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Meinung

Der Sturm vor der Ruhe?

„Es geht auch ohne Capos und Dauergesang“, jubilieren viele nach dem Spiel gegen Hannover 96. Warum ein Abgesang auf die Ultras dennoch zu früh kommen könnte. Ein Kommentar.

Foto: Dirk Unschuld
Foto: Dirk Unschuld

Foto: Dirk Unschuld

Lautstark, fast so lautstark wie die Südkurve in besten Zeiten, klopften sich die FC-Verantwortlichen auf die Schultern. “Ich bin sehr froh darüber, dass wir eine gute Stimmung hatten und dass sich gezeigt hat, dass einzelne nicht die Bedeutung haben, die sie vielleicht glauben zu haben“ – FC-Sportgeschäftsführer Jörg Schmadtke sprach nach dem Abpfiff gegen Hannover das aus, was viele dachten. Kein monotoner Dauergesang, kein Anheizer auf dem Zaun und sogar zeitweise ruhig: Die Südkurve trat anders auf als in der jüngsten Vergangenheit. Das fand auch Kapitän Matthias Lehmann: “Die Stimmung war anders, aber super. Selbst nach dem 0:1. Es war zwar nicht ganz so laut, aber es war in Ordnung.”

Viele, sei es in den Medien und bei den Pressevertretern, sei es in der Kurve oder gar vor den Fernsehgeräten, nahmen die Atmosphäre am Samstag zum Anlass, endlich den lang ersehnten Abgesang auf die Ultras anzustimmen. Es geht auch anders, es geht englischer, spielbezogener, authentischer als das ewige „Lala“ aus den Reihen der Hardcore-Anhängern des Vereins. „Das Spiel kehrt zu seinen Wurzeln zurück“ wurde verkündet, die „normalen“ Fans hätten gezeigt, dass auch sie für eine großartige Stimmung sorgen können.

Doch die Nachrufe wurden vermutlich zu früh veröffentlicht – denn: Viele Anhänger dürften sich angesichts der Vorfälle in Mönchengladbach und der daraus resultierenden Abwesenheit vieler Ultras herausgefordert gesehen haben. Besonders im Süd-Oberrang wirkte ein wenig wie das erste Date mit der hübschen Nachbarin: Man hat sich zwar schon einmal gesehen, aber heute putzt man sich besonders heraus. Die Haare gemacht, die besten Klamotten angezogen, sogar das neue Parfüm wurde ausgepackt. Selten sah man die anderen, die sonst nicht für die Stimmung verantwortlich sind, so motiviert. Die Ansprachen vor dem Spiel, besonders von Peter Stöger und Michael Trippel, hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.

Dennoch: Schon in der Anfangsphase zeigte sich, dass das Ganze auch hätte komplett anders laufen können. Der FC lag zurück, Murren kam auf, sogar erste Pfiffe waren zu hören. Gerettet hat die Stimmung dann doch zwei Anheizer – neben Kollege Reiner Zufall, der den Spielern beim 1:1 kräftig unter die Arme griff, war es besonders Schiedsrichter Günter Perl, der den Volkszorn mit zahlreichen umstrittenen Entscheidungen heraufbeschwor. Wie schon gegen Berlin in der letzten Abstiegssaison, als die Ultras nach einer Autobahn-Attacke auf „Fohlen“-Fans schwiegen, war es der Unparteiische, der der Stimmung auf die Beine half.

Bei allem (auch berechtigten) Lob über die Atmosphäre im Müngersdorfer Stadion darf jedoch nicht vergessen werden: Es wird auch andere Tage geben! Kommt der Alltag und kommen vor allem Heimspiele wie gegen Stuttgart, wo absolut nichts passiert, wird die spielbezogene Stimmung vermutlich gen Null tendieren. Und ob sich dann, wie in der jüngsten Vergangenheit oft geschehen, auf der Südkurve die passende Antwort auf mögliche unnötige Pfeifkonzert herausbilden wird, bleibt abzuwarten.

Eines ist aber klar: Will der effzeh im Abstiegskampf bestehen, braucht es die Unterstützung aller Fans. Egal, ob Normalo oder Ultrá, egal ob mehrstrophige Gesang oder stumpfes „Erster Fußballclub Köln“, egal ob spielbezogen oder Dauer-Lala. Wie sagte schon Peter Stöger: Es zählt nur der FC!

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