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Müngersdorf

Die Hinrunde des 1. FC Köln: Auf keiner Ebene bundesligatauglich

Saisonrückblick, Teil 1: Der 1. FC Köln sorgt schon vor Anpfiff des ersten Pflichtspiels für eine Menge Diskussion und auch auf dem Platz sind die Diskussionen von schlechtem Fußball und dem zählen von Sieglosserien gekennzeichnet. Zu keiner Zeit finden die Verantwortlichen aus dem Krisenmodus raus.

Marius Wolf hadert mit der Niederlage Foto: imago images /Poolfoto

Im Leben erfährt man manchmal ausgleichende Gerechtigkeit. Oder zumindest läuft es im Beruf, während das soziale gerade etwas schwierig ist. Oder man hat Glück in der Liebe, während man Pech im Spiel hat. Die Hinrunde des 1. FC Köln hingegen ist mit einer solchen Dichotomie leider nicht zu beschreiben, sowohl auf dem als auch neben dem Platz schaufelte sich der Verein Gräber, gab es Sieglosserien und Verletzungen von Schlüsselspielern, setzte es Kampagnen für und gegen einzelne Personen, setzten sich Verantwortliche mit Anlauf in die Nesseln, verhedderten sich in Nebenkriegsschauplätzen oder falschen Prognosen und präsentierten gewissermaßen als Gesamtkunstwerk am Geißbockheim in sehr selten anzutreffender Einigkeit einen Verein, der zwar nach dem Aufstieg 2019 in sein zweites Bundesliga-Jahr ging, jedoch auf keinen Beobachter den Eindruck machen konnte, dort auch hinzugehören, auch wenn man die Runde letztlich auf Platz 16 abschloss.

Dabei muss angemerkt werden, dass man hinsichtlich wichtiger Kennziffern bereits mit einem Manko in die Saison startete. Mit der Last der zumindest öffentlich nicht ausreichend aufgearbeiteten Arbeitsverweigerung beim 1:6 bei Fast-Absteiger Werder Bremen sowie akuten Sorgen hinsichtlich der finanziellen Situation, ausgelöst durch risikofreudige Ausgaben nach dem Abstieg 2018 und verstärkt durch die seit März 2020 grassierende COVID-19-Pandemie begann der 1. FC Köln im August 2020 seine Vorbereitungen auf die Geisterspielsaison 20/21.

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Später Start in die Vorbereitung sorgt für Diskussionen

Dass es sehr früh aufgeregte Diskussionen rund ums Hennesgrün gab, dafür sorgten die gut bezahlten Akteuere am Geißbockheim schon mit dem späten Trainingsbeginn. Trainer Markus Gisdol begegnete dieser Kritik mit der Aussage, die Mannschaft sei nach der schweren letzten Saison mental angeschlagen gewesen und hätte eine längere Ruhephase nach der Achterbahnfahrt der letzten Saison nötig gehabt: “Wir müssen jetzt richtig mutig sein mit der Art der Pause, die wir wählen und vielleicht eine Woche länger Pause machen als andere Mannschaften.“

1.FC Köln, Die Profis werden auf Corona getestet, Trainer Markus Gisdol 1.FC Köln, 05.08.2020, *** Sport 1 FC Köln, The professionals are tested on Corona, coach Markus Gisdol 1 FC Köln , 05 08 2020,

Foto: imago images / Herbert Bucco

Eine etwas krumme Begründung, ging es anderen Mannschaften ja genau so. Die pandemiebedingte Unterbrechung der Bundesliga und die anschließenden Geisterspiele inklusive Diskussionen um Sinn und Unsinn der Fortführung und das selbst auferlegte Corona-Testregime war gewiss ein Stressfaktor für alle Beteiligten, der den FC aber nicht alleine betraf. Und sportlich hatte man den Klassenerhalt faktisch bereits nach dem 2:2 gegen Fortuna Düsseldorf im ersten Spiel nach der Wiederaufnahme geschafft. Danach dümpelte man noch uninspiriert neun Spieltage über die Plätze der Republik, kam aber nie so richtig im Abstiegssorgen.

Horst Heldt verschlankt den Kader, verstärkt ihn aber unzureichend in der Spitze

Trotz der kurzen Vorbereitung lief in eben jener anschließend auch wenig wirklich rund. Mit Florian Kainz verletzte sich ein wichtiger Offensivspieler schwer am Knie und fiel letztlich bis April aus und abgesehen von Ersatztorhüter Ron-Robert Zieler konnte Geschäftsführer Horst Heldt lange Zeit keinen Spieler ans Geißbockheim locken. Als dann auch noch die Generalprobe gegen den KFC Uerdingen wegen Spielermangels abgesagt werden musste, war die Vorbereitung der Kölner endgültig nicht mehr als glücklich zu bewerten und brachte die sportliche Leitung in Erklärungsnot.

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Horst Heldt rief in Bezug auf Transfers während des Sommers immer wieder zu Geduld auf und verkleinerte dabei den Kader sukzessive. Niklas Hauptmann, Louis Schaub, Birger Verstraete, Yann-Aurel Bisseck, Kingsley Schindler, Vincent Koziello, Marcel Risse und Lasse Sobiech konnten allesamt verliehen werden, Simon Terodde wurde an den HSV abgegeben (allerdings musste hier der FC noch etwas draufzahlen). Erst nach dem die „Geißböcke“ Jhon Cordoba Mitte September an Hertha BSC verkaufen konnten, kamen mit Ondrej Duda und Sebastian Andersson zwei Optionen für die Offensive, die beide noch ehesten zu überzeugen wussten. Gänzlich anders als beispielsweise andere Neuzugänge wie Tolu Arokodare sowie Dimitrios Limnios. Auch Marius Wolf, der auf Leihbasis von Borussia Dortmund ans Geißbockheim wechselte, wartete eher mit schwankenden Auftritten denn mit konstanten Leistungen auf. Dass vor allem der Transfersommer auf der Zugangsseite in den Sand gesetzt wurde, sollte Manager Horst Heldt etwa ein Jahr später den Job kosten.

Wehrle verrechnet sich, Altinternationale beschweren sich

Doch auch auf anderen Ebenen sorgte der FC von Beginn an für Gesprächsstoff: Im öffentlich ausgetragenen Kampf um Zuschauer im Müngersdorfer Stadion und das Vorrechnen, wo und wann welche Inzidenzwerte herrschten und in die Berechnung mit einbezogen werden sollten, sowie in der Frage des Ausbaus des Geißbockheim im Grüngürtel musste Geschäftsführer Alexander Wehrle empfindliche Niederlagen einstecken. Konnte man beim Ausbau des Geißbockheims allerdings noch von einem Foulspiel der Stadt und Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprechen, überreizte der Geschäftsführer Finanzen sein Blatt in der Kalkulation um Zuschauer gnadenlos und kalkulierte mit lediglich vier Geisterspielen und anschließend 10.000 Zuschauern pro Spiel.

Eine fatale Fehleinschätzung, zumal er vor Saisonstart in Interviews vorrechnete, dass die fünf Geisterspiele im Frühjahr 2020 zu rund elf Millionen Umsatzverlust führten und er in dem Bereich für die nächste Saison mit „nur“ 15-20 Millionen weiteren Umsatzverlust planen würde. Schon im Oktober plante er dann mit mindestens 40 Millionen Umsatzverlust insgesamt, gab aber auch zu Protokoll, dass „wir im nächsten Kalenderjahr in der Rückrunde wieder Zuschauer erleben werden“. Ebenfalls eine Fehleinschätzung. Am Ende gehen die Kölner mit knapp 65 Millionen Umsatzverlust aus der Pandemie.

„Ein möglicher Vorwurf, die Geschäftsführung habe eine wie auch immer geartete Mitverantwortung für die finanzielle Lage, entbehrt jeder Grundlage.“

~ der Vorstand des 1. FC Köln

Und auf einer weiteren nicht-sportlichen Ebene machte der FC vor Saisonbeginn Schlagzeilen. Nach einer an den Kölner Stadtanzeiger geleakten E-Mail vom Vorsitzenden des Mitgliederrats Stefan Müller-Römer, in welchem er sich über „AfD-hafte Methoden“ mancher Mitglieder beschwerte, sah der sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, es folgte zusätzlich eine groß angelegte Kampagne von Altinternationalen, allen voran Stephan Engels, Wolfgang Overath, Karlheinz Thielen, Toni Schumacher, Wolfgang Weber und Bernd Cullmann, die Verein und Umfeld Tage und Wochen in Beschlag nahm.

Werner Wolf mit Wolfgang Overath | Foto: imago images/Eduard Bopp

Ersterer durfte zunächst in einem Interview erzählen, dass er gerne Vizepräsident geworden wäre, Stefan Müller-Römer dies allerdings verhindert hätte und anschließend zitierte der Rest Vorstand und Geschäftsführung via Medien zu einer Aussprache in ein Restaurant, wo nicht nur Bild-Fotographen auf die Vereinsverantwortlichen warteten, sondern die Altinternationalen auch den Rücktritt des Mitgliederratschefs forderten. Da der Mitgliederrat anschießend seinem Vorsitzenden nicht mehr den nötigen Rückhalt bot, trat dieser zurück. BILD und Kölner Stadt-Anzeiger schossen im Verlauf der nachträglich nur als Schmierenkomödie zu bezeichnenden Vorgänge äußerst scharf und unter der Gürtellinie gegen den Vorstand, was diesen nicht davon abhielt, gerade diesen Medien nur ganz wenige Zeit später Exklusivinterviews zu geben.

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Außerdem sorgte man vor Saison für Shitstorms und Schlagzeilen mit folgenden Themen: Die Dauerkartenregelung für die Saison, bei der viele von einer Zweiklassengesellschaft sprachen, die Entlassung von Mediendirektor Tobias Kaufmann, der einen Brandbrief der Abteilungsleiter am Geißbockheim an den Vorstand nach sich zog, die Nominierung von Carsten Wettich für das Amt des Vizepräsidenten, die viel Kritik einbrachte, das Auswärtstrikot mit der Skyline von Köln inklusive der umstrittenen Ditib-Moschee und die nicht nur im Nachhinein eher unnötige Vertragsverlängerung von Trainer Markus Gisdol bis 2023.

Und auch sportlich läuft es nicht

Schon vor Beginn der Bundesligasaison tanzen beim 1. FC Köln also mal wieder die Mäuse auf dem Tisch und kein einziger der Verantwortlichen vermochte es, die schwierige Ausgangssituation in irgendeiner Weise zu verbessern oder sich persönlich positiv zu profilieren. Zu allem Überfluss konnte der mitunter als Fehlstart neben dem Platz bezeichnete Sommer auf dem Platz nicht korrigiert werden: Zwar konnten die Kölner die Pflichtaufgabe in der ersten Pokalrunde gegen Regionalligist VSG Altglienicke souverän mit 6:0 meistern, bis zum ersten Ligasieg mussten die „Geißböcke“ allerdings bis Ende November warten, zusammen mit der Sieglosserie aus der letzten Saison warteten die Kölner insgesamt 18 Ligaspiele auf ein Erfolgserlebnis.

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Manager Heldt wurde zwar nicht müde zu betonen, dass die Saisons getrennt von einander zu betrachten wären und man deswegen so nicht rechnen durfte, doch die tabellarischen Fakten konnte man sich so auch nicht schönreden: Die höchste Tabellenplatzierung (Rang 12) erreichte man nach der 2:3-Niederlage gegen Hoffenheim – am ersten Spieltag. Unentschieden gegen Frankfurt, Stuttgart und Bremen galten bei Niederlagen gegen Hoffenheim, Bielefeld, Gladbach, Bayern und Union nicht als Befreiungsschlag. Der erste Sieg gelang dann beim ersten Endspiel für Gisdol in Dortmund mit 2:1, anschließend folgte ein von den Ergebnissen her passabler Dezember inklusive des Einzugs in die dritte Pokalrunde nach einem 1:0-Heimsieg über den Zweitligisten Osnabrück. “Wir sind auf dem Weg, den Turnaround zu schaffen”, frohlockte Gisdol vor der kurzen Weihnachtspause.

Krisenstimmung und Absturz vor dem Zusammenbruch als ständiger Begleiter

Noch mehr als die Ergebnisse war allerdings die spielerische Armut einer der Hauptkritikpunkte der Hinrunde. In fast allen Metriken und Statistiken rangierte der FC tief im Bundesliga-Keller, mit Ballbesitz konnte die Mannschaft viel zu selten bis nie kreativ werden und fuhr einen extrem pragmatischen Ansatz mit langen Bällen. Gleichzeitig mit der Zunahme von langen Bällen wurden die Sorgen um den äußerst wichtigen Stürmer Andersson im Herbst jedoch immer größer. Sein Knie machte kaum noch mit, eine Operation im November brachte nicht die erhofften Verbesserungen, der Schwede nahm kaum noch am Trainingsbetrieb teil und fehlte auch in Spielen immer öfter.

„Das ist ein Spiel, da würde ich auf Galileo umschalten. Da gucke ich lieber, wie Harro Füllgrabe in Peru Salz aus einem Salzbecken gewinnt.”

~ Der verletzte Jonas Hector analysiert das Heimspiel gegen Union Berlin

Da Anthony Modeste in der Hinrunde kaum noch ein Faktor und Tolu Arokodare nicht bereit war, war Andersson jedoch der einzige theoretisch brauchbare Stürmer in einer limitierten Mannschaft. Der FC war in eine selbstgebaute Falle getappt, keinen konstant fitten Stürmer auf Bundesliga-Niveau im Kader zu haben, war mit seinem Spielstil der langen Bälle jedoch darauf angewiesen, einen Wandspieler in der ersten Reihe vorzufinden, der abschirmt, Bälle festmacht, weiterleitet und gleichzeitig den Instinkt besitzt, im Strafraum die richtigen Räume zu besetzen und zu treffen.

Foto: Sascha Steinbach – Pool/Getty Images

Den erhofften Turnaround schaffte Gisdol mit der Mannschaft im neuen Kalenderjahr entsprechend leider nicht. Nach der einwöchigen Winterpause startete man im Januar wieder sehr schwach, verlor erst gegen Augsburg zuhause mit 0:1 bevor mit dem 0:5-Debakel in Freiburg einer der absoluten Tiefpunkte der Saison erreicht wurde. Auch wenn man anschließend gegen Hertha in einem spielerisch erbarmungswürdigen Spiel ein 0:0 erkämpfte und danach ein absurdes Freakspiel gegen Schalke mit 2:1 durch einen Last-Minute-Treffer von Jan Thielmann gewinnen konnte, war die Stimmung nach der Hinrunde alles andere als gut.

In der Endabrechnung standen so nach 17 Spielen drei Siege, sechs Unentschieden, acht Niederlagen, 15:28 Tore und 15 Punkte zu Buche, was den sechzehnten Tabellenplatz bedeutete. Keine gute Ausbeute, in Anbetracht der bizarren Hinrundenleistungen von Schalke und Mainz allerdings genug, um acht Punkte vor den beiden zu stehen und alle Chancen auf den Klassenerhalt zu haben.

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