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Meinung

Journalismus und Fußball: Das schwindende Korrektiv

Der Kampf um die Deutungshoheit im Fußball zwischen Vereinen und Journalisten erhält durch die Nutzung vereinseigener TV-Sender eine neue Dimension, weil diese nicht nur zu Werbezwecken, sondern auch zur informellen Abschottung genutzt werden.

Foto: Dennis Grombkowski/Bongarts/Getty Images

Die gesellschaftliche Bedeutung von Journalismus droht nicht nur in der Politik, sondern auch im Profisport nachzulassen. Der Kampf um die Deutungshoheit im Fußball zwischen Vereinen und Journalisten erhält durch die gezielte Nutzung und Verbreitung vereinseigener TV-Sender eine neue Dimension, weil diese nicht nur zu Werbezwecken, sondern auch zur informellen Beschaffung und Abschottung genutzt werden.

Das Verhältnis zwischen politischen Amtsträgern und Medien ist oft ein schwieriges Zweckbündnis. In Deutschland manifestiert sich dies durch die Weisheit, dass jemand, der es in der Politik zu etwas bringen will, zwar mit dem Fahrstuhl der Bild nach oben fahren, jedoch auch schnell wieder abstürzen kann. Viele Politiker haben diese Erfahrung gemacht, Christian Wulff brachte es sogar zum Bundespräsidenten. Als er Kai Diekmann dann in Amt und Würden auf der Mailbox bedrohte, begann sein fulminanter Absturz. Die “Wulff-Affäre” dauerte drei Monate, vom Dezember 2011 bis zum Rücktritt Wulffs im Februar 2012.

Obwohl diese Vorgänge gerade einmal fünfeinhalb Jahre zurückliegen, hat sich die Medienrezeption der industrialisierten Weltbevölkerung enorm verändert. Wegen der intensiven Verbreitung von Smartphones und damit einhergehend von Apps wie Facebook, Twitter, Instagram und co. rezipieren Menschen Nachrichten anders. Ihre Aufmerksamkeitsspanne sinkt erheblich, Bilder und Videos werden intensiver als Quelle genutzt als ausführliche Analysen – zumal letztere auch erst einmal gefunden werden müssen. Die sozialen Netzwerke ermöglichen es Unternehmen oder berühmten Personen zudem, ihre Auskünfte ungefiltert in die Welt hinauszuposaunen. Was früher der befreundete Journalist übernahm, wird heute in 140 eigens getippten Zeichen auf Twitter erledigt. Die Eigenvermarktung findet somit kostenfrei und zeitgleich so intensiv wie nie statt.

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Das ermöglicht es einerseits, dass Infos schneller verbreitet werden und Sachverhalte schneller an Bedeutung gewinnen können. Gefährlich – und am schwierigsten fassbar – sind aber die vielen Grauzonen, die in diesem Gemengelage entstehen, denn eine reine Wahrheit gibt es nicht. Auch verschiedene Darstellungen eine Sachverhalts können der Wahrheit entsprechen – nur eben unter Ausschließung und verschiedener Gewichtung bestimmter Details. Und je nach Machart gibt es auch die Möglichkeit, gezielte Falschinformationen zu verbreiten. Eine Mischung aus letzterem und Sachinformationen nennt man Propaganda.

Donald Trump treibt dies auf die Spitze, indem er Journalisten drangsaliert und aussperrt. Lieber wendet er sich via Twitter direkt an seine Fanbasis. Dort ist es angenehmer für ihn, er muss, weil er politische Gegner blockiert hat, keine Kritik lesen. Und da ein Präsident immer auch repräsentative Funktionen des ganzen Landes übernimmt, wird dieser schon nicht lügen. Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Ausschusses im US-Repräsentantenhauses, der Republikaner Lamar Smith, empfahl deswegen: “It’s better to get your news directly from the President. In fact, it might be the only way to get the unvarnished truth.” Na, ob das wirklich so gut ist?

Capitol Hill oder Säbener Straße?

“Hier kriegt man wirklich die neuesten News und vor allem die News, die gesichert der Wahrheit entsprechen.” Das sagte nicht etwa ein Republikaner im US-Kongress, sondern Karl-Heinz Rummenige, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München – über den klubeigenen Fernsehsender fcb.tv. Das Jahr 2016 sei ein schwarzes Jahr für den Journalismus gewesen, ergänzte er. Als Belege für diese These führte er den Brexit und die US-Wahl an sowie den Umgang der Medien mit Pep Guardiola. Wo genau der Zusammenhang bestehen soll, ist bis heute nicht klar. Alle Berichte über die Pläne einer Europäischen Superliga, für die Rummenigge seit Jahren trommelt, seien allerdings “Fake News”.

Echte Journalisten, die ausgiebig recherchieren und sich kritisch mit verschiedenen Themen auseinandersetzen, sind nicht nur für Rummenigge lästig: Beim kürzlich abgestürzten Nachbarverein TSV 1860 München gab es im Laufe der letzten Saison gleich mehrere Eklats in Bezug auf die Berichterstattung. Im November 2016 sprach der damalige Zweitligist ein Hausverbot für diverse Journalisten aus, angeblich hätten sie unfair über die Entlassung Kosta Runjaic’ berichtet. Zwei Monate später wurden “Bild”, “tz” und dem “Münchener Merkur” mit ähnlicher Begründung die Dauerakkreditierung für Heimspiele entzogen – ein einmaliger Vorgang, der sogar den Bayrischen Journalistenverband auf den Plan rief.

1860 München als abschreckendes Beispiel

Im März verweigerte man auf einer Pressekonferenz Auskünfte gegenüber zwei Journalisten der Bild, diese verließen diese schließlich aus Protest. Die Folge war eine breite Solidarisierung zwischen den Journalisten und sogar ein Statement der DFL, in dem 1860 empfohlen wurde, “ein professionelles Miteinander” zu pflegen. Der Investor von 1860, Hasan Ismaik, wählt seit langem Facebook als Medium aus, um sich an die Öffentlichkeit zu wenden – ohne lästige journalistische Umwege.

Foto: Johannes Simon/Bongarts/Getty Images

Die Möglichkeit, eigene Angestellte über das Geschehen im Verein berichten zu lassen, kappt die journalistische Filterfunktion. Arbeitnehmer riskieren ihren Job, wenn sie sich öffentlich kritisch über ihren Arbeitgeber äußern. Oder sie stellen einfach nur eine falsche Frage. Als der FC Bayern im Jahr 2008 einen glücklichen 1:0-Sieg über den KSC errang, fragte ein Mitarbeiter des damals vergleichsweise lächerlich kleinen FCB-TV Uli Hoeneß, ob man heute die “Dusel-Bayern” erlebt habe. Hoeneß Antwort lautete: “Sie sind wirklich von FC-Bayern-TV? Sie müssen sich in der nächsten Woche einen neuen Job suchen.” Auch wenn der damalige Mediendirektor Markus Hörwick die Wogen glätten konnte, zeigt dieser Vorfall, wie der Hase läuft. Bei einem falschen Wort kann man auf der Straße sein, von heute auf morgen. Also hält man lieber die Klappe, oder?

Zwischen Information, Geldscheffelei und Propaganda

Vereinseigene Medien haben eine immense Reichweite, die die von Zeitungen lachhaft wirken lässt. Die Facebookseite des FC Bayern besitzt 42,3 Millionen Facebook-Likes, die der “Münchener Tageszeitung” (“tz”) hat gerade einmal knapp 41.000. Warum sollte man diese Möglichkeiten nicht auch nutzen? Die Potentiale der deutschen Vereine sind im Marketingbereich nicht einmal ansatzweise ausgereizt. Je mehr Menschen man erreicht, desto mehr kaufen Merchandisingprodukte.

Wohin der Weg führt, zeigt ein Blick auf den englischen Pfad. Jürgen Klopp erklärte kürzlich begeistert im “kicker”, dass beim FC Liverpool ein klarer Unterschied zwischen Unternehmen und Fußballverein besteht, er arbeite klar für letzteren. Es sei, so Klopp, bei aller finanziellen Gewinnmaximierung durch die Marketingabteilung aber dennoch faszinierend, wie viele Leute man durch sie erreiche: “Wir haben 580 Millionen Fans. LFC-TV macht ein sensationelles Programm. 30 Millionen wollen das sehen. Das ist unglaublich.”

Die Premier League gilt in vielerlei Hinsicht als vorbildhaft für die Bestrebungen in Deutschland. Die absurden TV-Einnahmen werden hierzulande neidisch beäugt, die Umsätze sind vergleichsweise schwindelerregend hoch und im Bereich des Marketings setzen englische Klubs Maßstäbe, die auf dem europäischen Festland nur wenige Konkurrenten erfüllen können.

Fiese Praktiken aus England

Vor allem nehmen sie im Umgang mit der Presse aber eine Vorreiterrolle ein. Sie schotten sich ab. Missliebigen Journalisten entzieht man die Akkreditierung, man verwehrt den Zugang zum Vereinsgelände. Interviewanfragen werden mit einem Verweis auf ein bereits existierendes Gespräch abgewiesen – ein Gespräch, das im Klub-TV geführt wurde. In Newcastle ließ Klubeigentümer Mike Ashley nicht nur eine Bataillon von Journalisten draußen, sondern gewährte dem “Daily Mirror” ein Exklusivinterview mit dem damals neuen Trainer Steve McClaren.

Die Sache hatte jedoch einen Hintergrund: Ashleys Firma ließ Anzeigen im Daily Mirror im Wert von 550.000 Euro schalten, die Zeitung erwarb wiederum für 350.000 Euro Werbeflächen auf den Banden bei Jugendspielen. Talks for money, that’s the deal. Das ist jedoch kein Journalismus, das ist das Ausnutzen von Abhängigkeiten. Fußballvereine sind sich im besten Bewusstsein darüber, dass sie am längeren Hebel sitzen. Will der Journalist seinen Job behalten und Inhalte vom Verein bekommen, sollte er also aufpassen, dass er sich nicht zu kritisch gegenüber dem Klub äußert.

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