„Was habe ich eigentlich falsch gemacht?“ dürfte sich Alexander Wehrle um 23.30 Uhr des 7. April gefragt haben. Der Geschäftsführer des effzeh erlebte eine so emotionale und aggressive Stimmung, die er vermutlich nicht vergessen wird. Der Anlass war nicht etwa eine desaströse Bilanz über das abgelaufene Geschäftsjahr, wofür der Finanzchef des Geißbockheims eine Abfuhr der Vereinsmitglieder auf der Jahreshauptversammlung erhielt, sondern die Vorstellung und Begründung einer geplanten Baumaßnahme auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung.
Dass der effzeh neue Fußballplätze für die Jugendmannschaften benötigt, um in der Bundesliga auf diesem Gebiet konkurrenzfähig sein zu können, hat er oft belegt. Aufgrund der historisch gewachsenen Struktur rund um das Clubheim, die einige (Kunst-)Rasenplätze und das Franz Kremer-Stadion umfasst, lag es nahe, den Bau neuer Plätze in unmittelbarer Nähe zu den bisherigen anzulegen. Dieser „Campusplan“ scheiterte jedoch am Widerstand der Stadtverwaltung und der Bezirksregierung. Eine erste Einigung konnte trotzdem erzielt werden: Bisher ungenutzte, parallel zur Militärringstraße gelegene Grünflächen stellten sich für die Pläne als geeignet heraus. Insgesamt könnten an dieser Stelle drei Kunstrasenplätze für den Jugendfußball und vier allgemein nutzbare Kleinfelder geschaffen werden. Gleichzeitig sagte der effzeh zu, mindestens in gleichem Maße neue Grünflächen zu schaffen, wie sie durch den Bau der neuen Plätze verloren gehen würden – auf eigene Kosten, versteht sich. Diese Flächen zu finden und dem effzeh dann Mitteilungen zu überbringen, obliegt der Stadt.
Eigentlich ist es also ein ganz normaler Prozess: jemand, der Fläche einer Kommune bebauen will, tritt an diese heran und führt Verhandlungen über eine künftige mögliche Nutzung. Die finale Entscheidung wird dann im Stadtrat getroffen, nachdem die Bezirksregierung, der Denkmalschutz, Ämter für Umwelt, Bau und viele weitere Stellung genommen haben. Eingeleitet wird dieses Verfahren vom Stadtentwicklungsausschuss, der sich die Vorhaben anschaut und grünes Licht für eine genauere Prüfung des Verfahrens gibt. Nachdem der Stadtentwicklungsausschuss im Dezember die Pläne des effzeh für gut befunden hat, wird außerdem der Öffentlichkeit eingeräumt, Stellung zu beziehen und Anregungen zum Verfahren zu geben. Auch dazu diente die Veranstaltung in der Elsa-Brandström-Realschule am 7.April.
„Sie missbrauchen die Kinder!“
Neben der Bezirksbürgermeisterin aus Lindenthal, Alexander Wehrle und einigen Vertreter*innen der Stadtverwaltung (aus den Ämtern für Stadtplanung, Bau und Umwelt) waren auch rund 400 Leute anwesend, von denen sich viele sehr lautstark bemerkbar machen sollten. Schon bevor Alexander Wehrle mit dem Eröffnungsvortrag anfangen konnte, wurde er niedergebrüllt und ausgepfiffen – während eines Vortrags, der ohne die Zwischentöne maximal 15 Minuten gedauert hätte. Auch der Kurzvortrag der Stadtverwaltung wurde mehrfach wüst unterbrochen und ging zum Teil in Buhrufen unter. Effzeh-Mitglieder dürften sich an die Mitgliederversammlung vom 17.11.2010 erinnert haben, als der Vorstand um Wolfgang Overath nicht entlastet wurde. Der wesentliche Unterschied zu damals bestand darin, dass das Podium in Sülz dem Publikum während der gesamten Veranstaltung den nötigen Respekt entgegen brachte.
Als die offene Frage- und Anmerkungsrunde begann, entlud sich der Unmut der Leute auch in vielen Wortbeiträgen. Die enthusiastisch bejubelten Vorwürfe waren zum Teil ungeheuerlich. Es wurde behauptet, Verwaltung, Politik und effzeh hätten hier offensichtlich alles untereinander zum Nachteil der Bevölkerung ausgeklüngelt, Verhalten wie das hier gezeigte würde Politikverdrossenheit fördern (natürlich nicht ohne den entschuldigenden Hinweis, dass sie wahrscheinlich nicht die AfD wählen würde, trotzdem sei das hier schon sehr schlimm), die Kleingärten „entwertet“ und außerdem sei der effzeh lediglich Gast in „unserem Grüngürtel“. Die verbale Talsohle erreichte eine Dame, die Alexander Wehrle vorwarf, es sei „ekelhaft“, wie der effzeh hier Kinder für seine Zwecke „missbrauche“ – weil der 41-jährige oft betonte, dass es gerade für das Kinder- und Jugendtraining wichtig sei, dass die Trainingsplätze gut angebunden und bespielbar wären.
Viele Wortmeldungen beinhalteten lediglich von lautem Applaus begleitete Wiederholungen, die zum Teil auf bereits widerlegte oder durch ergänzende Informationen entkräftete Argumente rekurierten. Das war zum Beispiel die Forderung, der effzeh solle sich nach einer Alternative umsehen. Nachdem die Alternativen von der Stadtverwaltung präsentiert wurden (u.a. in Junkersdorf, Hürth, Mörsdorf, Rösrath und die Jahnwiesen) und offensichtlich war, dass Trainingsplätze weder für die Kommune, noch für den effzeh an keiner anderen Stelle Sinn ergeben würden, polterten die Leute unvermindert weiter. Zudem war auffällig, wie stark die Menschen betonten, dass es sich um „ihren Grüngürtel“ handle – und nicht etwa den der Stadt Köln, die alle Bürger*innen umfasst. Stattdessen traten viele Empörte mit einem Alleinvertretungsanspruch auf, demnach sie für alle Bewohner*innen Kölns sprechen würden. Bei 400 Anwesenden ist diese Haltung ambitioniert.
Für Neutrale und Interessierte ungeeignet
Bedauerlich war, dass aufgrund der emotionalen Eskalation (die eher an Proteste gegen Bildungsgebühren erinnerte als an eine Nutzungsänderung einer bislang ungenutzten Fläche), ein argumentativer Austausch und eine Informationsvermittlung für bisher Unbefangene kaum möglich war. Viele betonten immer wieder, dass das Vorhaben garantiert (!) gegen den Denkmalschutz des Grüngürtels verstoße. Die Entgegnung, dass die Ordnung des Verfahrens die Beteiligung dieser Behörde erst zu einem späteren Zeitpunkt vorsehe (s.o.), wurde nicht einmal zur Kenntnis genommen. Die Argumente, dass Naherholungsgebiet durch die Bebauung verloren gehe und aufgrund der Flutlichtmasten (welche die Höhe der Bäume nicht übersteigen) eine Lichtverschmutzung passiere sind zwar nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Doch einerseits sind hundert Meter weiter immer noch der Decksteiner Weiher sowie der Beethovenpark als (wesentlich schönere) Erholungsgebiete verfügbar und da man andererseits immer noch über eine Großstadt spricht, sind diese Argumente wenig schlagend. Alexander Wehrle führte zudem aus, dass man sich wegen der besseren Trainingsbedingungen, Vergleichbarkeit und weniger aufwendigen Pflege für Kunstrasenplätze und gegen Rasenplätze entschieden habe.
Ebenfalls anwesende Vertreter*innen aus dem Mitgliederrat des effzeh befürworteten die Pläne und waren entsetzt über den Umgangston während der Veranstaltung. Neben den ohnehin bekannten Argumenten des effzeh für zusätzliche Plätze lohnt sich zudem ein Blick auf die Fläche: Diese ist bislang komplett ungenutzt. Ein Anwohner erläuterte, dass es sich bei dieser um einen Acker handle, auf dem man sich „direkt die Beine brechen“ und sie zudem von den Hunden zum Koten benutzt werden würde. Viele Argumente bleiben außerdem unabhängig von der Gegend bestehen. Leute, die sich gegen neue Fußballplätze aussprechen und grundsätzlich jeden Rasen unangetastet lassen wollen, dürften sich überall finden. Die einzige Besonderheit dieses Standorts ist die Historie des Grüngürtels – wofür der Denkmalschutz da ist und wozu der effzeh längst Stellung bezogen hat.
Ein Vertreter der Sportjugend Köln erläuterte außerdem, dass der effzeh ein sehr verlässlicher Partner sei und jeder zusätzliche Sportplatz im Kölner Gebiet dringend benötigt werden würde, weil ein unerträglicher Mangel herrsche. Die Stadt Köln rühme sich stets als Sportstadt, sei aber eigentlich gar keine, so seine Kritik. Zuletzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Trainingsbetrieb unter der Woche nur bis 19 Uhr dauert und die Plätze am Wochenende von Freizeitmannschaften (u.a. Bunte Liga) genutzt werden können. Genau wie vier Kleinfelder, die ebenfalls gebaut werden sollen und die noch nicht auf Sportarten festgelegt sind.
Der argumentative Austausch blieb aber, wie erwähnt, eine Randnotiz. Im Mittelpunkt standen die Emotionen der Anwesenden, die sich Luft machen wollten. Und die deutlich machten, dass sie nicht so bald aufhören werden. Als sich ein Befürworter der Pläne von einem Gegner verabschiedete, sagte letzterer: „Ihr solltet Euch einen anderen Platz suchen. Wir werden bis zuletzt für unseren Grüngürtel kämpfen.“ Derart martialische Rhetorik passte zum gesamten Abend.