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Meinung

Der talentierte Mr. Wrigley

Nicht nur dass nun das DFB-Sportgericht gegen Jörg Schmadtke ermittelt ist bedauerlich, sondern auch, dass mit “Fair Play” das falsche Thema für die Debatte in den Fokus gerückt ist.

Foto: Joern Pollex/Bongarts/Getty Images

Hoppla! Nachdem Jörg Schmadtke mit seinem nicht gerade fairen Kaugummi-Wurf in Richtung Hoffenheimer Bank für einen „Eklat“ gesorgt hat, gibt es nun eine neue Debatte in Fußball-Deutschland: Was ist dieses „Fair Play“ eigentlich? Und braucht man das noch, oder kann das weg?

“Wir beerdigen als Liga dieses Wochenende den Fair-Play-Gedanken“, sagte der Experte für die Ballistik von Stress-Abbau-Nahrungsmitteln, Jörg Schmadtke, dann auch prompt nach dem Spiel in die Mikrofone. „Klar kann man sagen, dass der Existenzkampf groß ist, aber ich würde mir wünschen, dass es anders abgeht.“ Und auch Cheftrainer Peter Stöger schlägt, nachdem die Hoffenheimer weiterspielten, obwohl Lukas Klünter am Boden lag, in die gleiche Kerbe: „Das Entscheidende ist, wie man Fair-Play bewertet – bei 4:0 oder dann, wenn es darum geht, die Ziele einzufahren.“

Foto: Dennis Grombkowski/Bongarts/Getty Images

Strittige Szene: Klünter bleibt liegen | Foto: Dennis Grombkowski/Bongarts/Getty Images

Nur begraben, was gelebt hat

Dass erst das Fressen und dann die Moral kommt, wusste schon Brecht. Schließlich gilt: Diese Debatte kann nur führen, wer grundsätzlich an Fair-Play im Profi-Fußball glauben mag – also als ein einzelne Positivbeispiele übergreifendes Phänomen. Wenn man sich aber die Fallsucht, die Schauspielerei, das Drama, die Provokationen und die ganze Theatralik anschaut, welche Fußballplätze schon lange beherrschen, scheint eine Debatte über Fair-Play ohnehin müßig zu sein. Man kann ja nur etwas begraben, das mal gelebt hat. Und natürlich ist alles immer begleitet von der Frage: Hätte die eigene Mannschaft denn anders gehandelt?

Dem 1. FC Köln kann man da zwar ohne großes Risiko attestieren, dass sein Team vermutlich tatsächlich anders gehandelt hätte, nur muss man in der ausgeprägten Nettigkeit der Geißböcke auch nicht immer nur eine Qualität sehen. Dennoch gilt: Wer den dritten Platz der Fair-Play-Tabelle innehat und noch ohne Platzverweis dasteht, darf ganz bestimmt mal den Sinn des Ganzen in Frage stellen. Ob das nach der Partie in Sinsheim allerdings die richtige Debatte ist, darf bezweifelt werden.

Denn fair oder nicht, hätten die Kölner den letzten Spielzug der Gastgeber konsequent verteidigt, wäre es vermutlich nicht zum Ausgleichstreffer gekommen. Das ist aber nur das eine. Dass das späte Gegentor keine Wirkung mehr gezeigt hätte, wenn Schiedsrichter Deniz Aytekin bei der Torwarteinlage von Ermin Bicakcic zuvor im Spiel auf Elfmeter, oder beim Einsteigen gegen Klünter auf Foulspiel entschieden hätte, ist das andere.


Bildergalerie: Fußballer und Kaugummis
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Vermutlich hat sich bei den Verantwortlichen aus der Domstadt am Sonntag auch alter Frust entladen – nur eben mit „Fair Play“ am falschen Thema und mit Julian Nagelsmann am falschen Ziel. Rund zehn (mehr oder weniger) eindeutige Strafstöße wurden dem effzeh in dieser Spielzeit von den Referees verweigert. Mindestens sechs Zähler dürfte das den Club gekostet haben. Die 40-Punkte-Marke wäre ohne Fehlentscheidungen für die Kölner schon jetzt erreicht. Die Verantwortlichen am Geißbockheim wissen das ganz genau. Und es passt ihnen verständlicherweise gar nicht.

„Wenn ich jetzt noch sagen würde, dass Bicakcic gegen Bittencourt Foul und in Torhüter-Manier noch Hand spielt und wir wieder einen Elfmeter nicht bekommen haben, dann heißt es doch, die Kölner sind nur noch am Jammern“, erklärt Schmadtke im „Express“. Und es mag sein, dass er Recht damit hat. Dennoch wäre der Fokus dann auf das eigentliche Problem gelenkt worden. Eine Debatte darüber, ob das Schiedsrichter-Wesen in seiner jetzigen Form noch die Qualitätsmaßstäbe einer Profi-Liga erfüllt, wäre nämlich nicht nur wünschenswerter, sondern auch insgesamt konstruktiver gewesen als die über die Bedeutung von Fair Play.

Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images

Schiedsrichter-Chef Heribert Fandel | Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images

Das größere Problem

Es hätte aber auch dem Vorsitzenden der Schiedsrichter-Kommission des Deutschen Fuball-Bundes nicht die Gelegenheit gegeben, seinen Senf zum Thema abgeben zu können. Doch so klugscheißert Heribert Fandel nun gegenüber dem „SID“ daher: „Es müssen Verhaltensänderungen her, dringend.“ Darauf habe er schon vor einiger Zeit hingewiesen, heißt es beim Schiedsrichter-Boss weiter. „Wir müssen wieder mehr für unsere Werte einstehen, und dabei sind Respekt, Fair Play und Anstand ganz zentral. Alle Akteure im Fußball müssen dahin wirken, dass der Profifußball seiner Vorbildrolle wieder mehr gerecht wird. Sonst zerstören wir unsere Fußballkultur.”

Dass Fandel sich erst einmal um die miesen Leistungen seiner Schiedsrichter sorgen sollte, bevor er die Fußballkultur bedroht sieht, hätte man nun sagen können. Dass er vielleicht erst einmal ein paar Seminare für seine Kollegen organisieren könnte, die den nebenberuflich tätigen Unparteiischen mal die Hand- und Foulspiel-Regeln wieder auffrischen, bevor er den Moralapostel markiert, hätte man antworten können. Oder man hätte darüber diskutieren können, welche Konsequenzen die Leistungen der Schiedsrichter für die Bundesliga haben und welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, damit diese Farce ein Ende hat.

Wäre da nicht Schmadtkes verdammtes Kaugummi gewesen.

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