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Analyse

1:2-Niederlage in der Hauptstadt: Auf dem Boden der Tatsachen

Der 1. FC Köln ist wieder mitten im Abstiegskampf angekommen. Union Berlin reicht eine durchschnittliche Leistung, um gegen die Kölner zu gewinnen – für die wird es langsam immer enger.

Foto: Imago

Vierte Niederlage im fünften Spiel für den 1. FC Köln: Beim 1. FC Union Berlin, der 2019 noch gemeinsam mit den Domstädtern in die Bundesliga aufgestiegen war, unterliegt die Mannschaft von Markus Gisdol verdient mit 1:2. Trotz einer zwischenzeitlichen Führung durch ein Strafstoßtor von Ondrej Duda setzte sich am Ende die höhere Qualität der “Eisenern” verdient durch. Für den FC, der zuletzt beim Unentschieden gegen Werder Bremen immerhin spielerisch in Ansätzen überzeugen konnte, war die Niederlage ein weiterer Rückschlag in einer an Rückschlägen nicht armen Saison.

Gegen Union verzichtete Gisdol auf Jan Thielmann und Ismail Jakobs. Beide wurden ersetzt durch Salih Özcan und Kapitän Jonas Hector, der zu seinem ersten Startelfeinsatz seit dem Auswärtsspiel in Hoffenheim kam. Weil Gisdol am 4-2-3-1 festhielt, fehlten den Kölnern sowohl Tempo als auch Tiefgang in der Offensive. Die offensiven Positionen besetzten Duda, Elvis Rexhbecaj und Özcan, auch Hector versuchte immer wieder, im letzten Drittel aktiv zu werden. Das Mittelfeldzentrum mit Max Meyer und Ellyes Skhiri brachte zwar wie schon gegen Bremen ein Mehr an Ballsicherheit, allerdings überwiegend in ungefährlichen Zonen des Spielfelds.

Dem 1. FC Köln fehlen Tempo und Tiefgang

Im eigenen Aufbauspiel kippte Skhiri häufiger zwischen die beiden Innenverteidiger ab als noch gegen Bremen, sodass der FC sehr häufig in Form eines U aufbaute – der Ball lief von links nach rechts und ungekehrt, wurde aber nur selten vertikal und über mindestens eine Linie nach vorne gespielt. Beim FC ballten sich häufig mehrere Spieler in einer Zone. Dort versuchten sie, auf engstem Raum miteinander zu kombinieren und dann das Spiel mit einer Seitenverlagerung zu öffnen, was allerdings nur selten gelang. Lange Bälle verteidigte Union mit der kopfballstarken Dreierkette rund um Robin Knoche ohnehin souverän weg. Hatte mal ein FC-Spieler die Chance, mit Tempo nach vorne aufzudrehen, fehlten allerdings die Passoptionen in der Tiefe. “Salih, geh tief”, lautete daher eine lautstarke Anweisung von Gisdol nach 22 Minuten, Özcan hingegen trabte aber nur langsam nach vorne.

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Die Berliner auf der Gegenseite versuchten in einem 5-3-2 das Zentrum dichtzuhalten. Die beiden Flügelverteidiger Christopher Trimmel auf rechts und Julian Ryerson auf links schoben das Spiel regelmäßig an. Gerade in der Anfangsphase der Partie sorgten die Vorstöße des halblinken Achters Keita Endo beim FC für Probleme, der Japaner lief immer wieder mit Tempo in die Räume und brachte gefährliche Hereingaben. Petar Musa scheiterte aber in den ersten zehn Minuten gleich zweimal aus aussichtsreicher Position.

Ryersons Vorstöße drehen das Spiel

Der FC hatte nach einem Vorstoß des früh eingewechselten Rafael Czichos eine gute Gelegenheit, seine Flanke landete über Marius Wolf bei Özcan, dessen Abschluss Andreas Luthe aber parieren konnte. Diese Chance fiel auch in die beste Phase des 1. FC Köln in der ersten Halbzeit, als es sogar gelang, das Spiel vom eigenen Tor wegzuhalten. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit sicherte Özcan dann gut einen langen Ball, zusammen mit Duda und Hector kombinierten sich die Kölner bis in den Strafraum, wo sich Hector im Zweikampf gegen Knoche geschickt drehte und vom Ex-Wolfsburger gefoult wurde. Die hohe individuelle Qualität des Kölner Kapitäns brachte dem FC eine unverhoffte Führung, weil Duda den folgenden Strafstoß verwandelte.

Foto: Imago

Das 1:0 aus Kölner Sicht hatte aber nicht lange Bestand: Kurz nach der Halbzeit schob die gesamte Kölner Mannschaft sehr weit auf die linke Seite, um einen Einwurf der Berliner zuzustellen. Trimmel konnte allerdings mit einem Seitenwechsel auf links das gesamte Spielfeld öffnen, sodass Ryerson mit Tempo Richtung Sechzehner dribbeln konnte. Der Rechtsfuß legte sich den Ball nach innen und flankte ihn Wolf an den Arm, sodass es erneut Strafstoß gab, den Max Kruse sicher verwandelte. Nach dem Ausgleich begann die Phase, in der beide Teams wechselten und frische Beine brachten, wirklich gefährlich wirkte aber nur Union.

Nach Unions Führung wird der 1. FC Köln nicht mehr gefährlich

Nach 67 Minuten drehten die Hauptstädter dann das Spiel: Erst bauten sie geduldig auf, dann schickte Keven Schlotterbeck mit einem langen Ball Ryerson in die Tiefe. Der Norweger gewann zuerst das Laufduell gegen Wolf, der den langen Ball schlecht antizipiert hatte. Danach ging der Kölner zu früh auf den Boden, um den Ball per Grätsche klären zu wollen, was allerdings misslang. Ryerson narrte Wolf dann mit einer sehenswerten Drehung und legte sich den Ball auf den linken Fuß. Nach seiner Hereingabe hatte der FC eigentlich sechs Spieler im Sechzehner, um die Szene verteidigen zu können. Grischa Prömel verpasste die Flanke, die dann am zweiten Pfosten Trimmel fand. Weder Katterbach noch Jakobs oder irgendein anderer Defensivspieler hatte ihn auf den Schirm, der Österreicher traf mit seinem ersten Bundesligator zum 2:1. Wieder einmal die Endverteidigung, wieder einmal ein Spieler am zweiten Pfosten – auch das ist ein Muster beim 1. FC Köln in dieser Saison.

Während der restlichen Spielzeit hatte Union keine Probleme, die Kölner Angriffsbemühungen zu verteidigen, der eingewechselte Joel Pohjanpalo hatte sogar die Chance auf das dritte Tor. Und weil der FC selbst aus Überzahl bei kurzen Ecken kein Kapital mehr schlagen konnte, wurde es für die Gastgeber nicht mehr gefährlich.

Über Form und Defensive

“Wir hatten heute die Spieler auf dem Platz, die aktuell die beste Form haben”, sagte Gisdol nach der Partie. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, welche Form dann die anderen Spieler derzeit haben müssen. “Die Herangehensweise, wie wir Tore verteidigen wollen, ist das größte Problem. Wenn wir das nicht ändern, dann wird es sehr schwierig”, befand Czichos. Bemerkenswert auch dies, galt doch die defensive Stabilität in dieser Spielzeit als eine der wenigen Kölner Stärken.

Foto: Imago

25 Spieltage sind mittlerweile in der Bundesliga absolviert und es ist immer noch nicht klar geworden, auf welche Weise der 1. FC Köln den Klassenerhalt schaffen möchte. Die Mannschaft überzeugt in keinem einzigen der spielrelevanten Bereiche, die Probleme sind das Verteidigen ohne Ball, das Angreifen mit Ball und die jeweiligen Übergangsphasen. Der FC hat aktuell die drittschwächste Offensive und die drittschlechteste Defensive der Liga – je mehr Spiele absolviert sind, desto mehr nähert sich die Mannschaft auch dem Tabellenstand an, den sie aufgrund ihres Leistungsvermögens verdient.

Dem 1. FC Köln kann kein positives Zeugnis ausgestellt werden

Horst Heldt und Markus Gisdol betonen seit geraumer Zeit fast gebetsmühlenartig, dass es für den FC in dieser Saison nur um den Klassenerhalt geht. Wahrscheinlich tun sie das deswegen, um für schlechte Leistungen der Mannschaft (mittlerweile mehr Niederlagen als Siege und Unentschieden zusammengerechnet) ein Alibi zu haben. Und auch wegen der hohen finanziellen Ausgaben, die für den Kader in dieser Corona-Saison unternommen wurden, dienen die 25 FC-Spiele bisher nicht dazu, Heldt und Gisdol ein positives Zeugnis auszustellen. Beide verwalten aktuell nicht mehr als den Mangel. Für das nächste Spiel am kommenden Wochenende gegen Borussia Dortmund sprach Heldt seinem Trainer noch das Vertrauen aus.

Und vielleicht reicht das auch zum Klassenerhalt, ausgeschlossen ist das nicht. Aber es wäre schön, wenn sich die Verantwortlichen spätestens am Ende der Saison ehrlich austauschen und nüchtern analysieren, ob sie wirklich einen guten Job gemacht haben. Denn zumindest für das Spiel gegen Union Berlin kann das nicht behauptet werden.

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