Der Pass von Milos Jojic, der Abschluss von Yuya Osako, dieser infernalische Jubel im Müngersdorfer Stadion: Es sind Sekunden in einem Leben, doch sie werden mir nie wieder aus dem Kopf gehen. Diese Szene hat sich eingebrannt in mein Gedächtnis, ich werde davon sicherlich meinen Enkeln erzählen. Mit seinem Treffer hatte der Japaner perfekt gemacht, was ich lebtags nie für möglich gehalten hätte: Der 1. FC Köln qualifiziert sich für den Europapokal. Nach 25 Jahren. Endlich wieder international. Ein Feiertag in der Domstadt. Ein Datum, das nie vergessen werden wird. Zahlen, die sich so manch einer hat tätowieren lassen.
Zwei Jahre später scheint all das wie Szenen aus einem anderen Leben zu sein. Der 1. FC Köln ist so gerade wieder in die Bundesliga aufgestiegen, hat sich bei der direkten Rückkehr in die Beletage des deutschen Fußballs allerdings nicht mit Ruhm bekleckert. Dementsprechend verhalten für kölsche Verhältnisse fielen auch die Feierlichkeiten zur dritten Zweitliga-Meisterschaft der Vereinsgeschichte aus. Ein Platzsturm, als der Aufstieg in Fürth nach längerem Hinauszögern endlich fix war. Ein Platzsturm, als eine Woche darauf im eigenen Stadion die „Radkappe“ für die Zweitliga-Meisterschaft übergeben wurde. Döp dö dö dö, 1. Bundesliga – wir sind wieder da.
Sechs Monate danach: Ein Verein in Trümmern
Doch nichts ist mehr wie an diesem goldenen Samstagnachmittag im Mai 2017. Die Glücksgefühle, die diese Bilder in mir hervorgerufen haben, diese Gänsehaut, diese Tränen in den Augen – das ist alles immer noch da, aber es sind Emotionen aus der Vergangenheit. All die Zuneigung, all die Sympathie, sie sind einer stumpfen Gleichgültigkeit gewichen. Den Aufstieg habe ich mit äußerst gelassener Freude zur Kenntnis genommen, wie Peter Stöger zu sagen pflegte, mehr war an „Jeföhl“ nach all den Vorkommnissen rund um diesen verrückten Verein einfach nicht möglich. Überschwängliche Freude? Ausgiebiger Jubel? Völlig enthemmte Feierlichkeiten? Fehlanzeige.
Was ist alles passiert beim 1. FC Köln seit diesem 20. Mai 2017: Schon etwas mehr als sechs Monate später war keiner der Hauptverantwortlichen für dieses Fußball-Märchen mehr bei den „Geißböcken“. Top-Torjäger Anthony Modeste wechselte nach reichlich Transfertheater für ordentlich Schotter nach China, Jörg Schmadtke warf nach internen Dissonanzen die Brocken einfach hin und Peter Stöger quälte sich bis zu seinem unfreiwilligen Ende zu Beginn des Dezembers. Interne Streitigkeiten, gefolgt von externen Streitigkeiten. Formprobleme, Verletzungsprobleme, Videoassistenten-Probleme, Ergebnisprobleme. Ein Halbjahr zum Vergessen.
Das Maximum mit dem 1. FC Köln
Dazwischen: Sechs Europapokal-Spiele, bei denen die effzeh-Anhänger alles aufsogen wie ein Schwamm. Die friedliche Faninvasion in London, als kölsches Liedgut nicht nur das Stadion des FC Arsenal beschallte. Beseelt von der Führung durch Jhon Cordoba, die wie ein kurzer Traum anmutete, sangen sich die Jecken um den Verstand. Die Tour nach Baryssau – ein vollkommen fremdes Land, ein sportlich mieser Auftritt. Und das Grande Finale in Belgrad, als eine bessere B-Elf der „Geißböcke“ gegen Roter Stern die Chance aufs Weiterkommen liegen ließ. Und auch die Geschehnisse auf den Rängen konnten nicht wirklich für große Freude sorgen.
Wieso sagt keiner was? Da fehlt das Tor, ich Amateur. #effzeh pic.twitter.com/ML05cJSK2o
— effzeh_history (@effzeh_history) May 20, 2019
All das kommt mir in den Kopf, wenn ich an den 20. Mai denke. Mein Kollege hier schrieb an dieser Stelle, dass seine Antwort auf die Frage, ob es all das wert gewesen sei, immer „Ja“ lauten würde. Bei mir ist es ähnlich: Die Erlebnisse, die Erfahrungen, die Emotionen – ich werde sie immer mit mir tragen. Und doch hat sich ziemlich viel verändert seit diesem 20. Mai 2017: Mein Verhältnis zu meinem Verein hat sich verändert. Ich habe wohl das Maximum erreicht, was mit dem 1. FC Köln zu erreichen sein dürfte. Der Abstieg, er tat schon gar nicht mehr so weh. Die Rückkehr, sie bewegte mich nicht mehr so sehr wie früher.
Nach emotionaler Achterbahnfahrt: Ich wäre dann wieder soweit!
Es ist viel kaputtgegangen zwischen mir und dem effzeh, viel Porzellan wurde zerschlagen. Es hat sich summiert, viel davon wurde auf dieser Seite schon aufgeschrieben. Sei es der unwürdige Umgang mit Mitgliederinitiativen oder die schmierigen Schmonzetten, die sich in der Vereinsführung abspielten. Seien es die teilweise aufreizend lustlosen Leistungen gegen offensichtlich unwürdige Gegner oder die nagenden Zweifel an der Bundesliga-Tauglichkeit vieler Akteure. Es war in jüngster Vergangenheit keine leichte Zeit als effzeh-Fan – und das nicht nur wegen dieses sportlichen Absturzes von der Europa League in die Niederungen der 2. Bundesliga.
Diese Saison hat mich nicht mitgenommen und das ist traurig genug. Ob sich das Verhältnis noch einmal reparieren lässt? Ich gehe davon aus. Der 1. FC Köln ist derart tief in meinem Herzen verankert, dass ich niemals die Finger von diesem Club lassen könnte. Vielleicht kommen die Emotionen zurück, wenn es wieder gegen Mönchengladbach, Schalke oder Frankfurt geht. Vielleicht stellt sich wieder eine Verbindung her, wenn der Verein wieder anständig geführt wird. Vielleicht brauchte ich nach diesen emotionalen Zeiten, nach dieser Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen Mai 2017 und Mai 2019 einfach eine Auszeit. Ich wäre dann so weit: Willkommen zurück, lieber FC!
Und auch in zehn Jahren wird noch jeder #effzeh-Fan wissen, wo er am 20.05.2017 war. ❤⚪ pic.twitter.com/xXbSPlxDnQ
— 1. FC Köln (@fckoeln) May 20, 2019