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Meinung

Bis dass die Tradition uns scheidet

Nachdem Vorstoß von sechs altehrwürdigen Bundesliga-Vereinen zur Umgestaltung der TV-Geld-Verteilung, wird mal wieder über Tradition diskutiert. Doch darum geht es dabei eigentlich nicht.

Wer sorgt für wie viel "Faszination Bundesliga" - das ist hier die Frage | Foto: Vladimir Rys/Bongarts/Getty Images

Eines wird man nicht abstreiten können, nein, es gar nicht wollen: „Team Marktwert“ ist wirklich ein bescheidener Name für die Vereinigung der Bundesliga-Vereine aus Frankfurt, Bremen, Berlin, Stuttgart, Hamburg und Köln. Es war wohl nicht mehr als ein Versuch, der Debatte, die vorher zu ahnen war, und auch prompt entbrennen sollte, von vornherein ein bestimmtes Wording zu geben. Um Werte sollte es gehen, um den Markt, um Wirtschaft, Fairplay und Vernunft. Aber bitte, bitte nicht um… Tradition! Keiner sollte auf die Idee kommen, den Vorstoß der Urgesteine (effzeh.com berichtete) als Verzweiflungstat maroder Traditionsclubs zu werten, die nun mehr Geld dafür wollen, dass sie Traditionsclubs sind. Es war ein lobenswertes Ziel, doch geklappt hat es nicht.

„Eure Leistung darf sich nicht lohnen, rufen VfB, Werder, HSV, FC, Hertha und Eintracht“, findet die „TAZ“. „Im „Team Marktwert“ haben sich sogenannte und selbsternannte Traditionsvereine versammelt“, heißt es weiter. Natürlich mündet alles in der großen, großen Frage, was Tradition denn eigentlich ist. Und dann – wie könnte es anders sein – wird die in Texten, die sich mit den Schlagworten „Tradition“ und „Fußball“ befassen, obligatorische Altersfrage gestellt. „Den angeblich so wenig geschichtsbeladenen VfL Wolfsburg gibt es seit 1945, der schwer auf seine Geschichte pochende erste Bundesligameister 1. FC Köln hingegen wurde 1948 gegründet. Und ein als Retortenklub geltender Verein wie die TSG Hoffenheim hat sich ein 1899 in den Namen geschrieben.“

Was auch immer Tradition ist, Fans braucht man dafür | Foto: Mika Volkmann/Bongarts/Getty Images

Was auch immer Tradition ist, Fans braucht man dafür Foto: Mika Volkmann/Bongarts/Getty Images

“Auf Tradition Fernsehgeld bezahlen”

Mit dieser Deutung ist die „TAZ“ nicht allein. Auch Gladbach-Sportdirektor Max Eberl sagte im Gespräch mit der „Morgenpost“, er halte nichts davon, „auf Tradition Fernsehgeld zu bezahlen.“ In Mainz sieht man das alles ebenfalls kritisch: „Da soll nun Tradition reinspielen, wofür die Vereine, die das anführen, ja heute gar nichts mehr können. Gute Arbeit in den letzten zehn Jahren gilt dann gar nichts mehr?“, sagte Christian Heidel gegenüber der „BILD“-Zeitung. Alles redet also über Tradition, niemand über Marktwert. Dabei wäre letzteres eigentlich viel interessanter für eine Debatte als das alte Spielchen mit Gründungsjahren und historischen Siegen. Denn es ist ja fraglos absolut richtig, dass es absurd wäre, Vereine mit längerer Existenz oder hübscherer Vereinsvitrine dafür finanziell zu entlohnen, dass sie irgendwann mal ganz, ganz super waren. Und man könnte jeden hämischen Kommentar, jede Kritik an dem Vorhaben verstehen, wenn es den sechs Vereinen darum gehen würde. Einzig, das tut es nicht.

Auch wenn es sich momentan überall so liest, ist die Argumentation der vermeintlichen Traditionsvereine überhaupt nicht romantischer oder gar nostalgischer Natur, sondern eine wirtschaftlich, aus ihrer Sicht folgerichtige Überlegung.

Es ist schließlich so: Die DFL bekommt für ihr Angebot, also die TV-Lizenzen für die Bundesliga, entsprechende Summen, weil es eine bestimmte Nachfrage gibt. Je höher das Interesse an den Bundesligapartien, desto größer das Preisschild. Ein ganz normaler Vorgang – Angebot und Nachfrage. Nun verteilt die DFL dieses Geld anhand von Ligazugehörigkeit und sportlichem Abschneiden in den letzten fünf Jahren unter den 36 Clubs der ersten und zweiten Liga.

Genau hier wollen die sechs Vereine, die sich nun zum „Team Marktwert“ zusammen getan haben, die Praxis um eine „dritte Säule“ erweitern: Der „tatsächliche Marktwert“ soll in Zukunft ebenfalls eine Rolle bei der Verteilung spielen. Und eigentlich macht schon die Bezeichnung klar: Es ist kein sportlicher Wert – er basiert weder auf sportlichem Abschneiden noch auf Ligazugehörigkeit.

Doch das bedeutet nicht, dass es dabei darum gehen soll, vermeintliche Tradition zu belohnen – unabhängig davon, dass ja immer noch zu klären wäre, was das eigentlich sein soll. Es bedeutet aber auch nicht, dass die „Leistungsgesellschaft“, wie Eberl die Bundesliga nennt, ausgehebelt würde. Wie viel einzelne Vereine durch das Interesse, das sie generieren, zum Gesamtbetrag, den die DFL für die TV-Lizenzen einnimmt, beisteuern – darum geht es, nicht um historische Heldentaten und die schönsten Schwarzweiß-Fotos von früher. Und ja, das ist übrigens eine: Leistung. Und messbar ist sie noch dazu!

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Nach neuem Modell auf Platz 7 im TV-Geld Ranking | Grafik: meedia.de>

Der Beitrag zum Ganzen

Einzufordern, was einem rein wirtschaftlich betrachtet zusteht, ist auch nicht sonderlich verwerflich. Wer darauf mit trotzigen Verschmähungen reagiert, und sich in die ewige Traditionsfrage hinein echauffiert, hat am Ende das Thema verfehlt. Genauso nutzlos ist es, darin einen Angriff auf die „Solidargemeinschaft“, die die Bundesliga laut Max Eberl sein soll, zu sehen. Denn von einer derartigen Neuregelung würden eben nicht nur die sechs Vereine profitieren, die das Modell nun zur Diskussion gestellt haben. Sondern eben auch Vereine, die vielleicht wenig „Tradition“ (?) haben, sich über kurzfristige sportliche Erfolge aber gut vermarkten konnten und deshalb im „Marktwert“-Ranking, wie auch immer es dann definiert sein würde, gut abschneiden könnten.

Es wäre keine Ausnahmeregelung, wie sie Werks- und Mäzenclubs eingeräumt wurde, sondern ein allgemeingültiges Modell, das den Beitrag der einzelnen Clubs zum – eben nicht nur auf rein sportlichen Erfolgen basierenden – Gesamtwert der Bundesliga besser abbilden würde, als das momentan der Fall ist. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass derartige Regelungen in allen anderen großen europäischen Ligen bereits existieren. Die Kollegen bei “Meedia” haben sich dankbarerweise die Arbeit gemacht und das für uns schon ein mal durchgerechnet.

Und schließlich ist es doch kein Geheimnis mehr, dass zum Beispiel Bayer Leverkusen mittlerweile unzählige Follower in Mexiko hat, oder dass der VfL Wolfsburg mehr Facebook-Likes hat als der 1. FC Köln. Selbst ausgewiesene Retortenclubs können also in Sachen Reichweite durchaus mithalten. Das würde zwar vermutlich nicht alle Defizite in Sachen Mitgliederzahlen, TV-Quoten oder Stadionauslastung ausgleichen. Aber immerhin würde damit unter den Tisch fallen,was St.-Pauli-Manager Andreas Rettig kürzlich noch aus anderer Richtung ausbügeln wollte. Nämlich dass die Werks- und Mäzenvereine durch Ausnahmeregelungen finanziell deutliche Vorteile gegenüber den vermeintlich unfähigen Traditionsclubs hatten und ihren Martkwert dadurch in relativ kurzer Zeit massiv steigern konnten.

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