Ja, warum eigentlich nicht mal ein Spielabbruch? Die Antwort ist einfach: Weil er als Folge von Beleidigungen im Stadion ungeeignet wäre. Auch wenn ein älterer, süddeutscher Gönner das Opfer ist. Wer solche Szenarien ins Spiel bringt, dreht weiter an der Eskalationsschraube und hat während der letzten Jahre offenbar nichts mitbekommen. Erinnert sich noch jemand an die Akustik-Attacke von Hoffenheim? Vor acht Jahren, als ein Mitarbeiter der TSG Hoffenheim, ob aus vorauseilendem Gehorsam oder tiefer Verbundenheit zu Dietmar Hopp, den Dortmunder Gästeblock mit Hochfrequenztönen beschallte und Fans dadurch körperliche Schäden zufügte? Ja? Dann ist ja gut. Dann ist auch sicher bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen durchführte – und der DFB in dieser Angelegenheit nichts Wirkungsvolles unternahm.
Es sind diese kleinen Anekdoten, die zeigen, wie doppelzüngig der DFB handelt, wenn in deutschen Fußballstadien Dinge falsch laufen. Freilich, es gehört sich aus mehreren Gründen nicht, einen Mann über Jahre hinweg lautstark als “Sohn einer Hure” zu bezeichnen oder Banner zu zeigen, auf denen dessen Gesicht in einem Fadenkreuz auftaucht. Dass Dietmar Hopp aber erst einmal lieber den DFB unter Druck setzt (der dank der rechtlichen Grundlagen nahezu willkürlich in seinen Urteilen sein kann), als die Behörden einzuschalten (was er mittlerweile parallel ebenfalls tut), ist aussagekräftig genug. Und damit ist nicht gemeint, dass die Strafverfolgung zu ineffizient arbeiten würde.
Womöglich ist es auch deswegen nicht überraschend, dass der DFB-Richter Hans E. Lorenz einen Spielabbruch als mögliche Konsequenz auf Beleidigungen gegen Hopp anregte als er jüngst das neuste Urteil in der “Causa Hopp” gegen den BVB verkündete: “Das wird die Fans eher disziplinieren als unsere Urteile”, so die aberwitzige Begründung. Womit wir erneut bei der Willkür wären: Wann darf jemand beleidigt werden, ohne, dass das Spiel abgebrochen wird? Und wie laut? Mit welchen Worten? Spielt es eine Rolle, ob ein Spieler beleidigt wird, oder ein Funktionär? Oder wird das Spiel demnächst sogar abgebrochen, wenn gar – man mag es kaum aussprechen – gegnerische Fans beleidigt werden?
Grober, populistischer Unfug
Machen wir es kurz: Dieser Gedanke ist grober, populistischer Unfug. Nicht nur wegen des möglichen Rattenschwanzes. Das sieht glücklicherweise offenbar auch der 1.FC Köln so, der in der Vergangenheit ähnlich wie die Dortmunder immer wieder betroffen war, da Kölner Fans im Anti-Hopp-Spielchen munter mitgemischt haben. Der Club teilte mit, dass er “nichts von einer Eskalation von DFB-Strafen” halte. „In der Causa Hopp wäre es gut, wenn alle Seiten verbal und in ihrem Verhalten einen Gang zurückschalten würden.“ Das gelte sowohl für Banner und Sprechchöre von Fans als auch für „die Vehemenz, mit der diese Vorfälle aktuell verfolgt und kommentiert werden“. Das Thema werde dadurch nur größer. “Und das kann nicht im Sinne des Fußballs sein.“ Das stimmt.
Nun, zumindest in den nächsten neun Monaten wird der effzeh nicht in die Lage geraten, dass ein Pflichtspiel gegen die TSG Hoffenheim wegen Beleidigungen abgebrochen werden könnte. Die “Geißböcke” müssten dafür erst einmal den Aufstieg auf der 2. Bundesliga schaffen. Mäzene sind dort zwar auch unterwegs, aber sie machen weder ein so großes Aufheben um sich, noch sind sie seit Jahren an vorderster Front unterwegs, wenn es um das Aushebeln von Regeln in anderen Bereichen geht. Dietmar Hopp hingegen schon.
Wie sensibel und subjektiv die Grenze zwischen Spott und Beleidigung sein kann, haben übrigens kürzlich die Fans des 1.FC Nürnberg eindrucksvoll gezeigt. Die Konsequenzen sind bisher nicht bekannt. Vermutlich aus gutem Grund.