Der 1. FC Köln hat es geschafft. Wieder einmal. Ihm ist es gelungen, sich so zu blamieren, wie man es kaum schlimmer für möglich gehalten hätte. Ein 1:6 bei einem Team, das in der gesamten Rückrunde ein einziges (!!!) Tor im heimischen Weserstadion erzielt hatte. Ganz Fußballdeutschland blickte gestern auf dieses Spiel, in dem die Bremer ihre letzte, hauchdünne Chance nutzen wollten, den direkten Abstieg aus der Bundesliga doch noch zu vermeiden. Und ganz Fußballdeutschland wurde Zeuge einer Blamage allererster Güte.
Dabei hatten die ersten 20 Minuten der Partie ein ausgeglichenes Spiel geboten, in dem die Werderaner zunächst mit der enormen nervlichen Belastung zu kämpfen hatten, die Kölner jedoch in erster Linie mit dem Ball, der nur selten mehr als ein-, zweimal hintereinander den Weg zum eigenen Mitspieler finden wollte. Gleichwohl hatte der FC die erste Großchance des Spiels in personam Anthony Modeste, der mit seinem Schuss aus zehn Metern jedoch am reaktionsschnellen Pavlenka scheiterte (9.).
Nach verteiltem Beginn drei Bremer Tore am Stück
In der 22. Spielminute war es dann soweit: Maximilian Eggesteins Schussversuch fand Yuya Osako völlig ungedeckt im Kölner Strafraum, so dass es für den Ex-Kölner ein Leichtes war, den Ball ins rechte obere Toreck zu schlenzen. Fünf Minuten später war es dann der von keinem Kölner Abwehrspieler zu stoppende Milot Rashica, der zunächst Toni Leistner austanzte und dann einen Flachschuss auf das Kölner Tor abfeuerte. Timo Horn zappelte wie ein Maikäfer, der Ball aber ging zum 2:0 für Werder ins Netz (27.).
Gerade einmal 120 Sekunden waren vergangen, als Marco Friedl eine Flanke aus dem linken Halbfeld in den Kölner Strafraum schlug, wo sich ein Bremer Angreifer der Bewachung durch zwei Abwehrspieler des FC erfreute. Sebastiaan Bornauw duckte sich weg, Rafael Czichos griff nicht ein, so dass Niclas Füllkrug wenig Mühe hatte, zum 3:0-Pausenstand für Werder einzunetzen.
Zur Halbzeit wechselte Markus Gisdol Noah Katterbach und Jan Thielmann für Elvis Rexhbecaj und den Gelb-Rot gefährdeten Mark Uth ein. Es dauerte jedoch nur zehn Minuten, bis der Ball wieder den Weg ins Kölner Tor gefunden hatte. Milot Rashica war wieder einmal durch die Kölner Abwehrreihen spaziert, sein Schuss aus 18 Metern prallte vom rechten Torpfosten zurück, und da kein Kölner Spieler nachsetzte, konnte Davy Klaassen mühelos zum 4:0 einschieben (55.).
Der weitere Bremer Weg zum Kantersieg
Drei Minuten später war es dann Theodor Gebre Selassies präziser Pass in den Rückraum des Kölner Strafraums, der Osako zu seinem zweiten Tor und Werder zur 5:0-Führung verhalf (58.). Rashica war es dann auch, der den Kölner Ehrentreffer durch Dominick Drexler mit einem verunglückten Rückpass einleitete (62.). Wenig später bereitete Rashica dann auf der anderen Seite vor. Nachdem er wieder einmal mehrere FC-Verteidiger ausgetanzt hatte, schob er den Ball im Sitzen zu Joshua Sargent, der das Leder zum 6:1-Endstand an Horn vorbei ins Netz chippte.
Zu erwähnen sei noch, dass Tim Lemperle sein Profidebüt feierte und mit seiner ersten Ballberührung das Bremer Tor nur knapp verfehlte. Auch Claudio Pizarro kam noch zu seinen letzten Einsatzminuten im Werder-Dress, bevor Schiedsrichter Bastian Dankert die Begegnung abfiff.
Marco Höger war die Enttäuschung über das Spiel deutlich anzusehen: “Bremen war von Anfang an bissiger, galliger. Man hat gemerkt, dass es für sie um viel ging und für uns nicht. Wir konnten nicht abrufen, was wir können. Wir haben zwar das Ziel Klassenerhalt geschafft, aber wir müssen im Verein intern aufarbeiten, was passiert ist.”
Gisdol mit versöhnlichen Tönen
Kingsley Ehizibue zeigte sich ebenfalls niedergeschlagen: “Als Team hätten wir die Saison nicht so beenden dürfen. Werder machte das erste Tor, dann haben sie schnell das 2:0 und 3:0 gemacht, da war das Spiel schon fast entschieden. Insgesamt bin ich sehr enttäuscht.”
“Als Team hätten wir die Saison nicht so beenden dürfen.”
Markus Gisdol schlug versöhnlichere Töne an: “Letzte Woche haben wir unser Ziel erreicht, da fällt natürlich etwas der Fokus weg. Dann war die Woche nicht so einfach. Im Detail will ich darauf nicht eingehen. Ich bin aber Mensch genug und weiß, was unsere Mannschaft diese Woche durchgemacht hat. Deswegen werde ich einen Teufel tun und auf meine Mannschaft einhacken. Wir haben kein gutes Spiel gemacht, deswegen war es ein verdienter Sieg für Bremen. Die Mannschaft braucht jetzt körperlich und mental eine Pause. Deshalb werden wir erst Anfang August wieder mit dem Training beginnen, um den Spielern die maximale Pause zu geben.” Auf die Frage eines Journalisten antwortete er: “Ein solcher Saisonabschluss hat aber auf keinen Fall Auswirkungen auf die nächste Saison.”
Erkenntnisse und Fragen
Was bleibt einem FC-Fan nach diesem Spiel? Vielleicht die Erkenntnis, dass es entweder an der Qualität der Spieler oder aber an der des Übungsleiters liegen muss, wenn man nicht nur in diesem Spiel vergebens nach vernünftigen Laufwegen, konsequentem und geschicktem Zweikampfverhalten und längeren Ballbesitzphasen suchen muss. Die Erkenntnis, dass das Kölner Team große Schnelligkeitsdefizite aufweist, ist nicht neu, gibt aber gerade in einem Spiel gegen eine eher biedere Bremer Mannschaft erheblichen Anlass zur Sorge.
Vielleicht bleiben aber auch zwei Fragen: Da ist zunächst die letzte Aussage in Gisdols obigem Statement, die einen ratlos zurücklässt. Keine Auswirkungen auf die nächste Saison? Die Minderleistungen in diesem Spiel wie auch in allen Spielen nach der Corona-Pause sollten zu einem ganz anderen Schluss führen. Und überhaupt: Es war zu lesen, dass sich der Kader des FC ab sofort im Urlaub befindet. Bei anderen Bundesligisten werden die Tage nach dem letzten Spieltag zu zahlreichen Tests genutzt, und dies war auch in früheren Zeiten beim FC so. Ist dies beim aktuellen Kader nicht mehr nötig?
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Und – da wäre noch Alexander Wehrles eigenartige Reaktion auf das 3:0 der Bremer, die so gar nicht zu den Leistungen des 1. FC Köln im Weserstadion passen wollte. Und zu guter Letzt: Die 1:6-Schlappe in Bremen offenbarte alles, aber auch wirklich alles, woran es beim 1. FC Köln krankt. Und genau deshalb war sie ein Offenbarungseid erster Klasse, weil sie wie der Schnitt eines Chirurgen die Wahrheit über die zahlreichen Defizite im FC-Spiel offenlegte – ungeschminkt, schmerzhaft, schonungslos.