Folge uns
.

Meinung

Eine Chance mit Hintertür

Die Polizei-NRW will ihre Präsenz rund um den Fußball zurückfahren. Doch das könnte auch Kalkül sein. Der effzeh.com-Kommentar.

© effzeh.com
 © effzeh.com

© effzeh.com

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hat sich zu einem “Pilotprojekt” entschieden. An den ersten vier Spieltagen der bald beginnenden Bundesliga-Saison wollen sich die Ordnungshüter weitestgehend zurückhalten. Sowohl rund ums Stadion, als auch was die Anfahrtswege der Fans betrifft. NRW-Innenminister Ralf Jäger begründet den Schritt, der wohl ohne größere Absprachen mit den Vereinen und der Liga erfolgt ist, mit der zu hohen Belastung der Polizei im Kontext Fußball. Arbeitsstunden sollen eingespart, die Kosten gesenkt werden.

Es ist der nächste Schachzug in einer Debatte, die in den letzten Wochen wieder neuen Zunder erhalten hat. Vor allem die Forderung der Bremer Politik nach einer Kostenbeteiligung der Liga an den Einsätzen der Polizei rund um die Spiele von Werder Bremen hatte die Thematik wieder in den Fokus gerückt. Ein Vorstoß, der bisher wenig Unterstützung findet. Bei Steuereinnahmen von circa einer Milliarde Euro pro Jahr ist die Ablehnung in diesem Fall nicht sonderlich überraschend. Zumal Fußballvereine grundsätzlich nicht für die Sicherheit von Bahnhöfen, Straßen oder sonstigen Orten, die in der Vergangenheit Schauplatz von Fan-Auseinandersetzungen waren, zuständig sein können.

Nordrhein-Westfalen geht nun einen anderen Weg. Statt sich das Geld, das für die Einsätze rund um die Spiele aufgewendet wird, wiederzuholen, will man nun einfach die Ausgaben senken. Das klingt zunächsteinmal logisch. Es hat genug Partien gegeben, bei denen die zahlreich erschienen Beamten im Grunde nichts zu tun hatten und mehr oder weniger sinnlos in der Gegend rumstanden. Wenn zu Zweitligazeiten ein FSV Frankfurt in Köln zu Gast war, dann waren keine größeren Auseinandersetzungen zu erwarten. Zu gering die Rivalität, zu groß der Unterschied in der Fankultur der beiden Vereine.

© roteboecke.com

© roteboecke.com

Ein weiterer positiver Aspekt dieser Herangehensweise wird von Fan-Forscher Gunter A. Pilz im Interview mit web.de herausgestellt: “Die Gleichung ‘Mehr Polizei ist gleich mehr Sicherheit’, die geht nicht auf. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das sogar ins Gegenteil schlagen kann. Mehr Polizei heißt auch mehr Probleme.” Die Analyse der Einsatz- und Verletzungsstatistiken rund um Fußballspiele gibt dem Soziologen recht. Eine Großzahl der Delikte erfolgt mit direkter Beteiligung der Polizei. Auseinandersetzungen zwischen gegnerischen Fans bilden eher die Ausnahme. Hinzukommt, dass so genannte “Risikospiele” genauso abgewickelt werden sollen wie zuvor. Denn wenn Gladbach nach Köln kommt, sieht die heile Fan-Welt schnell wieder anders aus.

Es gibt also kaum eine Grundlage für die Horrorfantasien, die CDU-Innenpolitiker herbei fabulieren. “Wenn Jäger an seinen Plänen festhält, übernimmt er damit zumindest die politische Verantwortung, wenn wegen mangelnder Polizeipräsenz an Gefahrenschwerpunkten die Sicherheit der Allgemeinheit gefährdet wird”, lässt sich Wolfgang Bosbach im “Express” zitieren. Eine Gefährdung der Allgemeinheit wegen eines Fußballspiels? Das scheint doch sehr hoch gegriffen. In den gleichen Tenor stimmt der NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, ein: “Wenn das Innenministerium Einsatzkonzeptionen wie verdeckte Aufstellung, keine Busbegleitung sowie keine Polizei im Stadion vorgibt, gehe ich davon aus, dass es auch die Verantwortung für die zu erwarteten Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten übernimmt.“ Es sind Sätze, die sich lesen, als herrsche jeden Samstag in Deutschland kurzzeitig Bürgerkrieg. Glücklicherweise ist dem nicht so.

Allerdings bereiten diese Kommentare den Weg zu einer Hintertür für das Innenministerium. Sollte in der Zeit dieses Pilotprojekts bei einem der Spiele in Nordrhein-Westfalen etwas Außergewöhnliches vorfallen, sei es eine Schlägerei zwischen Fans oder eine völlig demolierte Stadtbahn, dann eröffnet sich für die Politik, für die Bosbachs und Plickerts und am Ende auch für die Jägers eine Möglichkeit zur radikalen Kehrtwende. Es wird dann heißen, man hätte es ja vorhergesagt und dass es so “kommen musste”. Dann wird die Polizeipräsenz wieder massiv erhöht werden, um die “allgemeine Sicherheit zu gewährleisten” und der mühsame Dialog zwischen Polizei, Vereinen und Fans wird einen weiteren Dämpfer bekommen. Politische Hardliner wie Rainer Wendt (Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft) werden die Chance genauso am Schopfe ergreifen, wie die Lokalpolitik in Bremen und wieder eine Kostenbeteiligung der Vereine fordern.

&copy effzeh.com

effzeh.com

Am Ende erscheint der Schritt vor allem als eine kalkulierte Kapitulation mit dem ausgesprochenen Ziel, die Kosten für die Polizeieinsätze zu senken, und dem unausgesprochenen Ziel, einen politischen Weg zu ebnen, der den Forderungen der Hardliner ein stabileres Fundament verschaffen könnte.

Der Fokus auf die Fans in NRW wird zu Saisonbeginn kaum größer sein können. Der Ball liegt jetzt wieder bei ihnen. Und sie täten gut daran, diese Vorlage nicht zu einem Eigentor zu machen.

 

 

Mehr aus Meinung

.