In etwas weniger als drei Wochen startet der 1. FC Köln in die neue Bundesliga-Saison – unter ganz besonderen Vorzeichen. Denn während die Corona-Pandemie den internationalen Sport und damit auch die Bundesliga weiterhin fest im Griff hat, ist in diesem Sommer im Fußball gar nichts normal: Die Trainingseinheiten absolviert der FC ohne Publikum, auch die Spiele werden in diesem Jahr wohl nicht mehr mit Zuschauer*innen in den Stadien stattfinden. Das sorgt dafür, dass die Vereine wirtschaftlich völlig neu planen müssen. Davon betroffen ist natürlich auch der 1. FC Köln, der nach der Misswirtschaft der vergangenen Jahre nun auch noch massiv unter den Einnahmeeinbußen wegen der Pandemie leidet. Aktuell befindet sich der Verein, so deutlich muss man es immer wieder sagen, in einer der schwersten wirtschaftlichen Krisen seiner Geschichte. Die Notwendigkeit, ruhig und konstruktiv an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten, ist daher dringender denn je.
Aus sportlicher Sicht läuft die Vorbereitung sogar einigermaßen ruhig – der FC kehrte am Freitag aus dem Trainingslager in Donaueschingen zurück und bestritt am Folgetag ein Testspiel. Spieler verletzten sich, andere kommen besser in Form: So weit, so normal. Doch was derzeit am Geißbockheim alles andere als normal ist, betrifft das Binnenverhältnis zwischen Vorstand des Vereins, Geschäftsführung der KGaA und der Belegschaft. Auch das direkte und indirekte Vereinsumfeld sind davon betroffen, weil sich speziell verdiente und ältere Spieler in verschiedenen Medien kritisch zur derzeitigen Vereinspolitik äußern. Zudem geht es um die Klage eines entlassenen Abteilungsleiters, und einen Protestbrief – also insgesamt darum, wie der 1. FC Köln sich für die Zukunft aufstellen möchte und wer aus diesem Machtkampf als Sieger hervorgeht.
Auf eine Kündigung folgt eine Klage
Es herrscht also wieder einmal Unruhe am Geißbockheim. Interessant daran: Das Sportliche ist dieses Mal nicht das Thema. Denn während der 1. FC Köln im vergangenen Jahr erst mit dem Rücktritt eines Präsidenten, zwei Trainerentlassungen und schlussendlich mit der Vertragsauflösung eines Geschäftsführers umgehen musste, sind es dieser Tage lediglich die Entlassung eines Abteilungsleiters (Mediendirektor Tobias Kaufmann) und ein Wahlvorschlag des Mitgliederrats (Carsten Wettich als neuer Vizepräsident), die die Schlagzeilen bestimmen.
Hinter diesen beiden Personalien steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet – Kaufmann war seit 2013 im Amt und hatte eine Sonderrolle inne, weil er als Angestellter der KGaA hierarchisch zwar der Geschäftsführung unterstellt war, als Sprecher des Vorstands des Vereins aber gleichzeitig Vereinsinhalte kommunizieren musste. Vor der Vorstandswahl im vergangenen September hatte sich Kaufmann mehr oder weniger deutlich auf die Seite der damaligen Vize-Präsidenten Toni Schumacher und Markus Ritterbach geschlagen und damit das Vertrauensverhältnis zum neuen Vorstand um Werner Wolf merklich belastet. Der Express berichtete unter der Woche, dass auch Vorgänger Werner Spinner den Kommunikationsdirektor bereits einen Rücktritt nahegelegt haben soll. Dieser klagte nun gegen seine Kündigung, ein Rechtsstreit könnte folgen – auch das ein bemerkenswerter Vorgang bei einem Bundesligisten.
Sucht Alexander Wehrle den Konflikt mit dem Vorstand?
Einen großen Fürsprecher hatte Kaufmann offenbar in Geschäftsführer Alexander Wehrle, der sich deutlich gegen eine Entlassung positionierte und in seinem Kollegen Horst Heldt einen Unterstützer fand. Auch mehrere andere Abteilungsleiter protestierten und schickten einen Brief an den Vorstand, über den, wie das in den letzten Wochen meistens der Fall war, zuerst die Bild-Zeitung berichtete. Darin brachten sie ihre Unzufriedenheit über die Kündigung gegenüber dem früheren Journalisten Kaufmann zum Ausdruck. Durch diese Solidaritätsaktion mit ihrem ehemaligen Kollegen, der wie bereits erwähnt auch von den Geschäftsführern unterstützt wurde, erhöhte sich der Druck auf den Vorstand um Werner Wolf. Dieser kann als als Vorsitzender des Vereins, der der einzige Gesellschafter der KGaA ist, solche Entscheidungen fällen, die auch in anderen Wirtschaftsbereichen zum Tagesgeschäft gehören.
Ein Vertrauensbruch zwischen Belegschaft und Geschäftsführung auf der einen und dem Vorstand auf der anderen Seite ist in der aktuellen Situation so ziemlich das Letzte, was der 1. FC Köln gebrauchen kann. Und dennoch sieht es danach aus, als würde ein Großteil des Personals am Geißbockheim den Entscheidungen des Vorstands nicht mehr bedingungslos folgen. Eine entscheidende Rolle in diesem Konflikt scheint Alexander Wehrle zu spielen. Er stellte sich hinter Kaufmann und damit direkt gegen eine Entscheidung seiner Vorgesetzten. Viel wird darauf ankommen, wie Werner Wolf und seine Vizepräsidenten mit diesem Affront umgehen, der ein wenig an eine Meuterei erinnert. Wehrle, der sich innerhalb der KGaA eine solide Machtposition geschaffen hat, profitiert offenbar immer noch von den Leistungen aus der Anfangszeit seiner Anstellung beim 1. FC Köln. Seit 2017 jedoch mehren sich auch die Kritikpunkte an seiner Arbeit. Nun sucht er offenbar unverhohlen den direkten Konflikt mit dem Vorstand.
“Alt-Internationale” stören sich an der demokratischen Satzung
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob es in der internen Organisationsstruktur der KGaA zu weiteren Veränderungen kommen wird – oder ob sich die Position des Vorstands weiterhin schwächt. In jedem Fall wird das Trio an der Vereinsspitze viel kommunizieren müssen, um weitere Eskalationen zu verhindern und das Augenmerk wieder auf die operative Arbeit zu richten, in der wie bereits erwähnt genügend andere Herausforderungen warten.
Denn Werner Wolf, Eckhard Sauren und Carsten Wettich sehen sich derzeit noch bei einer anderen Thematik unter Druck: Den Vorwürfen von Stephan Engels gegen den Vorsitzenden des Mitgliederrats Stefan Müller-Römer folgt nun ein Brief von ehemaligen FC-Spielern und -Funktionären wie Wolfgang Overath, Toni Schumacher und Karl-Heinz Thielen. Auch Bernd Cullmann und Wolfgang Weber schlossen sich dem Schreiben an. Ihre Kritik richtet sich an die Rolle des Mitgliederrats des Vereins, der offenbar eine immer größere Rolle einnähme. Der Express ergänzt: „Die demokratischen Strukturen des Vereins sind ihnen ein Dorn im Auge.” Die einstigen Fußballer fühlen sich um ihre scheinbar wichtigsten Pfründe betrogen: Aufgrund von früheren Leistungen Ämter beim 1. FC Köln übernehmen, dann aber nicht durch Sachverstand und -arbeit auffallen.
Bekommt der Vorstand die Lage in den Griff?
Der derzeitige Präsident Wolf stimmte einem Treffen mit den “Alt-Internationalen” zu, um die Kritikpunkte im Gespräch auszuräumen. Wolf dürfte zwar genügend Argumente auf seiner Seite haben, um die Vorwürfe zu entkräften – mediale Kampagnen insbesondere in der Bild-Zeitung tragen aber nicht dazu bei, die Situation zu beruhigen. Daher wird es spannend zu beobachten sein, wie der Vorstand auch diesen Konflikt moderiert.
Finanzielle Schwierigkeiten und interner Zwist: Die Lage ist angespannt beim 1. FC Köln und das hat nur bedingt mit der Pandemie zu tun. Noch nicht einmal ein Jahr nach der Wahl steht der Vorstand unter enormen Druck. Die Zerreißprobe könnte sogar dazu führen, dass das Trio öffentlich weiter unter Druck gerät und den Rückhalt der Mitgliedschaft verliert. Dann hätte der FC ein ernstes Problem – und die Saison hat noch nicht einmal richtig begonnen.