Es wird zur guten Tradition: Jedes Jahr kurz nach Saisonbeginn meldet sich das Fanprojekt Mönchengladbach zu Wort. Während die Aufhänger der Wortmeldungen vom Niederrhein 2014 und auch letztes Jahr noch Bezug zu Vorfällen beim altehrwürdigen Derby der beiden rheinischen Rivalen nahmen, kommt die aktuelle skurrile Ansage aus Gladbach ohne direkten Bezug zum Traditionsduell. Dieses Mal ist eine Schlägerei, die sich vergangenen Samstag am Düsseldorfer Hauptbahnhof zugetragen hat, der Grund für die Wortmeldung der Fohlen-Sozialpädagogen. Und jährlich grüßt das Bumsi-Tier, sozusagen.
Das FPMG bedient sich dabei einer triefenden Opfer-Rhetorik. Das ist nicht neu. Bereits nach dem Angriff von rund 80 Gladbachern auf die Kölner Südkurve vor zwei Jahren, hörte man von Gladbacher Vertretern wie Thomas „Tower“ Weinmann derartige Statements: „Unsere Fans haben dazugelernt und sich weiterentwickelt, was ich von der Kölner Szene leider nicht sagen kann. Auch da hängen sie uns um Jahre hinterher.“ Die eigenen Anhänger kamen bei den Gladbacher Darstellungen natürlich stets bestens weg. „Unsere Fanszene gehört zu den beliebtesten und friedlichsten in ganz Deutschland“, erklärte das FPMG prompt ein Jahr später ohne dabei rot zu werden und klagte: „Wir werden trotz unserer hervorragenden Arbeit der letzten 25 Jahre in den großen Topf der Versager in der Fanarbeit (hier explizit mit dem FC) geworfen.“ Im Vergleich zu den Frechheiten der Vorjahre, ist die aktuelle Formulierung schon fast harmlos. „Liebe Domstädter, wir appellieren an Euch, endlich an die Ursachen heranzugehen.“
Harmlose Borussia-Fans, ewig böse Kölner?
Dennoch sah sich das Kölner Fanprojekt zu einer Antwort genötigt, denn die Gladbacher Stellungnahme zeichnet erneut ein Bild von harmlosen Borussia-Fans, die von gewalttätigen effzeh-Anhängern feige angegriffen wurden. „Regelrechte Jagdszenen auf alles was schwarz-weiß-grüne Farben trug“, will man gesehen haben. Das Kölner Fanprojekt widerspricht, die Provokationen seien von der Gladbacher Seite ausgegangen. Die Wahrheit liegt – wie bei so vielen Schlägereien – vermutlich in der Mitte. „Die Männer beleidigten sich zunächst, bewarfen sich dann mit Flaschen, schließlich kam es zur wüsten Schlägerei“, beschreibt die „Rheinische Post“ den Vorfall.
Doch warum verweigern die Gladbacher Pädagogen eine kooperative Zusammenarbeit unter den Fanprojekten und setzen stattdessen immer wieder auf das „Schwarzer-Peter-Spiel“, wie es bei „fans1991“ heißt? „In unseren Augen löst man diese Probleme nicht, indem man sich gegenseitig Vorwürfe macht und in der Öffentlichkeit bloßstellt, sondern nur durch konstruktive Gespräche“, merken die Kölner außerdem an. Doch das Vorhaben, eine gemeinsame Stellungnahme zu entwickeln, sei durch das Verhalten der Gladbacher Seite unmöglich gemacht worden.
Kein Wunder, hätten die Borussia-Pädagogen doch bei einer gemeinsamen Distanzierung von derartigen Vorfällen indirekt eingestanden, dass sogar ihre eigenen Fans irgendwie mitverantwortlich sein könnten. Und das stände im krassen Widerspruch zur bisherigen Kommunikationsstrategie über die Verfehlungen der eigenen Anhänger gänzlich den Mantel des Schweigens zu hüllen, aber gleichzeitig bei jeder Gelegenheit mit dem Finger auf andere zu zeigen. Schließlich ist dieses Vorgehen aus Gladbacher Sicht ein voller Erfolg.
FPMG: Jede Gelegenheit wird genutzt
Während die Kölner Fanszene ihren Ruf bei der bundesweiten Presse weg hat und der Verein, der in Vergangenheit stets eingeräumt hat, wenn es Probleme und Verfehlungen gab, für seine Fanarbeit immer wieder in der Kritik steht, haben die Gladbacher einen mehr oder weniger guten Ruf. Toll, was die da in Bern wieder veranstaltet haben – so lautet der allgemeine Tenor. Dass die Fanszene am Niederrhein ebenso fehlbar ist, wie jede andere auch, wird gerne vergessen, sogar negiert. Schließlich will das FPMG offenbar jede Gelegenheit zum Eigenlob nutzen – besonders gerne auf Kosten des 1. FC Köln. Denn dann wird die öffentliche Debatte über die bösen Kölner Fans geführt – während die Borussia mal wieder als Opfer dasteht.
Es bleibt natürlich offen, ob dieses Vorgehen tatsächlich eine bewusst erdachte Strategie zur Meinungsmanipulation ist, oder seinen Grund in der Unfähigkeit des Personals hat – mit sozialpädagogischer Fanarbeit hat es jedenfalls nichts mehr zu tun. Und das ist – was auch immer nun der Grund sein mag – doch Anlass genug, für die Verantwortlichen bei der Borussia, mal darüber nachzudenken, ob diese wichtigen Positionen im Fanprojekt mit qualifiziertem Personal, das an tatsächlicher Fanarbeit mehr Interesse hat als an plumpen PR-Kampagnen, nicht besser besetzt wären. Oder anders ausgedrückt: Ob es nicht an der Zeit ist, den Elfenbeinturm beim Gladbacher Fanprojekt zum Einsturz zu bringen.