Mesut Özil hat es nicht geschafft, die deutsche Nationalmannschaft im Turnier zu halten, das kann man dem Spieler von Arsenal London vorwerfen. Nach einem 0:2 gegen Südkorea kann man keinem der Spieler von Joachim Löw mehr bescheinigen als den Satz „Er war stets bemüht“. Die anderen 22 Spieler des Kaders werden aber offensichtlich weniger in die Verantwortung genommen, wenn es darum geht, einen Schuldigen zu suchen. Und das macht mich wütend.
Mesut Özil hat wenigstens versucht, dass es anders kommt. Özil hat gestern 95 Pässe gespielt, von denen 81 ihr Ziel erreichten, er hat 62% seiner Zweikämpfe gewonnen, sieben Torschussvorlagen kreiert – aus dem Spiel heraus! Es hat nur nicht gereicht. Allerdings ist daran nicht einzig und allein Mesut Özil schuld. Er ist Teil einer Mannschaft, „DER Mannschaft“, wie sich die Marketing-Abteilung des DFB gewohnt größenwahnsinnig nennt. Nur war von dieser Mannschaft beim Turnier in Russland wenig bis gar nichts zu sehen. Das hat natürlich auch mit Mesut Özil zu tun. Und mit Toni Kroos, Thomas Müller, Timo Werner, Marco Reus, Joshua Kimmich und wie sie alle heißen. Keiner der Nationalspieler erreichte das Niveau, das Fußball-Deutschland jahrelang gewohnt war.
Mesut Özil: Muss mehr liefern als alle anderen
Doch die Kritik sie konzentriert sich auf Özil. Das war schon öfter so. Immer, wenn es nicht ganz so lief, bekam vor allem Özil sein Fett weg. Das hat zwei Gründe. Mesut Özil ist ein besonderer Spieler, einer, der mit dem Ball Dinge tut, die kaum einer kann, einer, der Räume erkennt, bevor sie da sind. Ein Unterschiedsspieler – man möge mir diese Phrase verzeihen. Aber das ist Özil. Er ist im deutschen Spiel zuständig für die besonderen Momente, für die entscheidenden Pässe, für das letzte Drittel. Zudem wirkt Özil schon immer etwas phlegmatisch. Die Zahlen sprechen da seit jeher eine andere Sprache, doch Özils Spiel wirkt manchmal einfach etwas lustlos. Diese zwei Gründe sorgen für starke Kritik, wenn der Star mal nicht liefert, was von ihm erwartet wird. Weil von ihm mehr erwartet wird als von anderen.
Doch jetzt gibt es noch einen dritten Grund. Und der widert erst richtig mich an. Man kann ja der Meinung sein, dass Özil weit unter seinem möglichen Niveau spielt, man kann sogar der Meinung sein, Mesut Özil sei ein völlig überschätzter Spieler, der das, was man ihm zuschreibt, eigentlich gar nicht zu leisten im Stande ist. Kann man alles sagen. Kann man auch wunderbar drüber diskutieren, darum lieben wir diesen Sport doch so. Weil wir verschiedener Meinung sein können. Weil wir über Fußball streiten wollen. Weil wir gemeinsam Emotionen durchleben können.
Hass und Rassismus gegenüber Mesut Özil: Unerträglich!
Eine Emotion, die im Fußball nichts zu suchen hat, ist Hass. Wo überhaupt hat Hass etwas zu suchen? Was soll das? Was, außer Hass auf sich selbst, bringt einen Menschen dazu, zu hassen? Dieser Hass schlägt Mesut Özil gerade mit voller Wucht entgegen. Und es ist noch schlimmer. Es ist ein Hass, der sich darauf stützt, dass Mesut Özil türkische Eltern hat. Der in Gelsenkirchen (!) geborene Mesut Özil gehöre nicht in die deutsche Nationalmannschaft, heißt es plötzlich. Ich will gar nicht weiter darüber schreiben, was da alles so geplärrt wird. Es ist für mich schlicht unerträglich. Es hat mit dem Sportler Mesut Özil nicht im Ansatz etwas zu tun.
Ja, Özil und Ilkay Gündogan haben mit ihrem Treffen mit dem türkischen Despoten Erdogan einen großen Fehler gemacht. Sie haben danach nicht angemessen reagiert, die Tragweite ihres Handelns bis heute wohl nicht verstanden. Doch beide sind dabei auch vom DFB sträflich allein gelassen worden. Ein Verband, der so perfekt sein will, dass es schon wehtut.
DFB und Gesellschaft müssen sich hinterfragen
Ein Verband, dessen Marketing-Maschinerie bei jeder Kleinigkeit bis zur letzten Schraube geölt angeworfen wird. Dieser Verband war nicht in der Lage seine Spieler zu schützen. Und das muss man diesem Verband vorwerfen. Die Presse-Abteilung, das Marketing, Oliver Bierhoff, Joachim Löw, sie alle müssen sich selbst und ihr Handeln hinterfragen. Und zwar gleich zwei Mal. Ein Mal nach dem Fehler ihrer Spieler und dann gleich nochmal, nachdem rassistisch motivierte Kritik auf diese beiden einprasselte. Die Schweden haben es vorgemacht, wie man mit rassistischen Anfeindungen umgeht.
Aber genug vom Ärger auf den ach so perfekten DFB. Zurück zum gesellschaftlichen Problem. Es ekelt mich an, dass ich 2014 womöglich mit Menschen zusammen gejubelt habe über eine fantastisch spielende deutsche Nationalmannschaft, die jetzt ihrem Fremdenhass freien Lauf lassen. Es macht mich betroffen, dass so etwas im Jahr 2018 immer noch da ist. Mesut Özil ist ein Mensch. Denkt da mal drüber nach. Ich geh derweil kotzen.