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Meinung

Der 1. FC Köln im Sommer 2021: Ein Verein vor der Zerreißprobe

Nach dem Klassenerhalt und der Trennung von Horst Heldt zeigt sich einmal mehr, wie kompliziert die Gemengelage am Geißbockheim ist. Unser Longread ordnet den Stand der Dinge ein.

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Foto: imago images / Deutzmann

Ein Minus von 13 Millionen Euro war für diese Saison schon eingespeist – damit sollte eine „wettbewerbsfähige Mannschaft“ zusammengestellt werden. Dafür verantwortlich waren natürlich zuerst Horst Heldt (mittlerweile weg), Kaderplaner Frank Aehlig (der im Januar dem Geißbockheim den Rücken kehrte) und Wehrle, der die Vertragsbedingungen aushandelt und absegnet. Und auch hier fällt eine Bilanz ernüchternd aus: Einzig Ondrej Duda konnte die Erwartungen erfüllen, der Slowake kostete den FC rund sieben Millionen Euro. Mit 32 Einsätzen in der Bundesliga, sieben Toren und sechs Assists gehört er zu den positiven Erscheinungen in dieser Saison.

Mit Abstrichen fällt auch der vom BVB ausgeliehen Marius Wolf in diese Kategorie, der in 30 Spielen zum Einsatz kam. Der Rechtsfuß musste einige Spiele auf der Position des Rechtsverteidigers absolvieren, was seinen Leistungen offenkundig nicht guttat. Für Sebastian Andersson und Dimitrios Limnios gilt das eher weniger. Beide kosteten zusammen mehr als zehn Millionen Euro. Andersson war mehr verletzt als fit, mit 16 Einsätzen, drei Toren (fünf, wenn wir die Relegation mitzählen) und einem Assist blieb er deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der Grieche Limnios blieb bei seinen zwölf – zumeist sehr kurzen – Einsätzen gar ohne Scorerpunkt. Die Leihgeschäfte von Emmanuel Dennis (hohes Gehalt, ohne Bundesliga-Tor), Tolu Arokodare (zehn Joker-Einsätze), Max Meyer (drei Startelfeinsätze, sieben Einwechslungen) und Ron-Robert Zieler (eine Einwechslung) brachten den FC nicht wirklich weiter.

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Heldt-Trennung nach Kaderproblemen

Durch den Nicht-Aufstieg des HSV musste der FC sogar noch 200.000 Euro nachzahlen, weil das eine Bedingungen aus der Vertragsauflösung mit Simon Terodde war – im vergangenen Sommer sollte dieser unbedingt von der Gehaltsliste gestrichen werden, um Geld zu sparen. Mit Andersson und Modeste wähnten sich die FC-Verantwortlichen gut aufgestellt. Über weite Strecken der Saison spielte der FC gar ohne wirklichen Zielspieler in der Offensive, Duda musste außerhalb seiner Stammposition eingesetzt werden. Modeste, nach wie vor mit üppigem Gehalt, ist einer der vielen Leihspieler, die im Sommer ans Geißbockheim zurückkehren – für sie wird auch eine Lösung gefunden werden müssen.

Nun soll in der nahen Zukunft die Jugendarbeit des FC der erste Zulieferer für den Kader sein ­– ein neuer Jugendstil, eher aus der Not heraus geboren und in Krisenzeiten immer ein einfaches Signal nach außen. Eine zentrale Figur im sportlichen Bereich war beim 1. FC Köln eben jener Horst Heldt. Am Sonntag gab der Verein bekannt, dass die Zusammenarbeit beendet wurde. Werner Wolf lieferte dafür die Begründung und sagte: „Wir können mit der Zusammenstellung des Kaders und der sportlichen Entwicklung in der abgelaufenen Saison nicht zufrieden sein.“ Bereits im Vorfeld hatte sich angedeutet, dass der Vorstand bei Heldt zuerst zu einer Entscheidung kommen würde. Dass die Trennung in dieser Form gerechtfertigt war, darüber kann es eigentlich keine Zweifel geben.

“Es interessiert mich nicht, weil ich glaube, mehr Ahnung davon zu haben.”

Ein Rückblick: Der ehemalige Bundesliga-Profi Heldt betonte während der Saison fast schon mantraartig, dass es für den FC nur um den Klassenerhalt gehe, um keine zu hohen Erwartungen zu schüren. Das taten jedoch weder Fans noch Medien. Mediale Kritik an der Spiel- und Herangehensweise wies er zwischendurch relativ direkt zurück – er könne damit nichts anfangen, weil diese „einfach daneben“ sei. Und dann schob er mit einem Satz nach, der in der FC-Vereinsgeschichte sicherlich seinen Platz haben wird: „Es interessiert mich nicht, weil ich glaube, mehr Ahnung davon zu haben.“

Heldt auch ein Bauernopfer

Heldts Vertrag verlängerte der Vorstand im vergangenen Sommer bis 2023, durch die Trennung dürfte nun eine Abfindung fällig werden. Bevor Heldt im November 2019 eingestellt wurde, fiel er in einer Abstimmung des Gemeinsamen Ausschusses durch. Ein Hauptteil seiner Qualifikation für den Job schien sich lange Zeit dadurch zu speisen, dass er emotional mit dem FC verbunden ist und ein gutes Verhältnis zu Wehrle besaß. Die Entscheidung, auf der Ebene der Geschäftsführung eine erste Veränderung vorzunehmen, kann allerdings auch anders gedeutet werden: Zuletzt gab es immerhin zwei Positivmeldungen, die Heldt sich ans Revers heften konnte. Erstens verpflichtete der FC mit Steffen Baumgart einen neuen Trainer, zweitens schafften die „Geißböcke“ auf den letzten Drücker noch den Klassenerhalt.

Dennoch verfestigt sich der Eindruck, als wäre Heldt weniger als drei Wochen vor der Mitgliederversammlung als Bauernopfer auserkoren worden, um die Gemüter zu besänftigen. Der nun geschasste FC-Sportchef ließ bereits vor dem Relegationshinspiel gegen Kiel durchklingen, längere Zeit keinen Kontakt mehr zum Vorstand gehabt zu haben. Der Mythos, Heldt habe Baumgart als neuen FC-Trainer ausgewählt und verpflichtet, lässt sich auch leicht entkräften. effzeh.com konnte in Erfahrung bringen, dass der FC-Sportchef nach der Gisdol-Entlassung eigentlich seinen Kumpel Thorsten Fink mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ausstatten wollte. Erst auf Intervention des Vorstands hin kamen Funkel und schließlich Baumgart.

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