Zwei Wochen dauert die Winterpause bereits an – und unser Autor dreht jetzt bereits durch. Der Versuch, einen Ersatz für die Droge namens effzeh zu finden.
Für einen kurzen Augenblick war es wieder da. Dieses Gefühl. Dieses Zittern. Dieses Mitfiebern. Noch wenige Sekunden auf der Uhr. Wo bleibt der Abpfiff? Bringen die da unten etwa den knappen Vorsprung gegen einen favorisierten Gegner über die Zeit? Und warum zur Hölle haut der Typ das Ding nicht einfach weg? Als die Schlusssirene ertönte, wurde ich aus meinem temporären Dasein gerissen. Nicht der effzeh hatte drei wichtige Punkte eingefahren – sondern die Kölner Haie, die den Titelverteidiger EHC München (gesponsert von einem auch im Fußball bekannten Hersteller einer Aufputschbrause) mit 2:1 niedergerungen hatten. Zurück blieb in mir diese Leere, dieses schale Gefühl, dass das zwar ganz schön gewesen war, aber nicht zu vergleichen mit den Emotionen, den Ausschlägen nach unten und oben, die ich beim effzeh erlebe.
“Boxing Day” statt effzeh
Am 22. Dezember ging es für die Jungs mit dem Geißbock auf der Brust zuletzt rund – das ist nun exakt zwei Wochen her. Zwei ganz bittere Wochen, die ich versucht habe, mit verfressenen Familienfeiern zu Weihnachten und einem Sprung ins neue Lebensalter abzumildern. Doch diese quälende Langeweile in sportlichen Dingen wollte und wollte einfach nicht weichen. Gibt es einen Ersatz für diese Droge namens effzeh? Das Methadonprogramm startete noch am 2. Weihnachtstag: Boxing Day in der Premier League. Der englische Fußball gilt seit langem als spektakulär, als hervorragend anzuschauen – doch richtig fesseln konnte er mich nie.
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Dieses sehr dynamische Hin-und-her wirkt auf mich wie eine Dampfwalze, die alle Nuancen, alle Finessen plattmacht. Wie ein Schaubild der sich immer schneller drehenden Welt, in der Tempo alles ist. Und auch diesmal wurde ich (nicht) enttäuscht: Ich lag im Festtagsfresskoma auf der Couch und ließ mich berieseln, wie diese armen Knilche, die so arm doch überhaupt nicht sind, sich am 2. Weihnachtstag die Knochen polierten und auf und ab rannten. Es packte mich aber nicht – mir fehlt offensichtlich die enge emotionale Verbindung zu einem Team, um anderen Fußball außerhalb des effzeh-Kosmos furchtbar interessant zu finden.
Ist Darts eine Alternative zum Fußball?
Also doch andere Sportarten – und diese nutzen die Winterpause von König Fußball reichlich. Besonders Wintersport poppt für viele völlig überraschend hoch, gerade Biathlon ist bei vielen Sportfans beliebt. Kann mich Laufen und Schießen fesseln? Schließlich sind das doch die Hauptkomponente im Fußball. Außerdem: Auf Schalke. Wintersport auf Schalke – das klingt nach einem derart wahnsinnigen Konzept, da muss man doch am Ball (oder bei Gewehr) bleiben. Leider schlummere ich nach wenigen Minuten in einen Dämmerschlaf, die Siegerehrung bekomme ich noch mit. Auch beim Skispringen, immerhin in den letzten Jahren durch den Einsatz von Bengalos berüchtigt, bleibt mein Höschen während der Vierschanzentournee trocken.
Bleibt noch Darts: Mittlerweile vom verhöhnten Kneipensport zum Massenereignis mutiert werfen tätowierte Jungs wie ich und du, die dazu noch einen ähnlich schlechten Mode- und Frisurgeschmack wie Fußballer haben, bei Oktoberfeststimmung Pfeile auf ein Brett. Das klingt perfekt – und ist sogar richtig spannend. Unmengen an Bier werden vernichtet, es gibt Gesänge gegen Vertreter eines in der Fußball-Bundesliga aktiven Brauseherstellers, ein Flitzer klaut den Pokal: Zutaten eines unterhaltsamen Abends, der allerdings eher amüsant denn emotional ist.
Vorfreude statt Anspannung: Ein unbekanntes Gefühl
So führte mich der Weg dann eben zu den Haien. Zugegeben: Früher hatte ich über einen längeren Zeitraum eine Dauerkarte beim KEC, zähle mich durchaus zum großen Kreis der Sympathisanten – und dennoch ist das Ganze mittlerweile für mich eine ganz andere Kiste als der effzeh. Eher belustigt verfolge ich den Fanzustrom zur Kölnarena, schaue auf die beiden Kurven sowie den spärlich gefüllten Auswärtsblock (Dienstags 1200 Kilometer hin und zurück machen nur Bekloppte!) und mache es mir mit meiner Freundin gemütlich. Vorfreude statt Anspannung dominiert – ein Gefühl, dass ich von meinen Stadienbesuchen mit dem effzeh nicht kenne.
Das Spiel macht sogar richtig Spaß, für deutsches Eishockey viel Tempo und harte Zweikämpfe. Sogar über die Schiedsrichter kann ich mich ärgern, das kommt mir ganz bekannt vor. Das Drumherum ist allerdings noch schlimmer als im Müngersdorfer Stadion: Sehr viel Show, dies allerdings NHL-reif, vor dem ersten Bully. Unterbrechungen während der Partie, um Werbung zu machen. Im Schlussabschnitt kommt dann auch das Maskottchen „Sharky“ aufs Eis und legt unter dem Jubel der Zuschauern einen Breakdance hin. Nä, so richtig will das nicht meine Welt werden. Es gibt eben keinen Ersatz für die eine große Liebe. Wie sagte schon der große Loriot? Ein Leben ohne den effzeh ist möglich, aber sinnlos.