Ich staunte nicht schlecht, als ich Ende letzter Woche aus dem Urlaub zurückkehrte.
Ich staunte nicht schlecht, als ich meinen Schuster aufsuchen wollte, bei dem ich vor dem Urlaub Schuhe zur Reparatur abgegeben hatte. Als ich nun – tiefenentspannt und gut erholt – vor dem Geschäft stand, mit meinem Abholschein bewaffnet, staunte ich nicht schlecht, als ich feststellen musste, dass das Geschäft für immer geschlossen war. Alles leer geräumt und von meinen Schuhen keine Spur. Gott sei Dank habe ich noch ein weiteres Paar, denn so blieb mir wenigstens ein Nachhauseweg auf nackten Sohlen erspart.
Aber ich staunte auch nicht schlecht, als ich den Donnerstagskicker aufschlug und sah, dass Wolfsburg nun also Naldo verpflichtet hat. Naldo, der unlängst bekannt gab, dass er Werder ja ziemlich liebe und lediglich Brasilien als Alternative in Frage käme, um sich schon einmal auf die kommende WM einstimmen zu können, wechselt also nach Wolfsburg und gab im kicker zu seinen Beweggründen zum Besten, dass das Angebot der Wölfe so gut gewesen sei und schließlich hätten die dort ja den VW-Konzern und da sei die Bezahlung nicht verkehrt. Man müsse ja an seine Familie denken, heißt es immer in diesem Zusammenhang, was auch einleuchtet, denn mit dem gemeinen Gehalt eines Bundesligaprofis lässt es sich eher schlecht als recht über die Runden kommen.
Nun wird sich spätestens der geneigte Leser fragen, was denn nun dieser Beitrag soll. Auf dieser Seite. Denn: Schuhe? Naldo? VW? Was hat das mit dem effzeh zu tun?
Doch es gibt einen Zusammenhang! Nicht unbedingt zu den Schuhen, das wollte ich hier nur einmal loswerden (in der stillen Hoffnung, dass der Schuster effzeh-Fan ist und sich an meine Schuhe erinnert, wenn er diese Zeilen liest. Ich hoffe, sie passen ihm gut).
Aber es gibt einen Zusammenhang zu Naldo. Dabei möchte ich auf das Thema Identifikation eines Spielers mit seinem Verein zu sprechen kommen. Denn: Wir hatten in der Vergangenheit durchaus auch Spieler, die nicht unbedingt wegen der Schönheit des Geißbockheims, sondern durchaus auch und vor allem wegen der Penusen, der Knete, der Moneten nach Köln wechselten. Ich huste ein kleines Womé in den Raum, ohne dabei für den Discounter Netto Werbung zu machen und hoffe, Ihr wisst, was ich meine.
Wie in der freien Wirtschaft auch, ist es bei einem Fußballverein so, dass man als Neuankömmling auf ein soziales Gebilde trifft. Und dieses soziale Gebilde ist in sich instabil. Da kann es zu erdrutschartigen Implosionen kommen, wenn innerhalb dieses Konstrukts Einzelteile vorhanden sind, die das Große und Ganze ins Wanken bringen. Insofern ist es in der freien Wirtschaft wie auch in der Bundesliga wichtig, genau hinzuschauen, wenn man dabei ist, neues Personal einzustellen bzw. einen Spieler zu verpflichten.
Es gilt, die Intention des Wechselnden für seinen Wechsel genau zu erfassen. Warum möchte jemand ausgerechnet zu Verein Y? Geht es ihm um die Stadt, um die Geschichte des Clubs, um die sportliche Perspektive oder einfach um die Kohle?
Natürlich wäre es naiv zu glauben, bei jedem einzelnen Transfer auf Seiten des zu Verpflichtenden das höchste Maß an voller Identifikation mit dem neuen Club vorzufinden. Wie auch? Schließlich müssen sich neuer Spieler und Club auch erst noch kennenlernen.
Aber es ist wichtig, zu prüfen, ob zumindest Identifikationspotenzial auf Seiten des Spielers vorhanden ist. Ob er sich in den neuen Verein verlieben könnte. Wie seine Arbeitsauffassung aussieht. Ob er gewillt ist, sich neben Training und 1x/Woche etwas zu kicken, einzubringen in das fragile soziale Gebilde, das sich Mannschaft nennt.
Und in diesem Zusammenhang gibt es ja durchaus Indikatoren. Wie auch bei der Personalauswahl in der Wirtschaft lässt sich zum Beispiel etwas daraus ableiten, ob jemand im 1-Jahres-Takt gewechselt ist oder ob er es länger bei einem Verein/Unternehmen ausgehalten hat. Was waren die Gründe für jeweilige Wechsel? Ist er im Frieden gegangen?
Zudem geht es um ein Gespür, das man mitbringen muss, um seinem Gegenüber abzunehmen, das er bereit ist, sich zu 100% für seinen potenziell neuen Verein ins Zeug zu legen. Sich als Projektionsfläche für Tausende verzweifelte Fans zu betrachten. Bereit zu sein, auch außerhalb des Trainings Interesse zu zeigen. Für Mannschaftsveranstaltungen, Sponsorentermine und soziale Projekte des Vereins.
Ich weiß, dass ich mich hier auf einer sehr theoretischen Basis bewege, wenn ich einfordere, dass man all dies bei jedem einzelnen abzuwickelnden Transfer berücksichtigt. Aber die Vergangenheit zeigt, dass einem Neuverpflichtungen später auf die Füße fallen, wenn man vorher nicht genau nachgedacht hat, wen man sich da ins Haus holt. Wenn man bspw. in den Vordergrund stellt, bekannte Namen zu verpflichten und dafür auch bereit ist, bei der sozialen Passung zu einem Verein, zu einer Stadt und zu einer Mannschaft, etwas großzügiger zu sein, wird es schwer werden, etwas langfristiges auf die Beine zu stellen – Maniche lässt grüßen.
Denn es geht um die Passung im Gesamtgebilde. Die konkrete Identifikation oder das Identifikationspozenzial eines Einzelnen hilft nicht viel, wenn das Restkonstrukt einer Mannschaft vorrangig aus Spielern besteht, die sich nicht sonderlich um das Wohl eines Vereins scheren. In diesem Zusammenhang ist das Beispiel Poldi zu nennen, bei dem es offenbar schwierig war, eine volle Integration zu vollziehen, weil sich zwangsläufig gewisse Fronten bilden müssen, wenn da jemand kommt, der den Geißbock auf der Stirn trägt und er auf (manche) Spieler trifft, denen ebendieser völlig schnuppe ist. Das muss früher oder später (beidseitig!) zu Abgrenzungsbewegungen kommen und diese Tendenzen sind sowohl Poldis Äußerungen im Nachhinein zu entnehmen als auch etwa dem Interview mit Herrn Lanig.
Zusammenfassend bleibt zu hoffen, dass wir künftig bei Transfers genau hinschauen. Dass wir prüfen, ob jemand wirklich Bock hat auf das Trikot mit dem Bock und ob dieser jemand auch wirklich in das Mannschaftsgefüge passt.
Zu diesem Zweck haben wir das Tandem Jakobs/Schaefer, das ebenso wie unser Trainer Stanislawski bei der Thematisierung der Neuverpflichtungen die charakterliche Komponente betonen. Die bisherigen Statements der Verantwortlichen lassen jedenfalls darauf hoffen, dass man bei den bisherigen Transfers etwas genauer hingeschaut hat, als es in der Vergangenheit leider häufiger der Fall gewesen zu sein scheint.
Damit wir bald Spielern zujubeln können, denen wir abnehmen, dass sie gerne Teil dieses Vereins sind. Denen man schlechte Leistungen gerne verzeiht, weil man weiß, dass sie mit dem Herzen bei der Sache sind. Und nicht nur zum Club gewechselt sind, weil dieser finanzstarke Konzerne zu seinen Sponsoren zählt. Mir persönlich ist es nämlich egal, ob ein Spieler lieber zu Netto oder zu REWE geht.