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Bundesliga-Start und Corona: Ein wackeliges Konstrukt

Heute Abend startet die Fußball-Bundesliga in eine neue Saison unter Pandemie-Bedingungen. Das Vorhaben birgt einige Risiken. Bundesliga und Corona – wir haben uns die Situation genauer angeschaut.

Bald nicht mehr allein im Stadion: DFL-Chef Christian Seifert | Foto: Stuart Franklin/Getty Images

Von Hendrik Stamm

Am Samstag startet der 1. FC Köln mit einem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim in die Bundesliga-Saison 2020/21. Es wird eine Saison unter besonderen Vorzeichen, keine Saison wie jede andere. Um auch während einer globalen Pandemie Bundesliga-Fußball zu spielen und die Spiele im Bestfall sogar vor Fans auszutragen, haben sich die Fußballliga, die Vereine und die Politik ein Konzept überlegt, wie die kommende Spielzeit über die Bühne zu bringen ist. Gab es in den vergangenen Wochen bezüglich der Zulassung von Zuschauer*innen Einzelgänge verschiedener Bundesländer, lösten sich Liga und Politik letztendlich vom drohenden Flickenteppich der Fußball-Corona-Regelungen.

Die bundeseinheitliche Lösung sieht vor: Die Vereine dürfen 20 Prozent der maximal verfügbaren Sitzplätze verkaufen, beim FC sind das 9200 Zuschauer*innen. Die Tickets werden zunächst unter denjenigen Dauerkarten-Halter*innen vergeben, die auf eine Erstattung der Dauerkarten der vergangenen Saison verzichtet hatten (was im Voraus für Diskussionen gesorgt hatte). Die restlichen knapp 2.700 Tickets verlost der Verein im Rotationsprinzip unter weiteren Dauerkarteninhaber*innen – „um möglichst vielen Fans den Besuch möglichst vieler Spiele zu ermöglichen“. FC-Anhänger*innen ohne Dauerkarte gehen leer aus.

20 Prozent Auslastung: Eine gerechte Lösung?

Auch wenn sich Politik und Liga mit der einheitlichen Lösung um mehr Gerechtigkeit bemühen, ist diese nur bedingt gegeben. Zahlreiche Gründe liegen auf der Hand. Vereine, die in zu großen Stadien spielen (Hertha BSC) oder auch zu Topspielen selten ein volles Haus erreichen (VfL Wolfsburg), sind von der Regelung weniger stark betroffen als die Klubs, die ein ausverkauftes Stadion kennen. Ein Rechenbeispiel: Hertha BSC könnte für Heimspiele knapp 15.000 Plätze verkaufen – ein Drittel der durchschnittlichen Auslastung in der Hinrunde der Saison 2019/20. Der FC kommt, weil das Müngersdorfer Stadion zumindest im Heimbereich in der Regel ausverkauft ist, mit 9.200 Heim-Zuschauer*innen höchstens auf ein Fünftel.

Foto: Friedemann Vogel/Pool via Getty Images

Ähnlich geht es Borussia Dortmund: Von eigentlich 81.365 Tickets kann der BVB etwa 16.000 verkaufen, schreibt auf seiner Webseite aber, „circa 10.000 Fans“ zum Heimspielauftakt gegen Borussia Mönchengladbach zuzulassen – rund ein Achtel der regulären Auslastung. Dass Heimspiele vor Zuschauern für den 1. FC Köln enorm wichtig sind, zeigt die Bilanz der vergangenen Saison. Unter Markus Gisdol hat der FC bis zur Corona-bedingten Unterbrechung in Müngersdorf fünf Punkte liegengelassen – bei einem 1:1 gegen Augsburg und einem 1:4 gegen den FC Bayern.

Mindestabstand und Sieben-Tage-Inzidenz

Die Vereine und die Liga werden nicht müde zu betonen, wie ausgereift die Hygiene-Konzepte für eine Spielzeit mit Zuschauer*innen seien. Doch wer in der ersten Pokalrunde nach Dresden oder Rostock blickte, konnte zumindest skeptisch bezüglich der rigorosen Umsetzung einiger zentraler Punkte der Konzepte werden. Stichwort Mindestabstand und Maskenpflicht: Während die meisten Fans die Vorgaben respektierten, hielten es manche gerade beim Torjubel mit Abstand und korrektem Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung nicht so genau. Sicher ist die Gefahr, dass sich eines der Bundesligaspiele zu einem sogenannten Superspreader-Event entwickelt, eher gering. Auszuschließen ist das Szenario aber nicht. Was dann passiert, ist unklar. Sollte sich tatsächlich ein Spiel als Ursache für eine neue Welle von Neuinfektionen herausstellen, könnte das Verständnis in der Gesellschaft – das sowieso schon begrenzt ist – weiter sinken.

Eine Umfrage der Sportschau ergab Ende April, kurz vor dem Bundesliga-Neustart, dass etwa zwei Drittel der Befragten den Aufwand regelmäßiger Corona-Tests für Spieler, Staff und Funktionäre für übertrieben hielten. Die Akzeptanz dürfte mittlerweile gestiegen sein, weil die meisten europäischen Fußballwettbewerbe ohne große Unruhen zu Ende gespielt werden konnten. Doch wiederholte Infektionswellen direkt aus den Stadien erhöhten die Sieben-Tage-Inzidenz, die laut DFL-Hygienekonzept nicht über 35 Fällen pro 100 000 Einwohner*innen liegen soll. In Köln liegt sie derzeit bei fast 30 Fällen – auch nicht mehr allzu weit von der Grenze entfernt. Deshalb dürften „Fußball-Ausbrüche“ das jetzt schon instabile Konstrukt der Bundesliga-Saison unter Corona-Bedingungen nah an den Punkt des Einsturzes bringen. Wie schnell das gehen kann, bekommt der FC Bayern hautnah zu spüren: Hier findet ein Geisterspiel zur Eröffnung der Bundesliga-Saison gegen den FC Schalke 04 statt, weil die lokale Inzidenz in München zuletzt bei 40 lag.

Auch in Köln gab es am Vorabend vor der Heim-Premiere mit knapp unter 10.000 Zuschauer*innen Verwirrung. Die Meldung über ein kurzfristig vom Land angeordnetes Zuschauerverbot machte die Runde – und wurde kurz darauf durch Stadt und Verein bestätigt.*

Klappt das „Durchtesten“?

Ohnehin skeptisch dürfte man auch auf die Gleichberechtigung der Bundesliga-Mannschaften blicken, wenn es um die Handhabung von Corona-Infektionen im Lager der Spieler und Verantwortlichen geht. Man erinnere sich an den Fall von Dynamo Dresden: Die Sachsen mussten kurz vor dem Restart eine mannschaftsweite Quarantäne antreten, weil Corona-Fälle im Vereinsumfeld auftraten. Was folgte, waren sieben Spiele in zweieinhalb Wochen, darunter drei Spiele innerhalb von sieben Tagen. Dresdens Verteidiger Chris Löwe kritisierte, als der Abstieg der SGD quasi feststand, in einem emotionalen Fernsehinterview die DFL scharf. Eine zweite Causa Dynamo erscheint zunächst unwahrscheinlich, weil eine gemeinschaftliche Pflichtquarantäne für alle Beteiligten nicht mehr vorgesehen ist. Lediglich Spieler oder Mitglieder des Staff, die positiv auf das Corona-Virus getestet werden, sollen isoliert werden und erst nach einem doppelten negativen Ergebnis wieder am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen dürfen.

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Noch funktioniert dieses Vorhaben – weil die Fallzahlen in der Bundesliga-Bubble vergleichsweise gering sind. Doch mit steigenden Zahlen in ganz Deutschland – Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sprach kürzlich von einer zweiten Welle – steigt auch das Risiko vermehrter Infektionen unter den Spielern. Ob es dann mit dem strikten „Durchtesten“ getan ist, bleibt offen. Sollte es nämlich doch zu zwangsläufigen Spielabsagen wegen der Notwendigkeit einer Quarantäne für das eine oder andere Team kommen, ist die Integrität des Wettbewerbs nicht mehr gegeben. Der Spieltag ist Fernsehgeld-bedingt bereits ziemlich zerpflückt – ein Wasserfall aus Nachholspielen würde die Saison weiter durcheinanderbringen.

Das Vorhaben der DFL, die Bundesliga trotz aller Einschränkungen auszutragen, könnte am Ende von Erfolg gekrönt und ein Vorbild für andere Ligen und Sportarten sein. Doch es ist auf einem sehr wackeligen Fundament gebaut und birgt einige Risiken. Wenn einzelne Pfeiler wegbrechen, droht das Konstrukt einzustürzen – und nicht nur die Bundesliga, sondern den Sport unter Corona-Bedingungen in ein schlechtes Licht zu rücken.

*Anm. d. Red.: In einer vorherigen Version des Textes hieß es, dass noch nicht klar sei, ob das Spiel gegen Hoffenheim mit Zuschauer*innen würde stattfinden können. Am Abend verkündeten die Stadt Köln und der Verein dann, dass die Inzidenzzahl zu hoch sei und das Spiel deswegen ohne Fans stattfinden müsse.

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