Für das Ende von Jörg Schmadtke beim 1. FC Köln gibt es Gründe. Ob die Trennung für den Club ein Schrecken ohne Ende wird, muss die Zukunft zeigen. Ein Kommentar.
Auf einen Schlag ist der 1. FC Köln wieder der Chaosklub, den viele in der Bundesliga so lieben. Und nahezu alle effzeh-Fans mit inbrünstiger Abscheu in die Hölle geschickt wissen wollten. Die Wege der „Geißböcke“, ohne Sieg Tabellenschlusslicht der Bundesliga, und ihres Sportgeschäftsführers Jörg Schmadtke trennen sich mit sofortiger Wirkung. Nicht nur von außen ein surrealer und unerwarteter Schritt – trotz der aufflammenden Kritik in den Medien, trotz „Schmadtke raus“-Rufen beim Auswärtsspiel in Baryssau, trotz der sportlichen Misere.
Schmadtke seit 2016: Spürnase mit Schnupfen
Denn die Fakten sind eindeutig: Unter Schmadtke hat der 1. FC Köln einen nahezu unglaublichen Aufschwung hingelegt, entwickelte sich vom Zweitligisten zum Europapokal-Teilnehmer. Wichtige Stützen der Mannschaft wurden langfristig gehalten, Transferüberschüsse wurden erwirtschaftet. Zu den Fakten zählt aber auch: Seit dem Transfer von Anthony Modeste nach Köln ist dem Sportboss, der zuvor mit traumwandlerischen Sicherheit die richtigen Entscheidungen fällte, kein Volltreffer mehr gelungen.
>>> Analyse aus dem Oktober 2016: Spürbar Schmadtke
Im Gegenteil: Schmadtkes Spürnase schien seit Sommer 2016 ziemlich unter Schnupfen zu leiden. Statt – wie oft zuvor – kreative Lösungen zu finden suchte der einstige Bundesliga-Torwart zunächst fast ausschließlich in heimischen Gefilden, um beispielsweise Konstantin Rausch oder Artjoms Rudnevs zum effzeh zu lotsen. Offensichtliche Baustellen wie das defensive Mittelfeld oder die offensive Außenbahnen wurden entweder gar nicht bearbeitet oder nach wochenlangem Buhlen um den Wunschspieler einfach ohne Plan B brachliegen gelassen.
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
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Die sportliche Bilanz in dieser Saison spricht Bände – all die kleineren Nachlässigkeiten und Verfehlungen fallen dem effzeh aktuell auf die Füße. Vieles, was insbesondere der fünfte Platz in der Vorsaison und die Euphorie nach der Qualifikation für den Europapokal übertüncht hatte, wird derzeit augenscheinlich. Die Fassade bröckelte schon lange, die Transferperiode im Sommer ließ mehr als zu wünschen übrig. Im Hickhack um den Modeste-Transfer wirkte Schmadtke, der in Köln noch einen Vertrag bis ins Jahr 2023 besaß, längst nicht mehr so souverän wie gewohnt. Das prall gefüllte Portemonnaie nutzte er für 30-Millionen-Einkäufe, die das Team kurzfristig keinen Schritt nach vorne brachten.
Schmadtke: Alleingänge, Egotrips und Beratungsresistenz
Es passt ins Bild, das sich schon seit geraumer Zeit unter der Hand am Geißbockheim über das eigenbrötlerische Wirken Schmadtkes beschwert wurde. In- wie extern mehrten sich zunehmend Stimmen, die über Alleingänge und Egotrips berichteten. Von Beratungsresistenz war sogar die Rede. Sein einstiger Intimus Jörg Jakobs: Still und heimlich von der rechten Hand des Sportchefs Richtung Nachwuchs degradiert. Sogar die Beziehung zu Peter Stöger, immer als vorbildlich und nahezu freundschaftlich beschrieben, kühlte merklich ab: Im Sommer soll es mehrfach zu Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Kaderplanung gekommen sein.
>>> Stöger, Schmadtke und die Krise: Über den Umgang mit Fehlern
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Ob Schmadtke letztlich seine Haltung zu einer möglichen Entlassung des in Köln trotz der sportlichen Misere äußerst beliebten Trainers zum Verhängnis wurde, bleibt ebenso im Dunkeln wie mögliche Zerwürfnisse mit dem in der jüngsten Vergangenheit betont diskret agierenden Vorstand oder dem mächtigen Aufsichtsrat um REWE-Boss Lionel Souque. Eines scheint sich aber heraus zu kristallisieren: Schmadtke angesichts seiner Transferbilanz im Winter eine weitere, dringend notwendige Shoppingtour zu gestatten schien offenbar den Entscheidern am Geißbockheim zu heiß geworden zu sein.
Das Ende des Schreckens
Zwei Punkte aus neun Spielen, peinlich-bittere Auftritte bei der Europapokal-Rückkehr und ein unausgewogener Kader mit eklatanten Schwächen: Als Verantwortlicher für den sportlichen Bereich beim 1. FC Köln muss Jörg Schmadtke auch für diese miserable Situation gerade stehen. So manche öffentliche Äußerung in den letzten Wochen schien nicht davon zu zeugen, dass er dies (ganz im Gegensatz zu Peter Stöger beispielsweise) verinnerlicht hat. Dass der mächtige Sportboss letztlich den Hut nehmen muss, dürfte erst einmal ein Ende des Schreckens sein. Ob es zu einem Schrecken ohne Ende werden wird, das muss rund um den 1. FC Köln die Zukunft zeigen.