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Analyse

Zwei unterschiedliche Halbzeiten, kein Gewinner: Der 1. FC Köln ist mit dem 1:1 in Freiburg nicht unzufrieden

Der 1. FC Köln entführt einen Punkt aus dem Breisgau und präsentiert dabei zwei sehr verschiedene Halbzeiten. Die Gründe für diese sehr schwankenden Leistungen liegen dabei mitnichten nur im Platzverweis gegen Florian Kainz, sondern auch an Christian Streichs Umstellungen. Eine Analyse.

Foto: imago images / Jan Huebner

Text: Jan Lukas Elskamp / Denis Lennepe

Zwei Halbzeiten: So unterschiedlich wie der 1. FC Köln 2020 im Vergleich zum 1. FC Köln 2021. Darauf verwiesen fast alle Spieler beider Teams nach der Begegnung in den Interviews. Stellvertretend dafür die Aussage von Jonas Hector nach dem Spiel: „Wir haben in der ersten Halbzeit ein gutes Spiel gemacht, haben einige Chancen herausgespielt. Das haben wir in der zweiten Halbzeit vermissen lassen, da waren wir nicht mehr so aktiv und hatten unsere Probleme”, betonte der Kapitän der “Geißböcke” nach dem 1:1-Remis beim SC Freiburg. Anthony Modeste hatte den FC vor der Pause per Kopf in Führung gebracht, diese hatte bis zum Eigentor von Rafael Czichos (89.) in der Schlussphase der Partie Bestand.

Die Aussage des Kölner Kapitäns lässt sich auch in den Statistiken zum Spiel wiederfinden, vor allem die Passquote hilft, dabei das Gefühl der Spieler zu unterstreichen: Kam der FC in der ersten Hälfte noch mit einem geordneten Spiel auf 83 Prozent Genauigkeit, wurden nach Wiederanpfiff nur noch 73 Prozent der Bälle an den Mitspieler gebracht. Bei Freiburg (78 Prozent vor dem Seitenwechsel zu 83 Prozent nach dem Wiederbeginn) ist die Entwicklung genau umgekehrt. Eine Erklärung dabei lässt sich besonders beim Blick auf den Freiburger Keeper Mark Flekken finden, der in der zweiten Hälfte jedes seiner Zuspiele genau abgab. Der Druck des Kölner Pressings ließ mit der Zeit offenbar immer weiter nach.

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Das Momentum des Spiels zum Kippen gebracht

Dabei sprach zu Beginn der ersten Halbzeit noch gar nicht viel dafür, dass der FC sie so dominieren würde, denn die Breisgauer erwischten den besseren Start. In den ersten 5 Minuten wurde Streichs Plan für diese Partie ersichtlich: die eher langsame Kölner Abwehr sollte aggressiv und schnell angelaufen und der Spielaufbau somit auf Timo Horn gelenkt werden, dem der Freiburger Trainer wohl nicht zugetraut hat, allzu Konstruktives mit Ball am Fuß anfangen zu können. Zudem sollten seine Freiburger konsequent mit zwei Mann über außen angreifen – gegen die Kölner Raute eigentlich ein sehr probates Mittel, da die Außenverteidiger nicht von nominellen Flügelspielern unterstützt werden können und zudem selber oft aufrücken müssen.

“In der ersten Halbzeit haben wir viel Druck gemacht, hätten noch höher führen können. Da müssen wir dann mit 2:0 oder 3:0 in die Pause gehen.”

Da mit Hector und Schmitz hier derzeit zwei Spieler in der defensiven Viererkette stehen, die eher ihre Stärken im Stellungsspiel haben als in der Endgeschwindigkeit, ergibt diese taktische Vorgabe durchaus Sinn. Der FC geriet so zunächst unter einigen Druck, die große Kopfballchance von Vincenzo Grifo (7.) beispielsweise entsprang genau aus einer solchen Situation und hätte schon das 1:0 bedeuten können. Die Gelegenheit entstand, weil Höler sich in den Raum hinter Hector abgesetzt hatte, von Sallais Steilpass gefunden wurde und seine Flanke maßgenau auf dem Kopf von Grifo zirkelte. Doch es spricht absolut für die Mannschaft von Steffen Baumgart, dass sie sich aus solchen Drucksituationen befreien und das Momentum eines Spiels zum Kippen bringen kann.

Foto: imago images / Jan Huebner

Im vorliegenden Spiel gelang dies durch klarere Zuordnungen: Anthony Modeste, Mark Uth und Sebastian Andersson orientierten sich nun stärker hin zur Freiburger Aufbau-Dreierkette, Modeste blieb häufiger bei Lienhart, Andersson kümmerte sich um Schlotterbeck und Uth um Eggestein, wenn dieser sich zwischen die gegnerischen Innenverteidiger fallen ließ. Hier kam den Domstädtern eine Freiburger Eigenart zupass: Der SC unter Christian Streich versucht immer, mit kurzen Flachpässen von hinten heraus aufzubauen. Für eine Pressing-Mannschaft, wie sie der 1. FC Köln unter Steffen Baumgart im Begriff zu werden ist, ein gefundenes Fressen. Der Aufbau wurde mit den drei Offensivspielern nach außen gelenkt, wo die „Pressing-Opfer“ Christian Günter (50 Prozent Pass-Genauigkeit in den ersten 45min) und Lukas Kübler gekonnt unter Druck gesetzt wurden.

Flanken, Flanken und nochmals Flanken

Da Baumgart zudem nach etwa zehn Minuten die Abwehrreihe höher positioniert und auch Dejan Ljubicic im Pressing vorgezogen hatte, gelang es dem FC nun, die Freiburger nach und nach einzuschnüren und ihnen ein Spiel um ihren Strafraum herum aufzuzwingen. Wie schon in den anderen Saisonspielen versuchten die Rheinländer, die den Ball auch entsprechend oft außen gewannen, ihre Chance wieder in zahlreichen Flanken zu suchen. Insgesamt haben die Geißböcke in der Saison mit 87 Flanken mit Abstand die meisten Hereingaben zu verzeichnen (es folgt der FCA mit 61!), alleine gegen Freiburg waren es 20. Besonders Florian Kainz (vier Flanken) spielt hier eine prägende Rolle für die Kölner, weil er selbst aus dem Stand im Halbfeld noch gefährliche Flanken schlagen kann, die unheimlich schwer zu verteidigen sind.  Hierbei erinnert er ein wenig an Quarterbacks im American Football, die ebenfalls für ihre Würfe keine Dynamik in der Aktion benötigen.

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Auch die fünf Schmitz-Flanken von rechts sorgten – wie bei Modestes Führungstor (33.) – für Gefahrenmomente. In dieser Phase vor dem Pausenpfiff hätten die “Geißböcke” bereits 2:0 führen können, wenn Sebastian Andersson (27.) seine große Kopfballchance auf das Tor gebracht oder Mark Uth nicht nur den Pfosten getroffen hätte (37.). An der Chancenverwertung wird der FC weiter arbeiten müssen. So kritisierte Dejan Ljubicic nach dem Abpfiff die Ausbeute: „Es ist schade, dass wir heute nicht die drei Punkte mitgenommen haben. In der ersten Halbzeit haben wir viel Druck gemacht, hätten noch höher führen können. Da müssen wir dann mit 2:0 oder 3:0 in die Pause gehen”, so der Österreicher.  Die wenigen Entlastungen der Freiburger hingegen endeten meist in einer Abseitsstellung oder zerschellten an der konzentriert verteidigenden FC-Abwehr.

Streich mit der richtigen Reaktion gegen das Kölner Pressing

Dass Christian Streich allerdings zu den Großen seiner Zunft gehört, bewies er dann in der zweiten Halbzeit, in der seine Umstellungen den gewünschten Ertrag brachten: Zum einen reagierte der Freiburger Coach personell und brachte Janik Haberer für den schwachen Eggestein, zum anderen erhielt Torwart Flekken aber auch die Anweisung, die Bälle eben nicht mehr flach auf die Innenverteidiger zu spielen, sondern mit hohen Chipbällen auf die Außenspieler die erste Kölner Pressinglinie zu umgehen. Haberer ließ sich, eben im Gegensatz zu Eggestein, nun nicht mehr zwischen die Innenverteidiger fallen, sondern interpretierte seine Rolle vorstoßender und hinderte seinerseits die Kölner Mittelfeldspieler schon an einer sauberen Ballannahme.

Foto: imago images / Jan Huebner

Der Sport-Club spielte nun wieder konsequenter über die Außen, die wieder häufiger doppelten und mit Pass-Klatsch-Kombinationen oder strategisch klugem Freispielen ihren Mitspieler in Szene setzten. Die große Kopfballchance durch Jeong (49.) entstand genau nach diesem Muster. Nach und nach gelang des den Freiburgern so, die Kontrolle über Mittelfeld und damit das Spiel zurückzugewinnen und den FC immer weiter hinten reinzudrücken. Dies war allerdings auch der Tatsache geschuldet, dass die Kölner müde wirkten und sich selbst auch immer weiter zurückfallen ließen, anstatt weiterhin ihr kräfteraubendes Pressingspiel aufzuziehen. Dies lag auch ein wenig in den Wechseln begründet, denn mit Ellyes Skhiris Einwechslung für Mark Uth setzte der Kölner Trainer erstmals mehr auf Defensive, als weiterhin den offensiven Stil zu kultivieren.

” Die erste Hälfte geht an uns, in der zweiten Hälfte haben wir zu viel zugelassen. Dennoch gehe ich zufrieden nach Hause.”

Dies schien Baumgart aber bereits selbst nach sieben Minuten wieder korrigieren zu wollen und brachte Tim Lemperle für den nächsten Zentralen Salih Özcan (69.). Aber auch durch den zweiten Wechsel in diesem Wechselfenster – Ondrej Duda kam für Torschütze Modeste – beraubte man sich einer Qualität im Anlaufen: an Modestes derzeitiger Griffigkeit und Körperlichkeit sowie seinem Willen, auch gegen den Ball zu arbeiten, kommt Duda derzeit einfach nicht ran. Eventuell kam hier auch zum Tragen, dass die Kölner zehn Länderspielabstellungen hatten, wohingegen Freiburg nur sechs Spieler an die Nationalmannschaften entsenden musste. Die wenigen Chancen auf ein 2:0, die der FC sich erarbeitete, vergab die “Geißböcke” überhastet (Kainz, 61.).

In Unterzahl gegen den Ausgleich gestemmt

Besonders bitter wurde dies, nachdem man ab der 74. Minute nach einer harten Gelb-Roten Karte gegen Kainz in Unterzahl weiterspielen musste. Ohne den Österreicher fehlte dem FC nahezu jedes Entlastungsmoment. Da Streich zudem Köln-Schreck Nils Petersen für den umtriebigen Sallai einwechselte und damit für eine konsequentere Strafraumbesetzung gesorgt hatte, verschob sich das Spiel nun endgültig zu Gunsten der Süddeutschen. Mit Demirovic für Höler kam dann sogar noch ein weiterer Strafraumstürmer. Zwar bot sich dem FC durch einen Freiburger Fehler sogar noch eine aussichtsreiche Chance (86.), aber hier bewies Ondrej Duda, warum er derzeit in der Gunst des Trainers nicht ganz vorne steht.

Dass der Ausgleich dann letztlich nach einem Eigentor kurz vor Schluss fiel, ist zwar bitter, aber angesichts des Freiburger Drucks auch nicht unverdient. Wie schon gegen Bochum hat Köln es aufgrund der mangelnden Chancenverwertung in Halbzeit Eins versäumt, höher in Führung zu gehen und musste sich dann den eigenen müden Beinen und den cleveren Umstellungen Streichs, die in großem Freiburger Druck mündeten, ergeben. Da beide Mannschaften jeweils eine Halbzeit dominiert haben, ist das Remis wohl ein gerechtes Ergebnis, wenngleich ein später Ausgleich immer unglücklich ist. Das sah auch Steffen Baumgart so: “Es war das Spiel, was ich mir erhofft habe – sehr offensiv und offen. Die erste Hälfte geht an uns, in der zweiten Hälfte haben wir zu viel zugelassen. Dennoch gehe ich zufrieden nach Hause”, so der FC-Trainer. Es ist nicht viel hinzuzufügen.

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