Außen Bittencourt und Risse zu ergänzen oder zu ersetzn, ist kein Zufall. Peter Stöger mag schnellen Fußball. Und er hat einige Spieler, die ihm diesen Fußball liefern können.
Sehnsucht nach Größerem
25 Punkte, trotz vieler Verletzter – das ist schon mehr als nur sympathisch. Die ersten 16 Spiele waren dabei für den effzeh erfolgreich – nicht zu vergessen das Überwintern im DFB-Pokal, mit dem Sieg gegen 1899 Hoffenheim, das sonst noch von keiner Mannschaft in dieser Saison bezwungen werden konnten. Bei den Fans löst der Erfolg die Sehnsucht nach Europa aus. Viele würden jetzt sagen: Kein Wunder, schließlich gelten wir Kölner als sehr schnell im Hochjubeln von Einzelergebnissen. Doch im Moment ist alles anders. Natürlich sind wir Fans noch dieselben wie vorher. Doch die Sehnsucht nach Europa, sie ist diesmal anders.
Sie war immer ein verschmitzter Traum, eine durch die Fanbrille gesehene Idealisierung der Realität, gerne auch mit einem Augenzwinkern. Doch das Augenzwinkern hakt im Moment, die Sehnsucht wird größer. Nach Unentschieden gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen, zweier Dauergäste auf den Europapokal-Startplätzen, haben die effzeh-Fans jedoch das Gefühl, es wäre mehr drin gewesen. Das gilt im Grunde für die komplette Hinrunde. Wären Lehmann, Bittencourt, Risse und Maroh dauerhaft fit gewesen, es wäre sogar noch mehr drin gewesen! Und noch mehr, das bedeutet bei Platz sieben aktuell mindestens Platz sechs.
Die Verantwortlichen am Geißbockheim mögen sich in den Filmchen ihrer (ziemlich genialen) Medienabteilung darüber lustig machen. Aber Europa ist für diesen 1. FC Köln nicht weit weg. Europa ist zum Greifen nah. Ganz ernsthaft.