Fehlstart, Formkrisen und Fansorgen: So richtig ist der 1. FC Köln noch nicht in dieser historischen Saison angekommen. Ein Stimmungsbericht.
Schon zur Halbzeitpause blickten sich viele Fans des 1. FC Köln um und dachten: Sind wir hier im falschen Film? Oder waren die letzten Monate inklusive des Freitagnachmittags nur ein Traum und wir sind jetzt in der tristen Realität aufgewacht? 0:2 lag der effzeh nach 45 Minuten gegen einen schwachen HSV zurück, der selber kaum glauben konnte, wie er im Müngersdorfer Stadion soeben zwei Tore auf dem Silbertablett serviert bekommen hatte.
In der Abwehr oftmals wacklig, offensiv ohne die nötige Durchschlagskraft, dazu gerade im Zentrum ohne Zugriff: Wie schon im Derby bei Borussia Mönchengladbach zum Saisonauftakt zeigten sich die Stöger-Schützlinge beim ersten Bundesliga-Heimspiel der neuen Spielzeit nicht gerade von der Schokoladenseite. Immer wieder eroberten die Hamburger den zweiten Ball, kamen durch Unkonzentriertheiten und individuelle Aussetzer wieder an die Kugel oder waren einfach im Zweikampf präsenter als harmlose und naiv agierende „Geißböcke“. effzeh-Sportboss Jörg Schmadtke resümierte recht klar: „Zwei Spiele, kein Punkt – das ist ziemlicher Kappes.“
Ein Puzzle, dessen Einzelteile noch nicht passen
Nicht nur von den Ergebnissen her scheint der effzeh in dieser Saison noch nicht angekommen zu sein. Die Mannschaft gleicht aktuell einem Puzzle, dessen Einzelteile noch nicht so recht zusammenpassen wollen: Jonas Hector sucht in der Mittelfeldzentrale nach dem Drive des Mainz-Spiels, auf den Außen kämpfen Leonardo Bittencourt und Marcel Risse nach gesundheitlichen Problemen in der Vorbereitung um ihre Form. In der defensiven Grundordnung scheint die Selbstverständlichkeit derzeit abhanden gekommen zu sein, im letzten Drittel sucht das Team nach dem Abgang von Anthony Modeste nach der Glücksformel, in die gefährlichen Bereiche zu kommen. Kurzum: Die Automatismen greifen nicht.
Auf den Rängen und in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke allerdings sehr wohl: Was nach dem Einzug in den Europapokal noch himmelhochjauchzend bejubelt wurde, wird nach dem Fehlstart häufig in Bausch und Bogen verbannt. Wo nach dem Mainz-Spiel noch glückselig der schönste effzeh-Tag seit 25 Jahren gefeiert wurde, wird heute zur (effektiv) 75. Minute des Spiels das Stadion verlassen. Wer nach Bestätigung für das Klischee, der Kölner sei nach zwei Niederlagen stets zu Tode betrübt, sucht, der wird nach dem bitteren 1:3 gegen den HSV durchaus an vielen Ecken und Enden fündig. Und immer wieder der verzweifelte Ruf nach dem Erlöser auf dem Feld: Ein torgefährlicher Zehner (oder Außenbahndribbler oder Busfahrer), dann wird alles gut!
Tenor nach dem HSV-Spiel: “Das wird eine schwierige Saison”
“Wo viel Liebe ist, sind Träumereien – oder extremes Leiden. Ist aber alles besser, als wenn es keinen Menschen interessieren würde”, wusste Peter Stöger schon im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ vor dieser Saison. Und extrem leiden, das können die effzeh-Fans vermutlich wie kaum jemand anderes. Manch einer unkt im Hinblick auf die kommenden Aufgaben schon: Das wird eine ganz schwierige Saison, die da auf den glorreichen 1. FC Köln wartet. Das ist sicherlich richtig, allerdings auch keine Neuigkeit. Wer erwartet hatte, der Höhenflug würde ewig weitergehen, der dürfte sich spätestens am Freitagabend eines Besseren belehrt wissen.
Der Blick in den Rückspiegel allerdings zeigt: Auch die beiden Spielzeiten zuvor, im Rückblick sensationell gut und souverän verlaufen, hatten derartige Knackpunkte, an denen die Saison hätte kippen können. Bislang waren die Stöger-Schützlinge erstaunlich druckresistent, wenn sie gefordert wurden. Und das sind sie nun: Denn sie spielen nicht nur gegen einen Fehlstart an, sondern auch gegen eine diffus zu greifende Erwartungshaltung, es möge doch jetzt bitte so weitergehen. Wie schwierig das werden kann, bewies die zweite Halbzeit gegen den Hamburger SV.
Auf der einen Seite Europapokal, auf der anderen Sorgen
Auf der einen Seite ist das Gros der Fans überglücklich, nach einem Vierteljahrhundert Abstinenz endlich wieder auf der internationalen Bühne präsent zu sein. Andererseits legt sich, auch angesichts einer für viele Anhänger nicht zufriedenstellenden Transferphase sowie vieler Brennpunkte neben dem sportlichen Geschehen, die Kritik wie Tau über die Stimmungslage der Fans. Angesichts der Fallhöhe trifft der Fehlstart natürlich alle Beteiligten nochmals so hart.
„Null Punkte sind nicht lustig. Wir nehmen die Situation, so wie sie ist“, betonte Peter Stöger zum Start in die pflichtspielfreie Woche: „Wir haben ja noch ein paar Spieltage vor uns, um es zu korrigieren und wissen, dass wir irgendwann in den Bereich kommen werden, in dem wir Punkte anschreiben müssen.” Vielleicht kommt die Länderspielpause für beide Seiten zum richtigen Zeitpunkt: Kräfte tanken, Kräfte sammeln und dann den Dreierpack Augsburg, Arsenal und Dortmund angehen. Es wäre nicht nur für die Stimmung rund um den 1. FC Köln eine gute Gegelenheit, dort endlich in dieser historischen Saison anzukommen.