Für eine kleine Überraschung sorgte Markus Gisdol zum Vorbereitungsauftakt des 1. FC Köln dann doch: Statt seiner über Jahre bekannten Frisur tauchte der Trainer der „Geißböcke“ zum ersten Aufeinandertreffen der anstehenden Saison mit der Mannschaft mit einem sommerlich-frischen Kurzhaarschnitt auf. Doch abseits der optischen B-Note gab es am Geißbockheim vor den anstehenden Leistungstest wenig Überraschendes zu vermelden: Markus Gisdol präsentierte sich gut gelaunt wie eh und je – diesmal dürfte seine äußerst positive Mimik auch der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass der FC seinen Vertrag vorzeitig bis in den Sommer 2023 verlängert hat.
Ein lange erwarteter Schritt, der auch als Zeichen zu werten ist. Als Zeichen des vollen Vertrauens zum 51 Jahre alten Trainer, der trotz der schwachen Leistungen nach der Corona-Pause und zehn Spielen ohne Sieg im Saisonendspurt die Rückendeckung der Entscheider genießt. Als Zeichen, dass der 1. FC Köln nach vielen Turbulenzen und schwierigen Jahren nun Kontinuität an der Seitenlinie einkehren lassen möchte. „Unser Ziel ist es, den FC in der Bundesliga zu etablieren. Entscheidende Voraussetzung dafür ist ein Team, das kompetent und vertrauensvoll zusammenarbeitet und hinter unserem Weg steht“, betonte FC-Geschäftsführer Horst Heldt deshalb auch bei der Verkündung der vorzeitigen Vertragsverlängerung mit dem Trainer, der die „Geißböcke“ in der zurückliegenden Spielzeit in halbwegs ruhiges Fahrwasser geführt hatte.
Umbruch im Kader, Umbruch im Umfeld
Dennoch: So verständlich der Wunsch nach Kontinuität bei der chronisch unruhigen Diva aus der Domstadt auch ist, so lobenswert die nun mit Taten unterfütterte Unterstützung des FC-Frontmanns auch ist, richtig einleuchtend ist die Entscheidung in der derzeitigen Situation nicht. Gisdols Kurzzeit-Kontrakt, den er im November 2019 unterschrieben hatte, verlängerte sich nach dem Erreichen des Klassenerhalts automatisch bis in den Sommer des kommenden Jahres. Bei der derzeitigen Ausgangslage eine völlig ausreichende Situation: Nach der sportlichen Schwächephase zum Saisonende hätte der nicht nur dank Corona chronisch klamme Club abwarten können, wohin sich die Dinge in der anstehenden Spielzeit entwickeln. Dass dieser Schritt nun bei den eigenen Fans angesichts der Auftritte nach der Bundesliga-Unterbrechung und der finanziellen Lage des Vereins Kritik hervorruft, ist nur allzu verständlich.
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Doch der FC setzt für die anstehenden Aufgaben alles auf die Karte Gisdol: Der angestrebte Umbruch im Kader ist im vollem Gange, wenngleich den Entscheidern durch die teilweise grotesk überdimensionierten Verträge aus der jüngeren Vergangenheit an der einen oder anderen Stelle die Hände gebunden sind. Den Umbruch im Team um das Team haben die „Geißböcke“ dagegen schon vollzogen: Mit Moritz Anderten ziehen die Verantwortlichen nach längerer Überlegung einen Sportpsychologen hinzu, schon in der Rückrunde hatte Horst Heldt öffentlich über eine Ergänzung in diesem Bereich nachgedacht. Dazu kommen Umstrukturierungen bei den Physiotherapeuten, wo der langjährige Leiter Klaus Maierstein seinen Posten räumen muss. Nicht nur die Mannschaft soll offensichtlich eine Einheit bilden, auch beim Trainerteam gilt für die „Geißböcke“ dieselbe Maxime.
Ein Risiko, das aufgehen muss
Die Zweifel, ob diese Ausrichtung allerdings Früchte tragen wird, sind groß, beim FC sind viele ob der Erfahrungen aus den vergangenen 25 Jahren gebrannte Kinder. Und auch wenn im langfristigen Vertrag für Markus Gisdol eine Abfindungsregelung vorhanden ist, die den Betrag bei einer möglichen Trennung deckelt, schauen viele Kölner nicht nur auf den Karriereweg des einstigen Hoffenheim- und HSV-Coaches, sondern auch auf die wechselhafte Historie ihres Herzensvereins. Seit 1999 blieben die FC-Trainer im Schnitt etwas weniger als 500 Tage im Amt (ohne Interimslösungen), einzig Peter Stöger, Christoph Daum, Friedhelm Funkel und Ewald Lienen überschritten diese Marke. Sollte Gisdol allein diese Saison als Coach der „Geißböcke“ überstehen, hätte der sympathische Schwabe dies bereits erreicht. Das dürfte allemal wahrscheinlicher sein als die Erfüllung seines Dreijahresvertrages.
Für den FC gilt jedoch erst einmal das Motto, das auch über der Vorbereitung steht: Mutig müsse man sein, verkündete Gisdol angesichts des späten Trainingsstarts. Diesen Mut zeigen die „Geißböcke“ nun auch auf der Trainerposition, wo sie sich mit Haut und Haaren dem jetzigen Coach verschreiben. Das ist in der jüngeren Vergangenheit mehrfach schief gegangen und hat unter anderem für das Kaderchaos gesorgt, das nun am Geißbockheim vorherrscht. Doch in der aktuellen Lage, mit leeren Taschen, aber große Aufgaben, muss der FC das Risiko wohl nehmen. Oder sieht sich zumindest in der Situation, dieses Risiko nehmen zu müssen. Für alle Beteiligten wäre es das Beste, wenn diese Abwägungen aufgehen würden. Wer den 1. FC Köln ein wenig kennt, der weiß: Es wäre überraschender als Markus Gisdols neue Kurzhaarfrisur.