Das 123. rheinische Derby war aus Sicht des 1. FC Köln vor allem eines: Ein einfallsloses Spiel, in dem es insbesondere an Emotionen und Kampfgeist zu fehlen schien. Zu Teilen hatte die Mannschaft von Trainer Achim Beierlorzer versucht, Zugriff zum Spiel zu bekommen, doch Gladbach wollte und konnte, während der effzeh nur begleitete. Die Zweikämpfe wurden oftmals zu zaghaft und unentschlossen geführt, Pässe nicht sauber gespielt und vorne war es in letzter Konsequenz einfach zu ungefährlich.
“Wir haben zu viele einfache Fehler gemacht und dadurch den Gegner stark gemacht. Die müssen wir abstellen”, erklärte effzeh-Kapitän Jonas Hector zur kritischen Analyse des blutleeren Auftritts im Duell der rheinischen Rivalen. Keine schöne Erkenntnis, aber phasenweise erschien die Partie wie ein Freundschaftsspiel und konnte den Derby-Charakter kaum einmal präsentieren. Dadurch stellt sich sicherlich die Frage, wieso der effzeh ausgerechnet in dieser Begegnung den Willen, Geist und Zusammenhalt nicht auf dem Platz zeigen konnte.
Gegen den BVB gezeigt, dass es geht!
Ein Blick auf die laufende Saison birgt jedoch auch positive Ansätze: Besonders in Freiburg hatte man nach einem äußerst unglücklichen Eigentor in Rückstand gelegen und vor allen Dingen mit Leidenschaft den Weg zum Sieg gefunden. Zuvor hatte der FC im ersten Heimspiel der Saison gegen den Meisterschaftsanwärter aus Dortmund bereits eine gelungene und couragierte Leistung gezeigt und phasenweise dominiert. Bis in die Schlussphase agierte man auf Augenhöhe, ehe sich die individuelle Klasse der Schwarzgelben durchsetzte.
Besonders auffällig war, dass die Mannschaft sowohl spielerisch, aber insbesondere auch taktisch den richtigen Weg ins Spiel fand und den Vizemeister mit großer Leidenschaft vor teilweise unlösbare Aufgaben stellte. Mit Blick auf die kommende Partie ist dies auch absolut erforderlich, denn am Samstag, pünktlich zum obligatorischen Fassanstich (O’zapft is!) der Wiesn, gastiert der FC in der Allianz-Arena. Tausende Kölner werden vor Ort sein, die Mannschaft nach vorne peitschen und auf dem Rasen eine geschlossene Mannschaftsleistung sehen wollen.
Dennoch könnte die Aufgabe größer nicht sein. Der Aufsteiger der 2. Bundesliga trifft in München auf den amtierenden Meister und Pokalsieger. Die Bilanz der letzten Jahre verheißt nichts Gutes, denn ein Großteil der Partien ging verloren. Doch geht man einmal ein paar Jahre zurück, dann bestehen auch wenige positive Momente, die den Verein und die Fans hoffen lassen. Im Jahr 2009 konnte der effzeh einen 2:1-Auswärtssieg einfahren. Torschützen: DJ Fabrice Ehret und Daniel Brosinski. Ein Sieg, welcher sich in den Köpfen der Fans eingebrannt hat, nicht zuletzt durch den Zeitpunkt an dem doch sonst historisch schwierigen Karnevalswochenende.
Motto muss sein: Mit viel Herz spielen!
Allerdings war die Ausgangslage eine andere, denn der FC kam mit dem Selbstvertrauen von vier ungeschlagenen Partien nach München. Diese Stärke und das Bewusstsein der Mannschaft konnte man regelrecht spüren, denn das Team versteckte sich nicht, sondern spielte munter mit. Ein Spiel, indem der effzeh clever agierte, seine wenigen Chancen nutzte und das nötige Glück besaß. Bezeichnend auch Christoph Daums Aussage nach dem Überraschungscoup beim Rekordmeister: „Meine Mannschaft hat mit unglaublich viel Herz gespielt“, so der damalige Chefcoach.
Genau diese Attitüde müssen die “Geißböcke” am Samstag auf den Platz bringen. Die Mannschaft muss geschlossen ins Spiel gehen und insbesondere jeden Zweikampf annehmen. Lapidares und lethargisches Verhalten wäre fatal und wird nur bestraft. Das weiß auch Kapitän Jonas Hector, der unter der Woche zur Presse sprach: “Wenn wir uns im Zugucken ergeben, haben wir sowieso nichts zu melden. Sonst können wir zu Hause bleiben und die drei Punkte einfach rüberschicken. Wir haben schon vor, ein gutes Spiel abzuliefern und etwas zu entführen.”
“Wenn wir uns im Zugucken ergeben, haben wir sowieso nichts zu melden. Sonst können wir zu Hause bleiben und die drei Punkte einfach rüberschicken!”
Besonders die Offensive über die schnellen Außen mit Serge Gnabry und Kingsley Coman werden dabei Schlüsselpositionen darstellen. Ihre Schnelligkeit und Varianz in den Aktionen werden für die Abwehr eine schwierige Mission sein, die es zu erfüllen gilt. Dazu gesellen sich die vielen weiteren Topstars im Kader des Rekordmeisters, die dem effzeh alles abverlangen werden. Allein Robert Lewandowski als Herzstück der bayrischen offensiven Urgewalt ist hier zu nennen.
Die richtige Reaktion nach der Derby-Enttäuschung zeigen!
Dennoch hat die jüngere Vergangenheit auch eines gezeigt: Nichts ist unmöglich! In der historischen Saison, die am Ende die ersehnte Qualifikation zur Europa League brachte, konnte der effzeh in München punkten. Anthony Modeste sorgte mit einem furiosen Kung-Fu-Kick in Ibrahimovic-Manier für den verdienten Punkt. Bedenkt man einmal Zollers Riesenchance im Duell mit Neuer in der Nachspielzeit, welche er leichtfertig vergab, dann wäre der Auswärtssieg perfekt gewesen. Besonders das Selbstverständnis und Vertrauen in das eigene Spiel war bedeutend, denn der FC startete mit sieben ungeschlagenen Spielen in die neue Saison.
Zuletzt wird der Mut zum Glauben an den Traum mit dem Zeitpunkt des Achtungserfolgs begründet, ebenfalls während des Oktoberfestes im Jahr 2016. Der effzeh hat es also auch selbst in der Hand: Mit einer richtigen Reaktion nach der Derby-Enttäuschung und viel Einsatz kann zumindest der Weg geebnet werden. Das nötige Glück in der einen oder anderen Situation sollte auch dabei sein, das ist klar. “Man kann auf jeden Fall mutig in München auftreten”, gibt Kölns Kapitän Hector die Marschroute vor und nennt das Auftreten von Hertha BSC zum Saisonauftakt als Vorbild.
“Man muss versuchen, das über 90 Minuten zu transportieren. Wenn man weiß, wie die Bayern spielen mit ihrem Ballbesitzfußball und dass es eine sehr spielstarke Mannschaft ist, ist es natürlich schwer, es über 90 Minuten durchzuziehen. Wir müssen nichtsdestotrotz mutig agieren, um die Chance zu haben, etwas mitzunehmen”, so der Nationalspieler. Deshalb dürfen der Verein und die Fans träumen. Und wenn am Ende doch alles passt und der effzeh zumindest einen Punkt holen kann, dann hallt es wieder von den Rängen und über die Theresienwiese: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“.