Anthony Modeste saß auf dem Rasen des Frankfurter Stadions und blinzelte in die tiefgehende Sonne. Vorsichtig betastete er seine lädierte Nase und wischte sich dann den Schweiß von der Stirn. Die Partie bei der Frankfurter Eintracht hatte ihre Spuren bei ihm hinterlassen. Es war kein einfaches Spiel für einen Stürmer wie ihn gewesen, lediglich ein Kopfball auf das gegnerische Tor war ihm gelungen. Aber er war gelaufen, viel gelaufen, hatte sich eingesetzt, für sein Team aufgerieben und damit seinen Beitrag zum 1:1-Unentschieden bei der Eintracht geleistet. Und er war an wichtigen einigen Szenen beteiligt gewesen. Schließlich reichte Kingsley Schindler ihm die Hand und half ihm auf.
Ein temporeiches Spiel mit Kölner Slapstick-Einlagen
Von Anfang an wurde das Spiel durch ein hohes Tempo und rassige Zweikämpfe geprägt. Nach einem dieser Duelle musste Erik Durm auf Frankfurter Seite mit einer Kopfverletzung schon früh ausgewechselt werden. Nach einer Viertelstunde ging dann der Gast aus Köln durch ein Tor von Ellyes Skhiri nach Vorarbeit von Jonas Hector in Führung. In der 30. Spielminute verfehlte Torwart Timo Horn nach einem Freistoß von Filip Kostic den Ball und traf stattdessen seinen Verteidiger Luca Kilian, der wenig später – sichtlich benommen – durch Jorge Meré ersetzt werden musste. Kurz darauf rasselten Benno Schmitz und Timothy Chandler mit ihren Köpfen zusammen, wonach der Frankfurter den Rest der Partie mit einem Turban bestreiten und der Kölner Verteidiger zur Pause in der Kabine bleiben musste. Und auch Anthony Modeste erwischte es am Kopf, er konnte jedoch mit einem Wattebausch in der Nase bis zum Schlusspfiff weiterspielen.
Die Kölner hatten das Spiel im Griff, bis sie sich kurz vor der Halbzeit eine Reihe ungewohnter Slapstick-Einlagen leisteten. Zunächst segelte ein langer Ball des Frankfurters Hinteregger in den Kölner Strafraum. Wohl unter dem Eindruck seines Zusammenpralls mit Luca Kilian verharrte Timo Horn auf seiner Torlinie und musste mit ansehen, wie Rafael Czichos gegen den ihn verfolgenden Rafael Borré eine Ecke verursachte. Die Hereingabe nach dem abgewehrten Eckball verfehlte Anthony Modeste in fulminanter Manier, woraufhin Chandler frei vor Timo Horn stand, der den Schuss des sich im Abseits befindlichen Frankfurters über sein Tor lenken konnte. Der Kölner Torwart spielte den anschließenden Freistoß auf Rafael Czichos, dem Borré den Ball abknöpfte und vor das Kölner Gehäuse schlug. Dort wurde Ellyes Skhiri von Merés Kopfball aus kürzester Distanz im Gesicht getroffen und musste ebenfalls behandelt werden.
Diese Unordnung musste zwangsläufig von den Frankfurtern ausgenutzt werden. Und so trafen sie kurz vor der Halbzeit auch zum Ausgleich durch Borré nach Kostics millimetergenauem Rückpass. Fast hätte die Eintracht sogar noch den Führungstreffer erzielt, als Timo Horn sich entschied, bei da Costas Flanke nicht einzugreifen und Kostic den Ball nur um Millimeter verpasste. Trotzdem: Der 1. FC Köln hatte mehr vom Spiel gehabt und hätte das ein oder andere Tor mehr erzielen können. Der einzige Treffer der “Geißböcke” war letztlich Skhiris 1:0, der auf Vorlage von Jonas Hector im Anschluss an einen Standard die Kölner in Führung schoss.
“Wir hatten ein paar Kontermöglichkeiten, die wir schlecht ausspielen, wo wir ein Tor hätten nachlegen können. Aber das haben wir versäumt.”
Die fehlende Zielstrebigkeit sprach auch der FC-Kapitän an: “Wir hatten ein paar Kontermöglichkeiten, die wir schlecht ausspielen, wo wir ein Tor hätten nachlegen können. Aber das haben wir versäumt”, monierte Hector. Auch nach der Pause wogte das Spiel hin und her, das Tempo war nach wie vor hoch. Die Kölner erzielten sogar noch ein Tor, das jedoch aberkannt wurde, weil sich Modeste hauchdünn im Abseits befand. Auf beiden Seiten ergaben sich noch Einschussmöglichkeiten, Hinteregger und Kamada hätten die Eintracht in Führung bringen können, Mark Uth verpasste kurz vor Schluss die Möglichkeit zum Lucky Punch. Nur Sekunden später besiegelte der Schlusspfiff von Schiedsrichter Martin Petersen den 1:1-Endstand.
Erkenntnisse
Es war das dritte Unentschieden in Folge und doch unterschied es sich von den letzten beiden Partien. Die ordentlich bis guten Abwehrleistungen in Freiburg und gegen Leipzig konnten nicht wiederholt werden, und das betraf den gesamten Defensivverbund. Nicht nur in der wilden Phase vor der Halbzeit vermisste man Ordnung, Sicherheit und Klarheit beim Eingreifen. Hier wird Trainer Baumgart sicherlich in der Länderspielpause nach dem Fürth-Spiel ansetzen und Korrekturen vornehmen. Aber auch die Kombinationen waren nicht selten holprig, was auch von Timo Horn angemerkt wurde: “Gerade im Passspiel haben wir schon deutlich bessere Leistungen gezeigt. Es waren viele Bälle nach Fehlpässen weg oder sie sind uns versprungen. Das sind Kleinigkeiten, die aber entscheidend sein können”, stellte er fest, wobei er sicherlich auch seine Torwartleistung einem genauen Blick unterziehen wird.
Demgegenüber fielen die weiten Wege der beiden Stürmer, Anthony Modeste und auch Sebastian Andersson positiv auf. Gerade der von seinen Knieverletzungen so gebeutelte Schwede war viel unterwegs und beschäftigte die Frankfurter Abwehr mehr, als ihr lieb war. Überhaupt zeigte das gesamte Team wieder eine beeindruckende Laufleistung, die auch von Steffen Baumgart mit Wohlwollen wahrgenommen wurde: “Grundsätzlich haben die Jungs sehr gut gearbeitet und nach vorne gespielt, das will ich sehen”, zeigte er sich durchaus zufrieden mit seinen Spielern. So fällt dann auch das Fazit nach den ersten sechs Saisonspielen positiv aus: Ob bei den Bayern, gegen Leipzig oder im Spiel bei der Eintracht, der 1. FC Köln bewegt sich immer mehr auf Augenhöhe mit Mannschaften, die man von ihrer Qualität her weit höher einschätzen muss.
Der Blick auf das nächste Spiel
Der frühere Bundestrainer Sepp Herberger hat den Fußball mit einigen ewigen Weisheiten bereichert. ‘Der Ball ist rund’ und ‘Jedes Spiel dauert 90 Minuten’ gehören dazu, aber auch ‘Der nächste Gegner ist der schwerste’. Gerade auf das Heimspiel des 1. FC Köln gegen die SpVgg Greuther Fürth könnte dieses Bonmot zutreffen. Zum ersten Mal in dieser Saison müssen die Kölner wohl oder übel die klare Favoritenrolle übernehmen gegen einen Gegner, der bisher sieglos mit einem mageren Punkt auf Platz 18 der Bundesligatabelle steht.
Trainer Steffen Baumgart weiß, dass der erste Schritt in Richtung Niederlage gegen eine solche Mannschaft der ist, dass man sie unterschätzt, und wird sein eigenes Team dementsprechend warnen. Es bleibt zu hoffen, dass die Ohren seiner Spieler auf Empfang eingestellt sein werden, und dass dann die Erkenntnis in die Tat umgesetzt wird. Es wäre nicht nur ein guter Start in die folgende Länderspielpause, es würde der i-Punkt auf einem gelungenen Saisonauftakt des 1. FC Köln sein.