Der 1. FC Köln verliert auch in Borisov und erstmals in dieser Saison gibt es Kritik aus der Kurve. Dass Peter Stöger diese nicht verstehen will, ist nicht klug und bringt den Trainer in eine gefährliche Position. Ein Kommentar.
Zehn Niederlagen aus elf Spielen – das ist die ernüchternde Liga- und Europapokal-Bilanz des 1. FC Köln tief im Oktober. Dabei hätte alles doch so schön sein können. Erstmals nach 25 Jahren qualifizierten sich die Kölner wieder für den Europapokal – und diese Euphorie konnten auch die ersten Niederlagen nicht bremsen. Als der 1. FC Köln zum ersten Europapokal-Spiel seit einer gefühlten Ewigkeit nach London reiste, wurde er von 20.000 verrückten Kölner Fans begleitet, rund 10.000 schafften es sogar ins Emirates und verwandelten das Arsenal-Stadion und die halbe Stadt in eine rheinländische Festung. Einen Sieg gab es trotzdem nicht.
>>> Spielbericht: 1. FC Köln verliert auch in Borisov
Insgesamt durften die Kölner Anhänger in dieser Spielzeit ohnehin erst vier Saisontore bejubeln – das entspricht durchschnittlich 0,36 Toren pro Spiel. Eine erbärmliche Bilanz für ein Profi-Team, eine erbärmliche Bilanz für einen Trainer. Und für die Anhänger ganz hartes Brot: Nur alle 247,5 Minuten durften sie einen Treffer der Geißböcke bejubeln, pro Tor sind also fast drei Stadionbesuche notwendig. Das kostet nicht nur Nerven, sondern die Auswärtsfahrer auch eine Stange Geld.
Trotz tiefer Krise: Die besten Fans der Welt
Dennoch war die Unterstützung der Anhänger in dieser tiefen Krise besser als jeder Verein der Welt es sich hätte wünschen können. Keine Pfiffe, kein Gepöbel – die Kölner Anhänger feierten ihre Mannschaft auch nach den zahlreichen Gegentoren, nach jeder neuen Pleite. Zu stark ist die Bindung, die sich zwischen Anhängern und ihrem Team in den letzten erfolgreichen Jahren entwickelt hat.
So war es nun auch in Borisov. Rund 1000 Kölner Anhänger hatten sich Urlaubstage genommen, Geld zur Seite gelegt und die stundenlange Tour nach Weißrussland auf sich genommen. Einen furiosen Sieg gegen das in den letzten Jahren regelmäßig in der Champions League antretende BATE hat von diesen tausend Fans sicher kein einziger erwartet. Doch was die mitgereisten Anhänger dann von Peter Stöger und seiner Mannschaft präsentiert bekamen, ließ auch bei den hartgesottensten schließlich den Geduldsfaden reißen.
Als der 1. FC Köln zu Beginn der zweiten Halbzeit erneut ein überaus peinliches Gegentor kassiert hatte, war er plötzlich weg, der Glaube daran, dass es diesmal besser werden könnte, dass es diesmal den ersten Sieg geben könnte. Die Spieler schlichen wie geprügelte Hunde über den grünen Rasen, die Fans blieben zunächst fassungslos still. Kurz darauf hörten die Zuschauer in der Borisov Arena noch einmal Anfeuerungsrufe, dann kippte im Kölner Block schließlich der Schalter um.
Fans skandieren: “Wir wollen Euch kämpfen sehen!”
„Wir wollen Euch kämpfen sehen“, skandierten die tausend Kölner Kehlen plötzlich. Jörg Schmadtke geriet gesondert ins Visier: „Schmadtke raus“, schallte es aus dem Block. Der Kölner Geschäftsführer hat mit seiner Transferpolitik für viel Unmut unter den Anhängern gesorgt. Dass sich die ersten Pfiffe ebenfalls dazu mischten, ist kaum erwähnenswert. Eine Veränderung auf dem Platz brachte das freilich auch nicht: Die Kölner Kicker waren zwar stets bemüht, doch gefährlich vor das gegnerische Tor kamen sie kaum. Zu groß waren die Mängel in Schuss- und Pass-Qualität der mit einigen Ersatzspielern bestückten Elf.
„Die haben es auch satt zu verlieren. Aber das haben wir auch. Wir müssen sehen, dass wir die Fans schnell wieder ins Boot holen“, erkannte der nun einige Jahre in Köln spielende Innenverteidiger Dominic Maroh den Ernst der Lage und zeigte Verständnis für den Kölner Anhang. Auch der attackierte Geschäftsführer war um eine besonnene Reaktion bedacht. „Dass auch Rufe gegen mich dabei waren, macht nichts mit mir“, erklärte Schmadtke nach der Partie. „Sowas möchte man nicht haben, aber es ist das gute Recht der Fans. Man sollte das nicht auf die Goldwaage legen.“ Anders äußerte sich da Marco Höger. „Dass man unzufrieden ist, klar“, erklärte der Mittelfeldmann. „Aber der Satz: ‘Wir wollen Euch kämpfen sehen’ ist deplatziert. Wenn wir eins nicht machen, ist es aufgeben.“ Und auch der Trainer, der trotz einer unfassbaren Pleiten-Serie stets die Unterstützung der Anhänger genossen hat, zeigte auf der Pressekonferenz sein Unverständnis. „Keine Frage, wir sind enttäuscht“, erklärte der Österreicher. „Den Vorwurf, dass wir nicht gekämpft haben, verstehe ich nicht.“
>>> effzeh-Live: Stöger versteht Kritik der Fans nicht
[interaction id=”59e76b35bb74a40001557ad0″]Nun mag die Interpretation, was „Kampf“ denn bedeutet, durchaus unterschiedlich ausfallen. Ob das, was der effzeh in Borisov ablieferte, allerdings genug ist, um sich selbst eine kämpferische Einstellung zu attestieren, sei einmal dahin gestellt. Es ist aber eigentlich auch komplett egal. Denn nach der zehnten Niederlage, nach einer derartigen Tortur für die mitgereisten Anhänger, haben Trainer und Spieler für die erneute Pleite eigentlich nur zu Kreuze zu kriechen, statt trotziges Unverständnis für die treusten Fans, für die sie jemals arbeiten und spielen werden, zu äußern. “Wir brauchen die Fans in der Kurve, am Sonntag mehr denn je”, weiß auch Dominic Maroh, der den FC als Kapitän aufs Feld führte.
Peter Stöger: Der schmale Grat
Stöger sieht das offensichtlich anders. Der 51-Jährige, der zu Beginn seiner Amtszeit noch ein enges Verhältnis mit den Fans pflegte, sich seitdem aber kontinuierlich von der Kurve entfernt zu haben scheint, sollte bis Sonntag also durchaus einmal darüber nachdenken, ob ihm noch ein Trainer einfällt, der trotz derartiger Leistungen eine solche Unterstützung erfahren hat. Und ob es daher nicht angebrachter wäre, die Kritik einfach hinzunehmen, sich für die erneute Niederlage zu entschuldigen und Verständnis für den Frust der weit gereisten Anhänger zu zeigen. Denn ohne diese Fans wäre der Österreicher vermutlich jetzt schon arbeitslos.
Mit seiner Haltung begibt er sich nun jedoch auf einen ganz schmalen Grat. Es bleibt nur, zu hoffen, dass die Interpretationen von Trainer und Anhängern darüber, was “Kampf” ist, am Sonntag gegen Werder Bremen nicht noch einmal so weit auseinander gehen. “Ich bin zu hundert Prozent überzeugt, dass die Jungs am Sonntag wieder alles abliefern werden”, sagt Stöger. Sollten sie auch. Denn die Auseinandersetzung mit den Fans hat in Köln noch keiner gewonnen. Besser wäre es also, wenn es gar nicht erst so weit kommen würde.