Wenn am Donnerstagabend das Flutlicht ein sicherlich vollbesetztes Stadion in Müngersdorf erhellt und den Rasen für das erste Heimspiel des 1. FC Köln in der Gruppenphase der Europa Conference League in ein sattes Grün taucht, werden Erinnerungen wach. Erinnerungen an große Europapokalpartien der Domstädter, die bis in die frühen 90er Stammgäste waren in den europäischen Wettbewerben. Spiele gegen Inter Mailand, Juventus Turin, Real Madrid, den FC Arsenal, Nottingham Forest oder die Glasgow Rangers kommen einem in den Sinn, Festtage des Fußballs mit großen Siegen, aber auch bitteren Niederlagen.
Der 1. FC Slovácko – eine Rechnung mit vielen Unbekannten
Der 1. FC Slovácko, Gegner des 1. FC Köln, trägt keinen klangvollen Namen, ist kein europäisches Schwergewicht und dürfte auch nur veritablen Fußball-Nerds wirklich gut bekannt sein. Man weiß, dass das Team aktueller Pokalsieger Tschechiens ist, in den letzten beiden Spielzeit jeweils Vierter in der heimischen Fortuna Liga wurde und sowohl die Qualifikation als auch die Playoff-Runde sehr souverän überstand. Nach dem Ausscheiden in der Europa-League-Qualifikation gegen Fenerbahçe Istanbul (0:3/1:1) wurde der schwedische Vertreter AIK Solna mit 3:0 und 1:0 besiegt. Viel mehr weiß man allerdings nicht. Dies musste auch Steffen Baumgart einräumen: “Wir können den Gegner auch nur anhand von Fernsehbildern und des Tabellenplatzes bewerten. Es ist schwer für uns einzuschätzen, ob sie in einer Dreier- oder Viererkette spielen, weil sie da variieren,” sagte er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel.
“Wir können den Gegner auch nur anhand von Fernsehbildern und des Tabellenplatzes bewerten.”
~ Steffen Baumgart
Wer ist also dieser 1. FC Slovácko? Der Verein ist jung an Jahren, gegründet am 1. Juli 2000 nach einer Fusion zweier Vorgängervereine aus Staré Město und Uherské Hradiště, einer Stadt im Südosten Tschechiens gelegen in der Mährischen Slowakei – oder im Slovácko, wie dieser Landstrich auf tschechisch lautet. Bekannteste Persönlichkeit dieser 25.000 Einwohner zählenden Stadt ist die 2020 verstorbene frühre Leichtathletin Dana Zátopková, Ehefrau der Langlauflegende Emil Zátopek. Mit ihrem Mann gelang ihr bei der Olympiade 1952 in Helsinki das Kunststück, innerhalb nur einer Stunde jeweils eine Goldmedaille zu gewinnen, Dana im Speerwurf, Emil über 5000 Meter.
Das Team – viel Erfahrung, aber wenige bekannte Namen
Vergleichbare sportliche Ehren kann der 1. FC Slovácko noch nicht vorweisen, der Sieg im tschechischen Pokal über Sparta Prag im Mai dieses Jahres war der erste nationale Erfolg in der jungen Vereinsgeschichte. Dies überrascht kaum, weist doch die Mannschaft nur wenige bekannte Gesichter auf. Eines ist das von Michal Kadlec, dem Innenverteidiger und Mannschaftskapitän, der 128 Bundesligaspiele für Bayer Leverkusen bestritt und mittlerweile 37 Lenze zählt. Ein weiterer bekannter Name ist der von Mittelfeldspieler Milan Petržela, der von 2012 bis 2013 für den FC Augsburg auflief und gar 39 Jahre zählt.
Michal Kadlec (oben) im Einsatz für Tschechien im Qualifikationsspiel für die WM 2014 gegen Bulgarien. (Foto: DIMITAR DILKOFF/AFP via Getty Images)
Überhaupt, mit einem Altersdurchschnitt von – je nach Aufstellung – 30 Jahren oder mehr hat man es mit einer sehr erfahrenen Mannschaft zu tun, die Torwart Filip Nguyen, Linksverteidiger Daniel Holzer und die Mittelfeldspieler Marek Havlik und Michal Travnik zu ihren Stützen zählen kann. Das Team ist robust, aggressiv gegen den Ball, spielt schnörkellos und sucht in der Regel den direkten Weg zum Tor. Trainer Martin Svědík betreut die Mannschaft seit vier Jahren und lässt sie oft im 4-2-3-1 antreten mit der körperlich sehr starken Sturmspitze Ondrej Mihalik als Zielspieler. Im ersten Gruppenspiel gegen Partizan Belgrad entschied er sich für ein 4-4-2, musste allerdings zusehen, wie sein Team sich trotz 2:0-Führung und fast 70 Minuten Überzahl schlussendlich mit einem 3:3-Unentschieden zufrieden geben musste.
Gutes Tempo als Schlüssel zum Erfolg?
Der 1. FC Köln wird gut daran tun, diesen Gegner nicht zu unterschätzen, das verlorene Heimspiel gegen den FC Fehérvár sollte Warnung genug sein. Mit welchem Personal die Kölner antreten werden? Auf der Pressekonferenz vor der Begegnung wollte Steffen Baumgart sich nicht in die Karten gucken lassen. Denkbar wäre es, mit Maina, Ljubicic, Thielmann und Kainz viel Tempo auf den Platz zu bringen, da Slovácko vor allem in der Abwehr in diesem Bereich anfällig zu sein scheint. Unabhängig davon wird sich Baumgart auf seinen ersten Europapokalauftritt als Trainer freuen – und mit ihm weit über 40.000 Kölner Fans.