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Analyse

Die FC-Frauen vor dem Bundesligastart: Die wundertütigste Wundertüte

Alles neu bei den FC-Frauen. Wir blicken auf die anstehende Saison.

Foto von Mika Volkmann/Getty Images

Am Sonntag hat endlich auch das Warten auf die Frauenbundesliga ein Ende – die FC-Frauen stehen in den Startlöchern für eine unvorhersehbare Saison 2023/2024 – wo die Reise hingeht, ist vor dem Saisonstart noch völlig unklar. Effzeh.com analysiert den Ist-Zustand.

Am Samstag, den 9. September 2023, um 13 Uhr, betraten die FC-Frauen erstmals in dieser Saison den Wettbewerb des DFB-Pokals. In der zweiten Runde trafen sie auf den SFC Stern 1900 im Stadion Lichterfelde in Berlin. In der ersten Runde hatten die Bundesligistinnen noch spielfrei, jedoch gaben sie sich in der Hauptstadt keine Blöße: 10:0 hieß es am Ende aus Sicht des FC. Besonders Sharon Beck zeigte sich mit ihrem Hattrick bereits früh in Torlaune. Jedoch darf man dieses Spiel keineswegs überbewerten, denn ein Regionalligist ist im Frauenbereich noch weniger ein Gradmesser als im Herrenbereich.

Der wirkliche erste Härtetest wartet am Sonntag (17. September 2023, um 14 Uhr), dort werden die FC-Frauen den Aufsteiger RB Leipzig im heimischen Franz-Kremer-Stadion zum ersten Spieltag der „Google Pixel Frauen-Bundesliga“ (ja, so heißt das wirklich) empfangen. Zwar klingt ein Aufsteigerteam als Auftaktgegnerinnen machbar, jedoch darf man nicht vergessen, dass Red Bull keinesfalls als normaler Aufsteiger zu betrachten ist und der Wettbewerb hier genauso aus der Balance geraten ist wie überall sonst, wo Red Bull sich im Fußball einmischt; die FC-Frauen werden daher direkt stark gefordert sein.

Überhaupt das Auftaktprogramm: Dieses ist Chance wie Risiko zugleich, denn nach den Aufsteigerinnen aus Sachsen muss man nach München zu den Bayern, danach warten so gut wie sämtliche Konkurrentinnen um die unteren Plätze: nacheinander geht es gegen Duisburg, Bremen (im großen Weserstadion), Nürnberg und Hoffenheim – dazwischen liegt noch ein Nachbarschaftsduell gegen Leverkusen. Man könnte sich also direkt viel Luft im Abstiegskampf verschaffen – oder plötzlich sehr früh schon unter Druck stehen und zwingend recht viele Punkte gegen die oberen Teams holen müssen.

Alles neu am Rhein

Dabei weiß keiner so genau, was dieses Team eigentlich zu leisten im Stande sein wird – der Umbruch war auf allen Ebenen einfach zu groß: Ein erster Schritt in die neue Saison war die Verpflichtung von Trainer Daniel Weber, der einen Vertrag bis zum 30. Juni 2026 unterschrieben hat. Der 50-Jährige bringt eine beeindruckende Erfahrung und eine nachgewiesene Erfolgsgeschichte bei Bayern Münchens U16 mit sich. Unterstützt wird er von einem erweiterten Funktionsteam, zu dem Co-Trainerin Mirella Junker, Video-Analyst Noah Eberhardt, Torwart-Trainer Marc Ernzer und Athletik-Trainer Maximilian Goller gehören. Inga Wester und Michael Bröckelmann verstärken das Team als Physiotherapeuten.

Aber auch der Kader der Domstädterinnen präsentiert sich in der neuen Saison mit zahlreichen Veränderungen. Elf neue Gesichter sind in der Mannschaft zu sehen, darunter Spielerinnen wie Anna Gerhardt, Martyna Wiankowska, Dóra Zeller, Natalia Padilla-Bidas, Paula Hoppe, Josefine Osigus, Sofie Vendelbo und Janina Hechler. Zudem rücken Laura Vogt, Marleen Schimmer (traf gegen Berlin doppelt) und Carlotta Imping aus der U20 in den Bundesligakader auf.

Fehlt zunächst verletzt: Manjou Wilde (Foto von Christof Koepsel/Getty Images for DFB)

Dafür haben einige Säulen der vergangenen Saison den Verein verlassen: Am meisten schmerzen wohl die Abgänge von Ally Gudorf und Mandy Islacker, aber auch Myrthe Moorrees, Jana Beuschlein, Sarah Puntigam, Genessee Puntigam, Manon Klett, Weronika Zawistowska und Sandra Walbeck haben den Verein aus verschiedenen Gründen verlassen. Diese Veränderungen sind bereits der zweite große Umbruch im zweiten Jahr in Folge und es bleibt abzuwarten, wie eine Mannschaft, die schon letztes Jahr alles andere als gut performt hat, diese Umwälzungen bewältigen wird. Nicht leichter wird dies dadurch, dass Selina Cerci erneut am Knie operiert werden musste und erst einmal nicht zur Verfügung stehen wird, auch Adriana Achcińska und Manjou Wilde fallen zunächst verletzungsbedingt aus.

Vom Support

Leider hat der FC – wohl unter dem Edikt der wirtschaftlichen Notwendigkeit – eine Entscheidung getroffen, die sich negativ auf die Zuschauerzahlen im Stadion auswirken könnte: so ist der Eintritt zu den Frauenspielen nicht mehr in der Dauerkarte für die Herren enthalten. Zwar sind die Eintrittspreise wirklich überschaubar, jedoch könnte dies trotzdem eine Hürde für die Teilnahme im Stadion darstellen. Hier spielt auch mit rein, dass man fortan alle Spiele der Frauen-Bundesliga beim Streamingdienst DAZN (im Paket “DAZN World”) sehen kann, was natürlich einerseits für die Außenwirkung begrüßenswert ist, eventuell aber auch noch einmal Zuschauer*innen vom Besuch des Stadions abhält. Dass die meisten Spiele im Herbst oder Winter stattfinden werden, hilft auch nicht wirklich. Zudem gibt es das Montagstopspiel (zum Beispiel am zweiten Spieltag mit dem Spiel gegen die Bayern) fortan um 19:30 Uhr im Free-TV auf Sport1. Immerhin bekommt das altehrwürdige Franz-Kremer-Stadion aber endlich den benötigten Facelift und seine langersehnten modernen Fluchtlichtmasten, die dann auch diese abendlichen Topspiele vor Ort möglich machen – in der vergangenen Saison musste man hier noch ins Südstadion ausweichen.

Im Franz-Kremer-Stadion wird man zudem demnächst wohl auch aufwändigere Choreos sehen als zuletzt: mit den “Geissböckinnen Supporters” hat sich gerade erst ein weiterer Frauen-Fanclub gegründet. In der offiziellen Club-Mitteilung heißt es dazu: “Die Umsetzung von Choreos, laustarkes Anfeuern, oder auch Unterstützung der Vortrommler gehören unter anderem dazu. Der Fanclub-Support ist auch bei Spielen der U20 oder Mädchenmannschaft geplant.”

Bekommt endlich stärkere Fluchtlichtmasten: Das Franz-Kremer-Stadion ( © effzeh.com)

Was wir also sportlich erwarten können

Eine Saison voller Überraschungen. Der FC ist vermutlich die wundertütigste Wundertüte der gesamten Liga, so groß wie die Umbrüche auf diversen Ebenen waren. Das kann helfen, zumal aus der Negativspirale der letzten Saison sicherlich noch einiges an Ballast auf den Spielerinnen lastet, den sie erst einmal abschütteln müssen. Hier kann es ja sogar helfen, wenn neue Teammitglieder und Trainer frisch und unvoreingenommen neue Impulse in die Mannschaft tragen. Allerdings wird es darum gehen, sich schnell als Mannschaft zu finden, neue Hierarchien zu etablieren und Abläufe zu verfestigen. Gelingt das, ist sogar eine kleine positive Überraschung mit einem jungen, spannenden Kader möglich, allerdings kann das Projekt auch sehr schnell ins Wanken geraten, wenn die jungen Spielerinnen noch Zeit benötigen sollten. Eine wirkliche Achse aus erfahrenen Führungsspielerinnen existiert nicht mehr, viel wird auch von Sharon Becks Frühform abhängen und davon, wann die verletzten, etablierten Spielerinnen wieder einsatzbereit sind. Bis dahin bleibt der FC vor allem eines: eine sehr große Wundertüte.

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