Das Müngersdorfer Stadion erstrahlte in Rot und Weiß. Jeder, der eine Eintrittskarte erhaschen konnte, hatte sich nach Müngersdorf aufgemacht, um dort Zeuge zu sein beim Einzug des 1. FC Köln in einen europäischen Wettbewerb. Es wurden Lieder gesungen, geschunkelt, vielleicht sogar schon Pläne geschmiedet für eine Auswärtstour nach Rom, Sevilla oder Lissabon. Bis zur Halbzeit. Denn da hatten nicht wenige den Eindruck, dass es wieder zuschlagen würde, den FC wie so manches Mal in der Vergangenheit heimsuchen könnte: Murphy’s Law, laut dem alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird.
In Hoffenheim führte die TSG 2:1 gegen Bayer Leverkusen, in Freiburg Union Berlin 3:0 beim SC und in Müngersdorf lag der 1. FC Köln gegen den VfL Wolfsburg mit 0:1 im Hintertreffen durch ein Tor, das ausgerechnet Yannick Gerhardt, ehemaliger Spieler des FC und Ur-Kölner erzielt hatte. Der Traum von Europa drohte an der schnöden Realität zu zerplatzen. Es sollte anders kommen – dank der Werkself aus Leverkusen.
Druckvoller Beginn, dann kam Wolfsburg auf
Steffen Baumgarts Team legte los wie die Feuerwehr. Modestes Kopfball zwang Pavao Pervan, den ausgezeichneten Torhüter der Wolfsburger, zu einer ersten Parade, der er wenig später eine zweite folgen ließ bei Benno Schmitz’ Schuss, den er an den Pfosten lenken konnte. Das Kölner Führungstor lag in der Luft, allein es fiel nicht. Die Leichtigkeit des Seins in den Aktionen der Domstädter schwand von Minute zu Minute immer mehr, fortan wurde eher gekämpft als gespielt. Max Kruse hatte eine erste Chance für den VfL, der dann kurz vor der Pause durch Yannick Gerhardt in Führung ging.
Jan Thielmann im Zweikampf mit dem Wolfsburger John Anthony Brooks, im Hintergrund Yannick Gerhardt (Foto: Lars Baron/Getty Images)
In der 2. Halbzeit war es ein Spiel auf ein Tor, das nur durch Lukas Nmechas aberkanntes Abseitstreffer kurz unterbrochen wurde. Der 1. FC Köln kämpfte bravourös, unzählige Flanken flogen in den Wolfsburger Strafraum, Pervan rettete großartig gegen Kainz und Modeste, nur der Ausgleich, der wollte partout nicht fallen. Baumgart bot alles auf, was ihm in der Offensive zur Verfügung stand, wechselte noch Louis Schaub, Kingsley Schindler, Ondrej Duda und Tim Lemperle ein – doch vergebens. Es blieb beim 0:1, das dank der Hoffenheimer Niederlage gegen die Bayer-Elf trotzdem zum Einzug in einen europäischen Wettbewerb reichte, wahrscheinlich wird dies die Europa Conference League sein.
Erkenntnisse: Ausgepumpte Spieler – ekstatische Fans
Die Szene nach dem Schlusspfiff war bezeichnend dafür, wie unterschiedlich der Gefühlszustand bei Spielern und Fans war. Jonas Hector hockte völlig erschöpft und sichtlich enttäuscht auf dem Rasen, während ekstatische Anhänger des Geißbockclubs den Platz stürmten und ihrer Freude über das Erreichen eines europäischen Wettbewerbs Ausdruck verliehen. Ob man dies zwingend dadurch tun muss, dass man den Rasen filetiert, die Tore zerstört, Tornetze zerschneidet und Werbebanden entwendet, mag jeder für sich bewerten. Ein kluger Mann sagte einmal, wahres Glück sei oft ganz leise – aber auch kluge Leute können sich irren. Wer weiß.
“Es ist gerade etwas schwer, weil wir heute nicht gewonnen haben. Da bin ich ehrlich, dass ich gerade noch nicht in Feierlaune gerate. Wenn ich auf die Tabelle schaue und an die ganze Saison denke, grinse ich innerlich aber trotzdem.”
Steffen Baumgarts Mannschaft hat jedenfalls auch gestern all das in die Waagschale geworfen, was die Elf schon die ganze Saison über auszeichnet: Laufbereitschaft, Engagement, Zweikampfstärke und Offensivgeist. Dass es gestern nicht zum Sieg oder zumindest zu einem Remis reichte, hatte nicht nur aber auch mit Glück zu tun. Folglich herrschte Enttäuschung über die Niederlage, mehr als zufrieden kann man jedoch mit dem bisher Erreichten sein. Dies betonte auch Steffen Baumgart: “Es ist gerade etwas schwer, weil wir heute nicht gewonnen haben. Da bin ich ehrlich, dass ich gerade noch nicht in Feierlaune gerate. Wenn ich auf die Tabelle schaue und an die ganze Saison denke, grinse ich innerlich aber trotzdem”, sagte er auf der PK nach der Partie.
Das nächste Spiel: Ins Land der Häuslebauer
Am nächsten Samstag (15.30 Uhr) beendet der 1. FC Köln die Saison 2021/22 mit einem Gastspiel beim VfB Stuttgart. Das Team von Pellegrino Matarazzo steht seit geraumer Zeit im Abstiegskampf. Oft totgesagt, leben sie noch immer, das 2:2-Unentschieden bei den Bayern verschafft ihnen sogar noch die Möglichkeit, bei einer Niederlage von Hertha BSC und eigenem Sieg den Klassenerhalt zu sichern.
Im Hinspiel gegen den VfB Stuttgart erzielte Anthony Modeste mit diesem Kopfball den 1:0-Siegtreffer (Foto: Lars Baron/Getty Images)
Das wird der 1. FC Köln verhindern wollen, denn auch für die Domstädter ist die Partie keineswegs bedeutungslos. Sollte Union Berlin im Spiel gegen den VfL Bochum Federn lassen, könnte sich die Möglichkeit eröffnen, die lukrativere Europa League zu erreichen. Gewiss, die Wahrscheinlichkeit dieser Konstellation ist nicht sonderlich hoch, sie setzt zudem einen Sieg des FC in Stuttgart voraus. Auch deswegen kann man nur hoffen, dass die Kölner einen letzten Auftritt auf den Rasen des Stuttgarter Stadions zaubern, der der bisherigen Saison gerecht wird. Ob dies gelingt? Man wird sehen.