Dem Nieselregen trotzend hatten sich gut drei Dutzend FC-Fans auf dem Parkplatz des Geißbockheims eingefunden, um einen letzten Blick auf die Profis zu werfen vor deren Auswärtsfahrt nach Leipzig. Beifällig stellten sie fest, dass der FC-Tross wieder von Trainer Steffen Baumgart angeführt wurde, der von seiner Corona-Infektion gesundet ist. Den aufmerksamen Beobachtern des Boarding entging nicht, dass die Reisegruppe größer war als sonst. Jonas Urbig, der dritte Torwart, gehörte genauso dazu wie Tim Lemperle und Marvin Obuz. Auch Bright Arrey-Mbi, der von den Bayern ausgeliehene 18-jährige Innenverteidiger, stieg in den Bus. Statt der üblichen 20 machten sich 23 Spieler auf den Weg, vermutlich eine Vorsichtsmaßnahme, um nach Jeff Chabots Corona-Erkrankung bei weiteren Ausfällen personell reagieren zu können. Auf einen Spieler warteten die Fans jedoch vergebens – Anthony Modeste, den ebenfalls erkrankten Goalgetter.
Wie kompensieren die Kölner das Fehlen von Modeste?
Ausgerechnet Modeste, der bislang nicht weniger als 14 der 33 Kölner Saisontore erzielte und dessen Treffsicherheit so mancher kampferprobten Bundesligadefensive Rätsel aufgab. Ein Torjäger, der aber auch durch sein Anlaufverhalten für so manchen Ballgewinn im Sturmzentrum zu gefallen weiß und seine alte Treffsicherheit um die neu gewonnene Mannschaftsdienlichkeit ergänzt hat. Auch Steffen Baumgart weiß um den Wert seines besten Torschützen: “Wenn einem der Torjäger wegbricht, wiegt das natürlich schwer. Es gibt immer zwei, drei Spieler, deren Ausfälle nicht so einfach zu kompensieren sind. Das wäre bei Jonas Hector so, und da zählt auch Tony dazu”, sagte er vor der Abfahrt. Gegen Domenico Tedescos Team wird es nun also ohne ihn gehen müssen, nur drängt sich die Frage auf, wie?
“Wenn einem der Torjäger wegbricht, wiegt das natürlich schwer. Es gibt immer zwei, drei Spieler, deren Ausfälle nicht so einfach zu kompensieren sind. Das wäre bei Jonas Hector so, und da zählt auch Tony dazu.”
Soll Sebastian Andersson seine Position einnehmen, der bislang so glücklose Ex-Unionler, weniger zielstrebig als der Franzose und nicht so spritzig? Oder Mark Uth, der einen ganz anderen Spielertyp darstellt, mehr über das Spielerische kommend und bisweilen zu zögerlich im gegnerischen 16er? Oder Jan Thielmann, der gegen Freiburg überzeugen konnte und dessen Anlaufverhalten dem von Anthony Modeste am ehesten ähnelt? Wie wird das Mittelfeld besetzt sein? Eher defensiv mit Skhiri und Özcan auf der Doppel-Sechs und Ljubicic davor? Oder etwas offensiver mit einem Sechser und Duda?
Leipziger Qualitäten – Tempo, Spielwitz, Umschaltspiel
Egal wie, es wird eine harte Nuss werden, die Baumgarts Team da zu knacken hat, eine sehr harte sogar. Die Leipziger zeigen sich stabilisiert unter ihrem neuen Trainer Domenico Tedesco. Vor allem seit der Winterpause stellen sie dies unter Beweis, gewannen vier von fünf Pflichtspielen und lieferten bei ihrer einzigen Niederlage beim 2:3 in München den Bayern einen großen Kampf. Auf der PK betonte Baumgart die Qualitäten des Gegners: “Die Leipziger haben ein sehr gutes Umschaltspiel, können defensiv sehr gut agieren, sind eine technisch hoch versierte Mannschaft mit viel Geschwindigkeit”, zeigte er sich beeindruckt. Die Statistik gibt ihm Recht. Die Offensive glänzt mit 40 Toren und muss sich lediglich vorwerfen lassen, dass sie bisweilen zu nachlässig mit ihren Chancen umgeht.
“Die Leipziger haben ein sehr gutes Umschaltspiel, können defensiv sehr gut agieren, sind eine technisch hoch versierte Mannschaft mit viel Geschwindigkeit.”
Schnell ist sie, die Leipziger Mannschaft und technisch ausgesprochen beschlagen. Und, was für eine Auswahl mit vielen Ballkünstlern nicht gerade typisch ist, sie haben unter Tedesco gelernt zu verteidigen. Nur ein Gegentor in den ersten vier Rückrundenspielen sind ein beredtes Zeugnis dafür. Gulacsi gehört zu den besten Keepern der Liga, die Viererkette vor ihm ist genauso konsequent im Zweikampf wie kreativ im Aufbauspiel. Stark in der Offensive, gefestigt in der Abwehr. In der Tat, eine harte Nuss.
Das Hinspiel macht Mut – und die letzten Auswärtspartien
Das war allerdings auch schon im letzten September so, als man sich schiedlich-friedlich 1:1 trennte in einem Spiel, das auch den letzten der damals zugelassenen 25 000 Zuschauer begeistert nach Hause gehen ließ. Rassige Zweikämpfe, packende Torraumszenen, viel Tempo und eine außerordentlich hohe Intensität zeichneten damals eine Partie aus, in der Anthony Modeste den FC in Führung brachte, die Amadou Haidara eine Viertelstunde vor Schluss per Kopf egalisierte. Es war auch eine Begegnung mit ungewöhnlich vielen VAR-Überprüfungen, fünf an der Zahl, die zu vier aberkannten Toren führten und einem anerkannten. Ein Spiel, in dem der 1. FC Köln den Leipzigern Paroli bieten konnte und mit den Sachsen auf Augenhöhe war.
Was können die Kölner für die Partie am späten Freitagabend für sich ins Feld führen? Nun, die letzte Auswärtsniederlage datiert vom 30. Oktober des letzten Jahres, ein 0:2 beim BVB. Seitdem holten sie zwei Siege und drei Unentschieden auf fremden Plätzen, erbrachten dabei den Nachweis, dass ihr 6. Tabellenplatz nicht nur der Heimstärke zu verdanken ist. Und an der Seitenlinie wird wieder ein bekanntes Gesicht mit einem lauten Organ agieren und versuchen, seine Energie auf die Spieler mit dem Geißbock auf der Brust zu übertragen. Und trotzdem: Es wird schwer. Etwas Zählbares aus Leipzig mitzubringen – unter den gegebenen Vorzeichen sogar mehr als das. Andererseits – nichts ist unmöglich. Man wird sehen.