Es gibt Spiele, die man nicht vergisst. Partien, bei denen es reicht, im Kreis von FC-Aficionados nur ein kurzes Stichwort zu erwähnen, und sofort ist die Erinnerung da. Entscheidende Siege gehören dazu, wie etwa der 2:0-Sieg des 1. FC Köln gegen Mainz 05 im letzten Spiel der Saison 2016/17, der den Einzug in die Europa League sicherstellte. Oder auch das späte 1:0 gegen Schalke 04 am Ende der letzten Saison, das den direkten Abstieg vermeiden half und die spätere Rettung in der Relegation ermöglichte. Einzigartige Erlebnisse, an die man sich gerne erinnert. Aber es gibt auch Partien, die man aus dem Gedächtnis löschen möchte, es aber nicht kann. Spiele, die sich der Erinnerung entziehen, weil man auch Jahre später noch nicht verstehen kann, was da auf dem grünen Rasen passiert war.
Eine Schneeschlacht, späte Gegentreffer und Abstiegskampf
Das Heimspiel gegen den SC Freiburg im Dezember 2017 gehört dazu, wobei sich der Begriff “grüner Rasen” eigentlich verbietet, ging doch die Begegnung als “Schneeschlacht von Müngersdorf” in die Berichterstattung ein. Es war die erste Bundesligapartie nach Peter Stögers Abschied und der Einstand von Stefan Ruthenbeck auf der Trainerbank. Die Kölner führten nach einer halben Stunde mit 3:0, schienen auch noch in der 90. Spielminute bei einem Stand von 3:2 ihren ersten Sieg in der 15. Saisonpartie feiern zu können, mussten dann aber zusehen, wie Nils Petersen einen Foul- und einen Handelfmeter zur späten 3:4-Niederlage verwandelte.
Auch in der letzten Saison hatten die FC-Spieler lange daran zu knabbern, dass sie ihr vorletztes Heimspiel, das sie bei einem Sieg so nahe an den Klassenerhalt geführt hätte, mit 1:4 gegen Christian Streichs Team verloren. Beim Stand von 1:2 war Ondrej Duda beim Elfmeterschuss ausgerutscht, in der letzten Spielminute hatte Jan Thielmann zum vermeintlichen 2:2-Ausgleich getroffen, dem aber nach Jonas Hectors angeblichem Handspiel die Anerkennung versagt blieb. In der Nachspielzeit hatten die Breisgauer schließlich mit zwei Kontertoren die Kölner Niederlage besiegelt.
Das Hinspiel im Dreisam-Stadion lieferte kein derartiges Drama, auch wenn der Freiburger Ausgleich zum 1:1 erst in der Schlussminute fiel und durch Rafael Czichos per Eigentor erzielt wurde. Steffen Baumgarts Mannschaft zeigte vor allem vor der Halbzeit eine gute Partie und die Führung durch Anthony Modestes Kopfballtor war lange wenig gefährdet.
Ohne Baumgart gegen stabile Breisgauer
Nun kommen also die Freiburger am Samstag nach Müngersdorf, wo 10 000 Fans einer spannenden Partie entgegenfiebern – und sich einen Sieg ihres FC wünschen. Ein frommer Wunsch, gewann doch der Sportclub unter Christian Streich 8 der 12 Bundesliga-Spiele gegen Köln, dazu kommt ein Erfolg im DFB-Pokal – 9 Siege feierte der 56jährige als Profi-Trainer gegen kein anderes Team. Auf seinen Counterpart wird Streich am Samstag verzichten müssen, Steffen Baumgart ist an Corona erkrankt und wird durch André Pawlak ersetzt.
Der Freiburger Übungsleiter sieht in diesem Umstand keinen Nachteil für sein eigenes Team, eher für den Gegner: “Steffen steht nicht am Rand, seine starke Präsenz ist nicht da. Es kann schon sein, dass der eine oder andere Spieler etwas vermisst“, sagte er vor der Partie.
“Steffen steht nicht am Rand, seine starke Präsenz ist nicht da. Es kann schon sein, dass der eine oder andere Spieler etwas vermisst“, sagte er vor der Partie.
Sein eigenes Team erweist sich in der laufenden Saison als sehr stabil, die Freiburger überzeugen in der Defensive, wo sie nach Bayern München die wenigsten Gegentore aller 18 Klubs zuließen, und sind vorne besonders nach ihren Standards gefährlich, die bereits zu 16 Toren führten. Lohn all dessen ist ein 5. Platz in der Tabelle, sie schnuppern an der Champions League.
Köln und Freiburg – Parallelen, aber auch Unterschiede
Auch wenn die Freiburger drei Plätze und vier Punkte vor dem 1. FC Köln rangieren, gibt es doch einige Parallelen zwischen beiden Teams. So erzielten sie bislang 11 ihrer 33 Saisontreffer per Kopf und werden hierbei nur von den Kölnern mit 12 Kopfballtoren überboten. Beim SC Freiburg sind 15 der 24 eingesetzten Spieler in dieser Bundesliga-Saison deutsche Akteure (63 Prozent), beim 1. FC Köln 14 von 24 (58 Prozent) – diese Anteile überbietet nur der 1. FC Union Berlin (68 Prozent). Und schließlich: Wie die Kölner gehören auch die Freiburger zu den positiven Überraschungen der bisherigen Bundesligasaison, so konnten sie sich im Vergleich zur Vorsaison um 5 Ränge verbessern, von Platz 10 ging es auf Platz 5 nach oben – diese Steigerung toppt nur der 1. FC Köln, der sich von Platz 16 zum Ende der letzten Saison um 8 Ränge vorarbeiten konnte und gegenwärtig Platz 8 einnimmt.
Und doch – wenn man genau hinschaut, wird klar dass der FC sich nicht auf Augenhöhe mit dem Sportclub befindet, der sich dort befindet, wo die Kölner gerne hinwollen. Sportlich, finanziell und wirtschaftlich. In sportlicher Hinsicht verfügt der SC über ein wohlbalanciertes Team, in dem keine wirkliche Schwachstelle festzustellen ist. Dies betonte auch André Pawlak auf der Spieltags-PK: “Freiburg ist eine sehr kompakte Mannschaft. Sie haben eine unheimlich gute Struktur und Abläufe. Sie machen viele Wechsel auch innerhalb des Spiels, auf die man sich dann immer wieder einstellen muss. Teilweise bauen sie mit einer Dreierkette auf, teilweise mit einer Viererkette. Sie haben hohe Außenverteidiger und viele Spieler, die torgefährlich sind.”
“Freiburg ist eine sehr kompakte Mannschaft. Sie haben eine unheimlich gute Struktur und Abläufe. Sie machen viele Wechsel auch innerhalb des Spiels, auf die man sich dann immer wieder einstellen muss. Teilweise bauen sie mit einer Dreierkette auf, teilweise mit einer Viererkette. Sie haben hohe Außenverteidiger und viele Spieler, die torgefährlich sind.”
Ihr Kader zeichnet sich durch eine gute Mischung aus, der Anteil an “homegrown players” ist hoch, Spieler wie Christian Günter, Jonathan Schmid, Nicolas Höfler und Yannik Keitel, aber auch Kevin Schade, Noah Weißhaupt und Nishan Burkart sind Produkt der Freiburger Talentschmiede. Zudem verfügt der Sportclub über ein exzellentes Scouting, das Talente wie Robin Koch, Roland Sallai oder Philipp Lienhart zu einem Zeitpunkt aufspürt, wo sie noch für überschaubare Transferbeträge verpflichtet werden können, im Breisgau dann aber eine deutliche Wertsteigerung erfahren.
Der SC Freiburg – Vorbild in vielen Bereichen
Durch geschickte Verkäufe sind Breisgauer aber auch finanziell in der Lage, Spieler an die Dreisam zu holen, für die sie ob deren Qualität Transfersummen im mittleren bis hohen siebenstelligen Bereich zu zahlen vermögen, Spieler wie Grifo, Eggestein oder Santamaria. Möglich wird dies durch ein umsichtiges wirtschaftliches Agieren, für das seit fast 10 Jahren Geschäftsführer Oliver Leki zuständig ist, der bis Januar 2013 als Geschäftsführer Finanzen beim 1. FC Köln tätig war. In einer Zeit, in der die aller meisten Bundesligaklubs unter den finanziellen Folgen der Coronakrise stöhnen, verzeichnet der Sportclub Gewinne, vor allem ermöglicht durch ihre kluge Transferpolitik.
Vieles, was an der Dreisam geschieht, ist vorbildhaft, ist gutes Beispiel, das zeigt, sportlicher Erfolg und solides Wirtschaften schließen sich gerade nicht aus. Guten Beispielen sollte man folgen, sich den Freiburger Weg zum Vorbild nehmen im Agieren auf dem Transfermarkt, in der Nachwuchsförderung, was den Einbau eigener Talente in die erste Mannschaft betrifft, im Verfolgen eines stimmigen sportlichen Konzepts. Gewiss, Köln ist nicht Freiburg, die Millionenstadt am Rhein nicht mit der beschaulichen Idylle am Fuße des Schwarzwalds zu vergleichen – und doch, man sollte genau hinschauen und das, was übertragen werden kann, annehmen und umsetzen. Doch zunächst geht es nicht um Konzepte, Transfers und schwarze Zahlen, am Samstag in Müngersdorf geht es um drei Punkte und ein hoffentlich spannende Begegnung, die am Ende den besseren gewinnen sehen soll.