So richtig fassen kann man es immer noch nicht, aber es stimmt: Am Donnerstag tritt der effzeh bei Arsenal an! In einem Pflichtspiel!
Okay, Niederlagen tun weh. Niederlagen gegen Möchengladbach, Hamburg und Augsburg tun weh. Der Abgang von Anthony Modeste tut weh. Der letzte Platz, auf dem sich der 1. FC Köln nach dem schlechtesten Saisonstart seit 14 Jahren wiederfindet, tut ebenfalls weh. Aber irgendetwas ist anders dieses Mal. Es ist diese Vorfreude auf ein Ereignis, das es in dieser Form noch nie gegeben hat und das so schnell auch nicht wieder kommen wird, die alles ein wenig verändert.
In zwei Tagen wird der 1. FC Köln in London gegen den Arsenal Football Club antreten und es wird kein Freundschaftsspiel sein. Beide Mannschaften haben sich sportlich für den Wettbewerb qualifiziert, in dessen Rahmen das Spiel stattfindet – in Köln feierte man dies monatelang, in London quittierte man es eher mit Kopfschütteln. Naja, muss jeder selbst wissen!
AFC & effzeh: Zwei völlig gegensätzliche Ausgangslagen
Dass man in London jetzt nicht freudestrahlend den fünften Tabellenplatz feierte, ist schon verständlich, schließlich gehörte der Arsenal Football Club über mehr als 20 Jahre zu den besten vier Vereinen in England – letztmals lief man in der Saison 1995/1996 als “enttäuschender” Tabellenfünfter ein. In der vergangenen Saison war es dementsprechend erst das zweite Mal unter Manager Arsène Wenger, dass man sich nicht für die Champions League qualifizieren konnte – dort gehört Arsenal seit Einführung des Wettbewerbs im Jahr 1992 eigentlich schon seit zwanzig Jahren zum Establishment.
Für beide Vereine ist die Teilnahme an der Gruppenphase in der Europa League Neuland und die Stimmungskurven könnten gegensätzlicher nicht sein. Während in der Londoner Metropole der Unmut über die Management-Fähigkeiten von Arsène Wenger wächst, wird Peter Stöger bestimmt irgendwann noch ein Denkmal gebaut werden für das, was er in der vergangenen Saison erreicht hat.
Arsenal gerade so ein würdiger Gegner
Erstmals seit dem 30. September 1992 (der Verfasser des Textes war zu diesem Zeitpunkt froh, einigermaßen fehlerfrei mit dem Löffel zu essen) darf der 1. FC Köln nämlich wieder ein echtes Spiel auf internationaler Ebene bestreiten. Nach der 0:3-Niederlage im Rückspiel der 1. Runde gegen Celtic verlor sich die Spur der “Geißböcke” auf internationaler Ebene, ein paar Abstiege und eine Fast-Insolvenz später ist der Verein jetzt allerdings wieder da, wo er dem Selbstverständnis der Fans nach auch hingehört: im internationalen Geschäft.
Dass dort zum Auftakt gleich ein Gegner vom Kaliber des AFC wartet, kommt für viele Kölnerinnen und Kölner daher mehr als gelegen – ein profanes Spiel gegen einen x-beliebigen Gegner wäre dem Umstand ja auch nicht angemessen genug. Im modernen Fußball hat der 1. FC Köln noch gar kein Spiel in einem UEFA-Wettbewerb bestritten, da die Champions League als Königsklasse des europäischen Fußballs ja erst in der Saison 1992/1993 frisch eingeführt wurde – es ist somit der Anbruch einer neuen Zeitrechnung in Köln, in der man sich endlich wieder in der Moderne angekommen wähnt.
Statt Aue oder Sandhausen: Es geht nach London!
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in dieser Woche Heerscharen von Kölner Fans den Weg oberhalb oder unterhalb des Ärmelkanals angetreten haben, um mit oder ohne Karte den Auftritt des ruhm- und glorreichen 1. FC Köln in London zu verfolgen. Alleine der Gedanke, in einer Weltstadt wie London die Farben des Vereins vertreten zu dürfen, sorgt für viele Schwindelattacken bei langjährigen Fans, deren durchschnittliche Auswärts-Erfahrung ein Montagabendspiel in Aue zu Zweitliga-Zeiten war.
Von daher dürfte es nur wenig überraschen, wenn am Donnerstag ein paar Tränen fließen, schließlich wird man seinen Kindern noch davon erzählen, dass man dabei war oder zumindest am Fernseher zugeschaut hat, wie der 1. FC Köln im Emirates gegen Arsenal gespielt hat.
Arsenal Anfang des Jahrtausends: Pure Schönheit mit Henry
Mit dem kommenden Gegner verbindet zumindest der Autor eigentlich viele positive Erinnerungen: Die Einführung des “Wenger-Balls”, das Spielen mit wenig Kontakten, aufregende Spieler wie Thierry Henry oder Patrick Vieira oder DENNIS BERGKAMP, dazu das mystische Spieljahr 2003/2004, in dem Arsenal ohne eine einzige Niederlage zum Meister gekrönt wurde – bis heute absoluter Rekord.
Die Tore des Franzosen Henry im altehrwürdigen Highbury, geschossen im unnachahmlich schönen Bordeaux-Rot der schlicht gehaltenen Nike-Trikots gehören mit Sicherheit zu den besseren Erinnerungen an die Fußball-Jugend des Verfassers. Wesentlicher Ansatzpunkt für eine Sozialisation mit dem Verein Arsenal ist natürlich Nick Hornbys Fußball-Roman “Fever Pitch”, einer berührenden Hommage an den Fußball, das Fan-Sein und den AFC als solchen – als Fußball-Fan muss man nicht viele gute Bücher gelesen haben, doch dieses gehört definitiv dazu.
https://www.youtube.com/watch?v=Ro00WwYB-RM
Ein Weltverein trifft auf die Ulknudel aus der Domstadt
Von fast schon dramatischer Schönheit ist das Video, das Thierry Henry und das letzte Tor im Highbury zeigt – ein absoluter Weltklasse-Spieler erzielt in seinem Wohnzimmer das letzte Tor. Weichen musste Highbury aufgrund der wirtschaftlich orientierten Zwänge eines Top-Vereins wie Arsenal, der sich langfristig im finanziellen Kräftemessen nur bewähren kann, wenn er ein modernes Stadion hat – denselben Flair wie das altehrwürdige Stadion hat das Emirates allerdings niemals erreicht. Somit ist der Wegzug aus Highbury im übertragenen Sinne auch der Übergang in die Epoche des hoffnungslos durchkommerzialisierten Fußballs, dessen Existenz man zwar lange Zeit nicht leugnen, mit dem Verbleib in Highbury aber ein wenig hinauszögern konnte.
Am Donnerstag treffen 13 englische Meisterschaften und 13 Pokalsiege auf drei deutsche Meisterschaften und vier Pokaltitel – auch in Bezug auf das fußballerische Leistungsvermögen dürfte die Favoritenrolle des AFC relativ deutlich werden. Unabhängig vom sportlichen Ergebnis wird es jedoch ein Tag werden, den viele effzeh-Fans niemals vergessen – mit mehr als 10.000 Gleichgesinnten dabei zu sein, wenn der Verein aus der Domstadt die Klingen kreuzt mit einem Weltverein wie Arsenal.
Dieser Tag wird niemals wiederkehren
Fußball definiert sich in erster Linie über Emotionen und es ist gut so, dass dieser Teil des Lebens irrational verläuft. Denn irrational ist es auch, die Strapazen einer Anreise auf sich zu nehmen, völlig überteuerte Pints und Pies zu sich zu nehmen und Teile seines Urlaubs dafür zu verbraten, unter der Woche nach England zu reisen. Doch wie bereits erwähnt: Dieser Tag wird niemals wiederkehren. Lasst ihn uns deshalb zu einem besonderen machen!